Rüstungsschmiede kauft sich Professur
Bremer Hochschullehrer protestieren gegen Ökonomisierung ihrer Universität
Von Sönke Hundt, Daniel Bratanovic *
An der Universität Bremen regt sich Protest gegen die zunehmende ökonomische Durchdringung von Wissenschaft und Lehre. Eine Anfang Februar veröffentlichte Erklärung, die bisher von 63 Hochschullehrern und Wissenschaftlern unterzeichnet worden ist, kritisiert die steigende Zahl sogenannter Stiftungsprofessuren, die nicht aus dem Etat der Hochschulen, sondern oftmals von Unternehmen finanziert werden. Die Unterzeichner befürchten, daß die von der Wirtschaft gesponserte Einrichtung von Lehrstühlen eine »Gefährdung der Unabhängigkeit von Wissenschaft, Forschung und Lehre« darstelle.
Eigentlicher Anlaß der Erklärung aber ist die neu gestiftete Professur für Weltraumtechnologie. Stifter sind zu gleichen Teilen die OHB System AG des Unternehmerpaares Fuchs und das Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die OHB-System AG (Orbitale Hochtechnologie Systeme) hat mit der Rüstungsproduktion seinen wirtschaftlichen Aufstieg genommen und fuhr in den letzten Jahren satte Profite ein. So konnte das Bremer Raumfahrtunternehmen im vergangenen Jahr den Auftrag der EU-Kommission zum Bau von 14 Satelliten für den Aufbau des Navigationssystems Galileo an Land ziehen. Galileo soll weltweit Daten zur genauen Positionsbestimmung liefern und dient damit sowohl zivilen wie ausdrücklich auch militärischen Zwecken. Einen rein militärischen Nutzen besitzt das von OHB gebaute satellitengestützte Radar-Aufklärungssystem SAR-Lupe, dessen Auftraggeber das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) ist.
Auf einer Pressekonferenz am 1. Februar warnten die Bremer Professoren Rudolph Bauer und Hans-Jörg Kreowski eindringlich vor einem Wissenschaftssponsoring durch Rüstungsschmieden. Es widerspreche »dem Geist der Gründung der Universität sowie dem Auftrag einer Friedensforschung, die nicht der Gefahr der Rücksichtnahme auf privatwirtschaftliche Spender ausgesetzt sein darf.« Der AStA macht darauf aufmerksam, daß an der Universität Bremen seit 1986 eine Zivilklausel bestehe, die besage, daß »jede Beteiligung von Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung« vom Akademischen Senat, dem höchsten universitären Entscheidungsgremium, abzulehnen sei.
Den Dekan des für die Stiftungsprofessur zuständigen Fachbereichs, Arnim von Gleich, ficht das alles nicht an. In einer Stellungnahme weist er darauf hin, daß einer Mehrheit an der Universität Bremen klar sein dürfte, daß »auch die Menschenrechte immer wieder mit Waffengewalt geschützt werden müssen«. Wem der Schutz verfolgter Minderheiten am Herzen liege und wer diese im Ernstfall auch durch Militäreinsatze geschützt sehen möchte, dem könne deren Informationslage und Ausrüstung vor Ort nicht egal sein.
* Aus: junge Welt, 7. Februar 2011
Dokumentation:
Erklärung Bremer HochschullehrerInnen und WissenschaftlerInnen zu Stiftungsprofessuren
Wir begrüßen die vom Akademischen Senat der Universität Bremen im Sommer 2010 vertretene Auffassung, „dass die Thematik der Friedensforschung ein unabdingbarer Bestandteil der Gründungsideen der Universität Bremen war, der heute eher an Relevanz gewinnt als verliert“.
Im Gegensatz dazu beobachten wir, dass Lehrstühle an der Universität Bremen zunehmend von Wirtschaftsunternehmen finanziert werden. Auch ohne dass uns die betreffenden Verträge zwischen der Universität und den Wirtschaftsunternehmen im Einzelnen bekannt sind, sehen wir in der Einrichtung befristet von der Wirtschaft gesponserter und später aus dem Haushalt der Universität zu finanzierender Professuren einen Grund für die Außensteuerung der Universität und für die Gefährdung der Unabhängigkeit von Wissenschaft, Forschung und Lehre. Gerade bei der jüngsten der bisher bekannt gewordenen Stiftungsprofessuren wird dies deutlich. Im Fall der Stiftungsprofessur für Weltraumfahrt-Technologie erscheint uns die Abhängigkeit von der Wirtschaft besonders problematisch, weil der Stifter, das Bremer Unternehmen OHB System AG, mit der Rüstungsproduktion seinen wirtschaftlichen Aufstieg genommen hat und dem Geschäft im militärischen Bereich eine zunehmend große Bedeutung beimisst.
Eine derartige Stiftungsprofessur setzt die Freiheit von Forschung und Lehre aufs Spiel und widerspricht dem Geist der Gründung der Universität sowie dem Auftrag einer Friedensforschung, die nicht der Gefahr der Rücksichtnahme auf privatwirtschaftliche Spender ausgesetzt sein darf.
UNTERZEICHNER/INNEN
(Zwischenstand am 31.01.11; alphabetisch):
-
Peter Alheit
- Rudolph Bauer
- Johannes Beck
- Lorenz Böllinger
- Anna Dorothea Brockmann
- Inge Buck
- Wolfgang Bullerdiek
- Wolfgang Däubler
- Wendula Dahle
- Peter Derleder
- Jutta Dornheim
- Dieter von Ehrenstein
- Josef Falke
- Johannes Feest
- Georg Feuser
- Andreas Fischer-Lescano
- Rainer Frentzel-Beyme
- Imanuel Geiss
- Ute Gerhard
- Heide Gerstenberger
- Christian Glass
- Christine Graebsch
- Helga Grubitzsch
- Sönke Hundt
- Hans-Wolf Jäger
- Wolfgang Jantzen
- Rolf Knieper
- Hans-Jörg Kreowski
- Apostolos Kutsupis
- Klaus Mävers
- Thomas Metscher
- Henrike Müller
- Rainer Müller
- Frieder Nake
- Katja Nebe
- Eberhard Oeljeklaus
- Hedwig Ortmann
- Lothar Peter
- Helmut Reichelt
- Barbara Rohr
- Karl-Heinz Roth
- Ulrich Ruschig
- Hans Jörg Sandkühler
- Gert Sautermeister
- Dian Schefold
- Christoph Schminck-Gustavus
- Inge Schmitz-Feuerhake
- Peter-Jürgen Sobich
- Stephan Quensel
- Eva Schöck-Quinteros
- Dietrich Schulze
- Susanne Schunter-Kleemann
- Klaus Sieveking
- Wilfried Staude
- Fritz Storim
- Ralf Streibl
- Gerhard Stuby
- Gerd Vinnai
- Bodo Voigt
- Roderich Wahsner
- Lutz Walk
- Gerd Winter
- Jörg Wollenberg
Sonstige UnterstützerInnen der Erklärung:-
Rolf Gössner, Vize-Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Mitglied der Deputation für Inneres
- Klaus Hübotter, Ehrenbürger der Hansestadt Bremen
- Manfred Osthaus, Staatsrat i. R., ehem. Vorsitzender der Bremischen Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung; Lena Weber, Vorsitzende des AStA der Uni Bremen
- Jost Beilken, Mitglied der Bremischen Bürgerschaft
- Horst von Hassel, Senator a.D.
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