Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Christlich-militärische Union

Sachsen-Anhalt: SPD-Minister verfügt Gleichberechtigung von Bundeswehr und Pazifisten an Schulen. CDU in Land und Bund ist aufgebracht

Von Susan Bonath *

Mit einer Handreichung hat Sachsen-Anhalts Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) zu Wochenbeginn die Schulen des Landes verpflichtet, Bundeswehr und Friedensinitiativen gleichberechtigt zu Wort kommen zu lassen. Was die Linke freut und die Grünen schweigen lässt, treibt Christdemokraten auf Landes- und Bundesebene auf die Barrikaden. Der Minister müsse den im Schulverwaltungsblatt verkündeten Erlass zurücknehmen, fordern sie.

So wettert Sachsen-Anhalts CDU-Fraktionschef André Schröder in einer am Dienstag abend veröffentlichen Mitteilung, unter »dem Vorwand der Meinungsvielfalt« würden »die besondere Bedeutung der Bundeswehr für die Gesellschaft und ihr Friedensauftrag« negiert. Gebe man Pazifisten Gelegenheit, gegen die Haltung des Militärs zu argumentieren, schaffe dies »einen künstlichen Gegensatz zwischen Friedensarbeit und der Tätigkeit der Parlamentsarmee«. Dorgerloh solle seinen Vorstoß nun per Erklärung begründen, verlangt Schröder. »Dass an Sachsen-Anhalts Schulen neue Grundsätze für den Umgang mit Jugendoffizieren notwendig werden, ist meiner Fraktion völlig neu.«

Bewerten wollte Schröder die derzeitige Umsetzung des »Friedensauftrags« des Heeres am Mittwoch im Gespräch mit jW nicht. »Die Bundeswehr wird demokratisch vom Parlament beauftragt«, betonte er. Sie habe eine »besondere Stellung«, »weil sie unsere Freiheit schützt«. Er sei nicht dagegen, dass Schulen Pazifisten einladen. Aber der Zwang, das eine mit dem anderen zu verbinden, erschwere die Arbeit der Jugendoffiziere. »Da schwingt mit, dass Soldaten grundsätzlich für Krieg sind, das ist nicht hinnehmbar«, so Schröder. Zudem beklagte er, der SPD-Minister habe im Alleingang gehandelt, ohne die CDU als Koalitionspartner zu informieren.

Schröders Unmut hat auch seine Parteikollegen im Bundestag aufgerüttelt. Der CDU-Abgeordnete Christoph Bergner schimpfte gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung (Mittwochausgabe), Dorgerloh ignoriere so etwa »die gute Zusammenarbeit zwischen Streitkräften und zivilen Organisationen« beim Hochwasser 2013. »Ich kann nur hoffen, dass er innerhalb seiner eigenen Partei dafür zur Brust genommen wird«, appellierte er an die SPD.

Die Landesvorsitzende der Linken in Sachsen-Anhalt, Birke Bull, sicherte Dorgerloh indes die »ausdrückliche Unterstützung« ihrer Fraktion zu. Die Initiative ziele auf »eine offene demokratische Debatte zu Fragen der weltweiten Friedens- und Sicherheitspolitik«, lobte Bull. Dies sei ein Schritt in die richtige Richtung. Schüler hätten ein Recht auf kontroverse Diskussionen über ein so wichtiges Thema. Außerdem folge der Minister mit seinem Vorstoß dem »Beutelsbacher Konsens«. Diesen deklariert die Bundeszentrale für politische Bildung als ihren »Leitgedanken«. Danach ist es »nicht erlaubt, Schüler (...) im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der Gewinnung eines selbständigen Urteils zu hindern«. Die bisher gängige Praxis aber überschreite die Grenze zwischen politischer Bildung und Indoktrination. Letztere sei »unvereinbar mit der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesellschaft«.

Bisher nutzten zahlreiche Schulen in Sachsen-Anhalt das nahe Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Heer in der Altmark für »praktischen Unterricht« zwischen Panzern, Lasersimulationswaffen und Feldküche. Auch Schulstunden mit Jugendoffizieren waren keine Seltenheit. Fortan ist das nur möglich, wenn »gleichzeitig oder zeitnah« Friedensinitiativen ihre Position darstellen dürfen. »Wir orientieren uns dabei an den Regeln, die für Besuche von Politikern gelten«, so das Ministerium. Meinungsvielfalt müsse gefördert werden. »Truppenbesuche dürfen keinen erlebnispädagogischen Eventcharakter haben.« Ferner untersagt die Handreichung »jede direkte und indirekte Berufswerbung für die Bundeswehr während der Schulzeit«.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 11. Dezember 2014


Zurück zur Seite "Bundeswehr an Schulen und Hochschulen"

Zur Seite "Bundeswehr an Schulen und Hochschulen" (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage