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Ferienspaß im Bunker

Zur Abwechslung mal "Krieg üben" gucken? Magdeburger Volksstimme lud Leser zum "Sommerabenteuer" ins Gefechtsübungszentrum der Bundeswehr ein

Von Susan Bonath *

Der heutige Weltfriedenstag soll an den Beginn des Zweiten Weltkrieges mit dem Angriff der deutschen Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 erinnern. Auch in diesem Jahr rufen Linke, Gewerkschafter, kirchliche und Friedens­initiativen zu Kundgebungen und Mahnwachen auf. Bei der im Magdeburger Raum verbreiteten Tageszeitung Volksstimme, produziert von der Hamburger Bauer Media Group, will man davon allerdings nichts wissen. Denn dort, wo ihre Abonnenten wohnen, ist auch die Bundeswehr zu Hause. Deshalb lud die Volksstimme ihre Leser in dieser Woche lieber zu »Ferien zwischen Lasergewehr und Bunker« in das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark in der Colbitz-Letzlinger Heide ein.

Der Besuch des GÜZ am Mittwoch war der »Höhepunkt der neuen Volksstimme-Ferienaktion ›Sommerabenteuer‹ mit insgesamt sechs Tagesausflügen«, wie das Blatt, von dem erst kürzlich der Chefredakteur und ein weiterer Redakteur in CDU-geführte Ministerien wechselten, in seiner Donnerstagausgabe auf den Lokalseiten des Landkreises Börde schwärmte. Die Ausflüge sollten »Lesern Einblicke in Unternehmen gewähren, die ihnen sonst verwehrt bleiben«. Schon vor Beginn der Sommerferien in Sachsen-Anhalt bewarb die Zeitung ihre Aktion. Wer »kostenlos« dabeisein wollte, konnte einen Coupon für bis zu drei Personen ausfüllen; von einer Altersbegrenzung nach unten war darauf keine Rede. Aus den Zuschriften loste das Blatt anschließend die »Gewinner« aus.

Am Donnerstag berichtete das Blatt vom »Familienausflug« seiner auserwählten Leser zum Kriegsübungsgelände, das der Waffenproduzent Rheinmetall an die Bundeswehr und ausländische Truppen, etwa niederländische oder österreichische, vermietet. Mit den Worten: »Die Technik auf dem drittgrößten Truppenübungsplatz ist die modernste in Europa«, habe Hauptmann Thomas Herzog seine Gäste begrüßt, hieß es. Sodann habe der Offizier einzelne Kriegsübungsgeräte eingängig erklärt, vom Duellsimulator bis hin zum Kampfhubschrauber. Auch das neueste Bundeswehrprojekt hat man vorgestellt: die Übungsstadt Schnöggersburg, in die etwa 100 Millionen Euro Steuergeld fließen und mit deren Bau noch in diesem Jahr begonnen werden soll. Zwischen Straßen, Plätzen, Häusern, Industriegebieten, Kinos, Krankenhäusern und einer U-Bahn-Station sollen sich dort Soldaten bald auf den Häuserkampf in urbanen Zentren vorbereiten.

Bereits vor Wochen hatten die Organisatoren des Antikriegscamps, das vom 12. bis 17. September unter dem Motto »War starts here« (Der Krieg beginnt hier) in Letzlingen nahe des GÜZ-Kontrollzentrums stattfinden soll, das »Volksstimme-Sommerabenteuer« im GÜZ scharf kritisiert. Dieses sei »wohl eine Werbeaktion für die Bundeswehr, um für neue Rekruten zu sorgen«, hieß es. Auch die Aktivisten wollen am 15. September im Rahmen eines Aktionstages auf das Gelände des GÜZ gehen. So leicht wie die Leserschaft in Ausflugslaune werden sie es jedoch gewiß nicht haben. Denn sie möchten an zivile Opfer erinnern, die Kriege mit deutscher Beteiligung in jüngster Vergangenheit forderten. Und sie wollen den Übungsbetrieb an diesem Tag unterbrechen. Ein passender Platz für ihr Camp wird ihnen bis heute verwehrt. Was nicht verwundert: Wer sich für Frieden einsetzt, ist an einem solchen Ort nun mal nicht gern gesehen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 1. September 2012


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