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"An Schulen und Hochschulen ansetzen"

Gegen Bundeswehr im Bildungswesen: Die Aktion »Lernen für den Frieden« hat 10000 Unterschriften. Ein Gespräch mit Roland Blach *


Roland Blach ist Landes­geschäftsführer der »Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner­Innen« (­DFG-VK) Baden-Württemberg. Er arbeitet mit in der Kampagne »Lernen für den Frieden«.


Ihre Kampagne »Lernen für den Frieden« hat soeben die Marke von 10000 Unterstützerunterschriften überschritten. Was und wen wollen Sie mit dieser Aktion erreichen?

Im Kern geht es darum, eine öffentliche Debatte darüber in Gang zu setzen, welche Verantwortung Bildung und Wissenschaft zur Beseitigung von Krieg sowie zur Förderung ziviler Konfliktlösung zukommt. Die verschiedenen landesweiten Kampagnen wie »Schulfrei für die Bundeswehr« geben dafür wertvolle Impulse. Der Titel eines alten Faltblatts der Deutschen Friedensgesellschaft von 1982 bringt es auf den Punkt: »Kriege werden im Schulzimmer erzeugt, lange bevor sie im Schulzimmer besprochen werden.«

Wir müssen die Vorbereitung, Akzeptanz und Bagatellisierung von Kriegen entlarven. Genau deswegen ist es notwendig, in Schulen und Hochschulen anzusetzen. Dort müßten die Grundlagen für eine friedliche Entwicklung gelegt werden, mit Zivilklauseln und der Förderung der Friedensbildung. Die Unterschriftslisten dienen dazu, mit der Mehrheit der Bevölkerung, die sich gegen Krieg und Aufrüstung ausspricht, ins Gespräch zu kommen.

Welche Reaktionen gab es bisher bei der Unterschriftensammlung auf der Straße?

Unterschiedliche. Viele Bürger sind interessiert und werden mit der Kampagne erst auf das Problem der Militarisierung des Bildungswesens gestoßen – und die wird größtenteils abgelehnt. Unsicherheit besteht darüber, ob es für uns als Bevölkerung überhaupt möglich ist, an den Zuständen etwas zu ändern und zu einer friedlichen Welt beizutragen.

Viele Universitäten haben die von der Kampagne geforderten Zivilklauseln, die militärische Forschung an Universitäten verhindern sollen, in ihren Grundordnungen verankert. Oft sind die Klauseln aber schwammig formuliert, und Militärforschung wird trotzdem betrieben. Wie wollen Sie das verhindern?

Voraussetzung dafür ist, daß die Wissenschaft demokratisch entwickelt werden kann. Dafür sind die Diskussion an Ort und Stelle sowie Transparenz nötig – das heißt, daß alle Drittmittelvorhaben schon vor Beginn des Projekts zumindest innerhalb der jeweiligen Hochschule bekanntgegeben werden. Und zwar mit Informationen über Geldgeber, Zeitraum, Projektverantwortlichkeit, Finanzvolumen, Zielsetzung und Fragestellung.

Glauben Sie wirklich, daß Sie die regierenden Politiker mit der Kampagne und der Unterschriftensammlung beeindrucken und zu friedlicherer Bildung bewegen können?

Ich drehe die Frage einmal herum. Warum wurde im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD explizit die Attraktivitätsoffensive der Bundeswehr erwähnt? Warum wurde dort formuliert: »Die neue Bundesregierung unterstützt und begrüßt, wenn möglichst viele Bildungsinstitutionen von dem Angebot von Jugendoffizieren Gebrauch machen«? Oder warum heißt es dort, daß der »Zugang der Bundeswehr zu Schulen, Hochschulen, Ausbildungsmessen« selbstverständlich sei? Schon jetzt also wird die Bewegung für militärfreie Bildung und Forschung wahrgenommen – nämlich von der Rüstungsindustrie und den ihr nahestehenden Politikern.

Die Unterschriften sollen erst bei einer Kultusministerkonferenz im Oktober übergeben werden. Was ist bis dahin geplant?

Wir haben noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, um noch mehrere zehntausend Unterschriften zusammenzubekommen. Das wollen wir unter anderem dadurch erreichen, daß die Listen Zeitungen von Unterstützerorganisationen beigelegt werden. Bei den vielen Veranstaltungen der Friedensbewegung anläßlich »100 Jahre 1. Weltkrieg« soll aktiv dafür geworben werden.

Gerade in diesem Gedenkjahr ist es wichtig, was der emeritierte Professor und Historiker Wolfram Wette im Geleitwort zur Streitschrift »Jetzt entrüsten« schrieb: »Heute ist es an der Zeit, daß die deutsche Zivilgesellschaft den Vertretern, Planern und Machern der militärischen Interventionspolitik die rote Karte zeigt und klarmacht, daß in Deutschland nur noch gewaltfreie Methoden der Konfliktbearbeitung akzeptiert werden.«

Interview: Michael Schulze von Glaßer

www.lernenfuerdenfrieden.de

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 26. Februar 2014


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