Schule und Bundeswehr: "Zivile Konfliktbearbeitung ist für mich eine Alternative zum Militär, keine Ergänzung"
Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler warnt vor einer Initiative des Unterausschusses "Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit" - Brief an die Friedensbewegung
In einigen Bundesländern (Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, NRW) steht die Friedensbewegung vor der schwierigen Frage, wie sie auf Angebote reagieren soll, neben der Bundeswehr in Schulen aufzutreten. Die grundsätzliche Forderung, keine Bundeswehr im Schulunterricht zuzulassen und die entsprechenden "Kooperationsvereinbarungen" zwischen Bundeswehr und Kultusministerien abzulehnen, würde Schaden nehmen, wenn man sich als Ko-Partner der Jugendoffiziere zur Verfügung stellen würde. Auf der anderen Seite mag argumentiert werden, dass die Friedensbewegung (einschließlich der Friedenswissenschaft), wo sie schon die Kooperationsvereinbarungen nicht verhindern konnte, wenigstens versuchen sollte, als Korrektiv aufzutreten und den Bundeswehrvertretern das Argumentieren möglichst schwer zu machen - wohl wissend, dass es eine "Waffengleichheit" zwischen Militär und Zivil nicht gibt.
Der Unterausschuss "Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit" des Bundestags hat am 8. Juli 2011 in einem Brief an den Präsidenten der Kultusministerkonferenz angeregt, dass die Länder (als für das Schulwesen verantwortliche Ebene) nach den Kooperationsvereinbarungen mit der Bundeswehr nun auch Kooperationsvereinbarungen mit "Nichtregierungsorganisationen" abschließen sollten, um "deren Erfahrungen und Kompetenzen" einzubeziehen. Den Brief dokumentieren wir im Original als pdf-Datei hier: "An den Präsidenten der Kultusministerkonferenz".
Darauf reagierte Kathrin Vogler, MdB (Die Linke) und selbst Mitglied im entsprechenden Unterausschuss, ihrerseits mit einem Brief, den sie an die Friedensbewegung schickte. Darin argumentiert sie prinzipiell gegen den Vorschlag des Unterausschusses und warnt die Friedensbewegung davor, in Kooperationsvereinbarungen zwischen Kultusministerien und "Nichtregierungsorganisationen" eine Lösung zu sehen.
Wir dokumentieren im Folgenden den Brief von Kathrin Vogler im vollen Wortlaut.
An Organisationen der Friedensbewegung
Liebe Freundinnen und Freunde,
die Obleute von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen im
Bundestagsunterausschuss Zivile Krisenprävention
haben einen gemeinsamen Brief an den Präsidenten
der Kultusministerkonferenz gesandt, in dem sie für
Kooperationsvereinbarungen mit Nichtregierungsorganisationen
analog der Kooperationsvereinbarungen,
die einige Bundesländer mit der Bundeswehr geschlossen
haben, werben, um mehr zivile Fachkräfte
in die Schulen zu bringen, die dort „Fragen ziviler
Krisenprävention und vernetzter Sicherheit“ diskutieren
sollen.
Ich habe diesen Brief nicht unterschrieben. Selbstverständlich
ist es auch für mich ein Anliegen, dass in
den Schulen für Zivile Konfliktbearbeitung geworben
wird. Zivile Konfliktbearbeitung ist für mich aber
eine Alternative zum Militär, keine Ergänzung. Deshalb
kann ich nicht zustimmen, wenn gefordert wird,
dass zivile Experten im Rahmen der schulischen Bildungsarbeit
für die vernetzte Sicherheit und zivilmilitärische
Zusammenarbeit werben sollen.
Darüber hinaus lehne ich die Kooperationsvereinbarungen
mit der Bundeswehr, die im Brief der Unterausschuss-
Obleute an die KMK nur durch zivile
Fachkräfte ergänzt werden sollen, ab. Die Bundeswehr
hat in den Schulen nichts zu suchen.
In der Friedensbewegung wird schon länger diskutiert,
wie man mit den Kooperationsvereinbarungen
mit der Bundeswehr umgehen soll. Das ist eine
schwierige strategische Frage. Ich denke, dass Friedensorganisationen
gegenüber der Bundeswehr immer
in einer nachteiligen Lage sind. Friedensorganisationen
haben kaum hauptamtliche Kräfte, schon gar
keine, die extra für die Bildungsarbeit an Schulen freigestellt werden könnten. Auch
können Friedensorganisationen die psychologische, rhetorische und inhaltliche Fortbildung,
die Jugendoffiziere genießen, nicht leisten. Selbst Fahrtkosten stellen für Friedensorganisationen
im Gegensatz zur Bundeswehr eine Belastung dar. Zentrale Kooperationsvereinbarungen
mit den Kultusministerien sind für die Friedensbewegung wegen ihrer
dezentralen Struktur kein besonders adäquates Instrument. Ich denke, dass eine Ergänzung
der Kooperationsvereinbarungen um eine Passage zu zivilen Fachkräften keinen
Ausgleich dieser Nachteile bringen kann.
Für eine stärkere (auch finanzielle) Förderung von friedenspädagogischen Angeboten für
Schulen sollten wir uns aber mit aller Kraft gemeinsam einsetzen.
Mit friedlichen Grüßen
Kathrin Vogler
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