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Krieg nach innen, Krieg nach außen

München: Friedenspolitischer Kongreß thematisiert Militarisierung. Demonstrationsrecht eingefordert

Von Claudia Wangerin *

Während das Münchner Kreisverwaltungsreferat erwägt, einen Teil des geplanten Protests gegen die sogenannte Münchner Sicherheitskonferenz am 9. Februar zu verbieten, fand die inhaltliche Gegenveranstaltung gewerkschaftlicher und friedensbewegter Gruppen zu der Militärtagung bereits am Wochenende statt. »Deutschland im Krieg« nannte sich der diesjährige friedenspolitische Kongreß im Münchner DGB-Haus, der sich zugleich als Beitrag zum dezentralen Weltsozialforum verstand.

Einleitend erklärte Conrad Schuhler vom Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung, der moderne Wachstumskapitalismus vertrage sich nicht mit der Tatsache der Endlichkeit der Ressourcen und mache militärische Konfrontationen unausweichlich. Für den gemeinsamen Einsatz von Friedens- und Ökologiebewegung für regenerative Energien und weltweite soziale Gerechtigkeit plädierte auch Werner Rätz vom globalisierungskritischen Netzwerk ATTAC.

Über die Militarisierung Deutschlands und der EU sowie deren Aufrüstungsverpflichtung im Vertrag von Lissabon sprach Claudia Haydt von der Informationsstelle Militarisierung. Den Zusammenhang von militaristischer Außenpolitik und Demokratieabbau im Inneren zeigte Rechtsanwältin Gabriele Heinecke auf. »Der Einsatz von Bundeswehrtornados während der Gipfelproteste in Heiligendamm war verfassungsrechtlich nur gedeckt, wenn man den G-8-Gipfel als Naturkatastrophe oder als besonders schweren Unglücksfall im Sinne von Artikel 35 ansieht«, so Heinecke.

Über sechs Jahre NATO-Besatzung in Afghanistan und die Vorgeschichte der westlichen Unterstützung für den islamischen Fundamentalismus während des Kalten Krieges sprach der Hochschuldozent für Internationale Politik, Matin Baraki, der von der Bundesregierung den sofortigen Abzug deutscher Truppen aus dem Land am Hindukush und Reparationszahlungen fordert.

Im Abschlußplenum diskutierten am Samstag (25. Januar) Vertreter der ver.di-Jugend, des Münchner Bündnisses gegen Krieg und Rassismus und der Sozialistischen deutschen Arbeiterjugend mit dem Europaabgeordneten der Partei Die Linke, Tobias Pflüger, und dem Angriffskriegsverweigerer Oberstleutnant Jürgen Rose über Erfahrungen und Perspektiven im Kampf gegen Militarismus und Krieg. Pflüger wertete es als Erfolg der Protestbewegung, daß der ehemalige BMW-Manager und Vizekanzleramtschef Horst Teltschik in diesem Jahr zum letzten Mal die »Münchner Sicherheitskonferenz« ausrichtet, an der neben Rüstungslobbyisten vornehmlich Militärpolitiker aus NATO-Staaten teilnehmen. Teltschik sei politisch unter Druck geraten, weil er die Konferenz durch die Bundesregierung sponsern lasse, aber privat bestimme, wer teilnehmen darf. Gewählte Abgeordnete der Linken würden regelmäßig ausgeschlossen.

Das Münchner Kreisverwaltungsreferat (KVR) will die Gegner der »Sicherheitskonferenz« unterdessen nicht einmal in Hör- und Sichtweite der Tagungsteilnehmer demonstrieren lassen. Bei einem sogenannten Kooperationsgespräch mit KVR und Polizei rückten die Protestorganisatoren aber nicht von ihrem Vorhaben ab und wollen dies auch im Verbotsfall nicht tun. Je nach Begründung werde man juristisch dagegen vorgehen, erklärten sie am Sonntag vor Medienvertretern. Die Hauptdemonstration mit rund 5000 Teilnehmern soll am 9. Februar vom Marienplatz zum Odeonsplatz vor die Residenz führen, wo die Abendveranstaltung der Konferenz stattfindet.

* Aus: junge Welt, 28. Januar 2008


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