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"Es ist kein Zweifel, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan eher zuspitzt als entspannt"

Prof. Dr. h.c. Horst Teltschik leitet zum letzten Mal die Münchner "Sicherheitskonferenz". Ein Interview

Im Folgenden dokumentieren wir ein Interview mit dem langjährigen Organisator der Münchner Sicherheitskonferenz, Horst Teltschik. Darin gibt er nicht nur Auskunft über die politischen Schwerpunkte der umstrittenen Konferenz in diesem Jahr, sondern kündigt auch seinen Rückzug als Veranstalter an: 2008 wird die letzte Sicherheitskonferenz unter seiner Leitung sein. Teltschik geht aber davon aus, "dass die Konferenz in München weiterleben wird" - zum Bedauern der Friedensbewegung, die auch in diesem Jahr mit Alternativkonferenzen und einer Großkundgebung und Demonstration am Samstag, den 9. Februar, auf den Plan tritt (siehe hierzu die Website des Bündnisses gegen die Sicherheitskonferenz: http://www.sicherheitskonferenz.de/)


Entwicklung von gemeinsamen Strategien zur Lösung von internationalen und regionalen Konflikten - Interview *

Herr Professor Teltschik, welche Erwartungen knüpfen sich an die Münchner Sicherheitskonferenz 2008?

Das Generalthema der Konferenz: "Eine Welt in Unordnung – Machtverschiebungen - fehlende Strategien" zeigt auf, um was es auf dieser Sicherheitskonferenz 2008 gehen wird. Die Zahl der Konflikte nimmt zu. Neue Weltmächte wie China und Indien entwickeln sich und beeinflussen immer stärker internationale Entscheidungen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Hilflosigkeit zunimmt, gemeinsame Strategien zu entwickeln, um internationale und regionale Konflikte friedlich zu lösen.

Weniger als ein Jahr vor dem Wechsel der US-Präsidentschaft ist noch keine Entscheidung über die Nachfolge gefallen. Gibt es dennoch absehbare sicherheitspolitische Konsequenzen aus dem Ende der Ära George W. Bush für das transatlantische Verhältnis und für Europa?

Der Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahlen ist noch immer völlig offen. Doch wer immer die Wahl gewinnen wird, muss die wirtschaftlichen und finanziellen Lasten der außen – und sicherheitspolitischen Verpflichtungen der USA zurückführen. Wir werden deshalb eine verstärkte Diskussion über die zukünftigen internationalen Aufgaben der NATO und der Lastenteilung und im Besonderen über die Verantwortung der Europäer bei der Regelung von Konflikten bekommen.

Welche Szenarien ergeben sich aus den angekündigten Rückzügen bzw. Teilrückzügen für die Stabilität Iraks und was bedeuten sie für das sicherheitspolitische Umfeld in Pakistan und Iran?

Die Teilrückzüge werden erst erfolgen, wenn sich die innere Sicherheit und Stabilität entscheidend verbessert und von irakischen Sicherheitskräften auch zukünftig garantiert werden kann. Das würde auch positive Auswirkungen auf das sicherheitspolitische Umfeld in Pakistan haben. Das hängt aber auch ganz entscheidend von der inneren Reformpolitik ab, die Präsident Musharraf zukünftig betreibt oder nicht. Der Iran wird natürlich versuchen, Einfluss auf die irakische Politik zu gewinnen. Der achtjährige Krieg, den Saddam Hussein gegen den Iran geführt hat, ist nicht vergessen. Deshalb sind die Gespräche, die zwischen dem Iran und den USA über Irak begonnen haben, ganz entscheidend. Sie sollten möglichst bald auf alle Bereiche der bilateralen Beziehungen ausgeweitet werden. Das würde sehr zur Entspannung im ganzen Mittleren Osten führen.

Wird sich der Entscheidungsdruck für die NATO im Jahr 2008 bei Isaf und OEF in Afghanistan absehbar verschärfen? Welche Optionen bestehen für den Fall einer weiteren islamistischen Radikalisierung Pakistans?

Es ist kein Zweifel, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan eher zuspitzt als entspannt. Die USA wollen deshalb ihr Truppenkontingent bis zum Frühjahr verstärken. Japan hat entschieden, wieder Unterstützung zu leisten. Der Druck auf die europäischen NATO - Mitgliedsländer wird zunehmen, ihre militärischen und finanziellen Ressourcen zu erhöhen. Wenn unsere Sicherheit auch in Afghanistan verteidigt wird, so der frühere SPD - Verteidigungsminister Struck, dann muss man auch bereit sein, entsprechende Ressourcen zur Verfügung zu stellen und zwar entsprechend der Gefährdungslage. In Pakistan muss der Westen darauf dringen, dass Reformen durchgeführt werden, die die demokratischen und vernünftigen Kräfte stärken. Dann kann auch westliche Hilfe einen solchen Reformprozess wirksam unterstützen.

Halten Sie es für möglich, dass es in der Frage des umstrittenen US-Raketenabwehrschirmes in Mittelosteuropa zu einer Annäherung mit Russland kommt oder besteht erneut die Gefahr einer Spaltung in "Neues Europa" und "Altes Europa"?

Wir haben eine neue polnische Regierung, die deutlich differenzierter das Thema der Raketenabwehr diskutiert als ihre Vorgänger. Ende Februar wird ein neuer russischer Präsident im Amt sein und in einem Jahr gibt es einen neuen amerikanischen Präsidenten. Alle sind eigentlich jetzt klug beraten, Entscheidungen bis dahin zu vertagen.

Stichwort Energie-Sicherheit und Klimawandel: Wird sich die sicherheitspolitische Agenda künftig noch stärker an den Risiken und Abhängigkeiten der Energieversorgung ausrichten?

Und wird der politisch ausgerufene Kampf gegen den Klimawandel zum Faktor für die globale Sicherheitspolitik? Eindeutig ja. Bundesminister Gabriel hatte sich schon für diese Konferenz angeboten, zu diesem Thema zu sprechen. Das war in diesem Jahr nicht mehr möglich, aber das Thema bleibt auf der Agenda, weil es noch an Brisanz gewinnen wird.

Sie haben gesagt, die 44. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik sei die letzte Konferenz, die Sie leiten. Ist Ihre Entscheidung endgültig? Wird es auch nach Horst Teltschik Münchner Konferenzen für Sicherheitspolitik geben?

Meine Entscheidung ist getroffen. Zehn Konferenzen habe ich organisiert und geleitet. Das hat viel Freude, aber auch viel Arbeit bereitet. Jetzt soll ein Nachfolger die Chance haben, die Konferenz weiter zu entwickeln und neue Ideen einzubringen. Jeder ist ersetzbar, damit ist klar, dass die Konferenz in München weiterleben wird.

Wen könnten Sie sich als Nachfolger vorstellen? Über welche besonderen Qualitäten sollte der nächste Veranstalter der Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik verfügen?

Der Nachfolger wird vorgestellt, sobald er entschieden ist. Das wird irgendwann im Frühsommer sein, bevor die Vorbereitungen für die 45. Sicherheitskonferenz anlaufen. Es wird jemand sein, der selbst schon große internationale Konferenzen organisiert hat; der Erfahrungen aus der Politik mitbringt und international gut vernetzt ist, vor allem in Washington und Brüssel.

Die Fragen stellte Ernst Hebeker

* Website der Münchner Sicherheitskonferenz; www.securityconference.de


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