Wie zivil ist die Forschung?
Universitäten können ihre Wissenschaftler vor Rüstungsaufträgen schützen *
(hbf) „Innovative Sicherheitslösungen
zur Abwehr neu entstehender Bedrohungslagen“
wollen sie entwickeln
oder „Autonome Systeme, z. B. unbemannte
Flugzeuge“, also Drohnen. Am Rande Münchens haben sich die
Bundeswehrhochschule und die TU
München mit Unternehmen wie EADS,
IABG und Siemens zusammengetan,
die immer auch schon Militärausrüster
waren. Im „Innovationspark“ Augsburg
hat die dortige Universität ähnliche
Kooperationspartner gefunden.
„Die stillschweigende Verknüpfung
von ziviler und militärischer Forschung
und Produktion“, kritisiert die Initiative
Friedliche Uni Augsburg, „macht
das Projekt aus unserer Sicht so gefährlich.“
Seit gut zwei Jahren bemüht
sich die Initiative, eine „Zivil-undTransparenzklausel“
in der Grundordnung der Uni zu verankern.
ver.di fordert „Zivilklauseln“
Die erste Selbstverpflichtung, ausschließlich
für zivile Zwecke zu forschen,
beschloss 1986 die Universität Bremen. Nach und nach kamen
weitere Hochschulen dazu. In letzter
Zeit hat das Thema wieder Fahrt aufgenommen.
Besonders Studierende wollen nichts mit Rüstungsforschung
zu tun haben. ver.di hat sich 2011,
die Gewerkschaft Erziehung undWissenschaft
(GEW) 2013 für Zivilklauseln
ausgesprochen, damit sich kein Hochschulangehöriger
an militärisch nutzbarer Forschung beteiligen muss.
Hochschulen müssen immer mehr
Drittmittel einwerben. Manche meinen,
da dürfe man nicht wählerisch
sein. Außerdem ließen sich bei Forschungsaufträgen
ziviler und militärischer Nutzen oft kaum trennen –
die sogenannte Dual-Use-Problematik. Professor Hans-Jörg Kreowski (Uni
Bremen) hat dazu eine klare Position: „Jeder Wissenschaftler kann sich bewusst gegen Rüstungsaufträge entscheiden
und andere Geldgeber suchen.“ Die Dual-Use-Gefahr könne
durch Offenheit und Öffentlichkeit verringert werden, betont Kreowski,
Gründungsmitglied des Forums Informatiker/innen für den Frieden
(FIFF): „Militärs setzen auf Geheimhaltung.“
Eine Zivilklausel wie an der Uni Bremen
helfe, sagt er, wenn sie gelebt werde. Außerdem stellen sich ständig
neue Fragen: Wie „zivil“ ist die zunehmende Sicherheitsforschung?
Dürfen Offiziere Lehrbeauftragte sein? Was tun, wenn dual Studierende in
einem Rüstungsbetrieb arbeiten?
Ausschluss per Gesetz?
Im Zentrum der Debatte steht das
Selbstverständnis einer Hochschule
und der dort Beschäftigten. Heinz Lehmann,
Personalratsvorsitzenderder TU
Darmstadt, ist zufrieden, dass in der
Einrichtung, „die sich im Dritten Reich
sehr opportunistisch zu den Machthabenden
in Staat, Militär und Wirtschaft verhalten hat“, eine Zivilklausel gilt. Wäre es nicht wirkungsvoller, per Gesetz an allen Hochschulen eines Bundeslandes die Rüstungsforschung
auszuschließen? Ein bundesweiter Vorstoß
der Linkspartei scheiterte jüngst
an allen anderen Fraktionen.
-
www.zivilklausel.org
- www.gew-bayern.de, Unterpunkt
„Themen“, dort Unterpunkt „Friedenserziehung“
Argumentation und Solidarität
ver.di und die Gewerkschaft Erziehung
und Wissenschaft (GEW) haben
gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Gruppen und Parteien die Unterschriftenaktion „Lernen für den Frieden“
gestartet. Damit wenden sie sich
gegen Rüstungsindustrie und Militär
in Bildungseinrichtungen. Die Unterschriften
sollen am 5. Dezember bei
der Kultusministerkonferenz übergeben werden.
Mehr Informationen und
die Unterschriftenliste unter www.lernenfuerdenfrieden.de
Interview
Renate Bayer ist Personalrätin an der TU München und Sprecherin der ver.di-Betriebsgruppe Widerstand bündeln!
An 14 deutschen
Hochschulen gibt es
Zivilklauseln. Keine
davon liegt im Bayern.
Hier blüht die Kooperation
von Hochschulen
und Rüstungsindustrie,
etwa an der
TU München. Was
lässt sich tun?
Genau deshalb hatten
die Landesverbände von
GEW und ver.di Ende
Juni eine Tagung organisiert
unter dem Motto:
Widerstand in Bayern
bündeln! Studenten, Universitätsbeschäftigte,
Lehrer, Eltern und andere
haben sich vernetzt, um
weitere Schritte zur Verankerung
einer Zivilklausel
in der Landesverfassung
und auch zur
Kündigung des Kooperationsabkommens
zwischen
Bundeswehr und
Schulen zu unternehmen.
Wie stark engagieren
sich die Studierenden?
Die Studenten haben sich ihrerseits bayernweit vernetzt, um einen Aktionsplan für die Verankerung von Zivilklauseln an den Universitäten zu erstellen. Aktiv sind bisher
vor allem Studierende aus Augsburg, Würzburg,
Erlangen und Regensburg.
Welche Rolle spielt in München die AG
Friedliche Schule und Hochschule von ver.di,
GEW und anderen Aktiven?
Dort arbeiten Universitätsbeschäftigte,
Lehrer und Studenten gegen die
Militarisierung der Bildung
zusammen. Wir stellen auch Referenten
zu diesen Themen.
* Artikel und Interview sind erschienen in der Zeitung: ver.di news. Infoservice für Aktive, 2. November 2013, S. 4 (Internet: www.verdi-news.de)
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