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"Das ist die Begleitmusik für Angst, Elend und Tod"

Aufruf zum Protest gegen ein Benefizkonzert der Big Band der Bundeswehr in München. Ein Gespräch mit Katharina Meyer-Ilse *


Katharina Meyer-Ilse ist beim Anti­militaristischen Bündnis München aktiv.


Am Dienstag, den 22. Mai, gibt die Big Band der Bundeswehr auf dem Odeonsplatz in München ein Benefizkonzert. Es soll Geld für die Special Olympics, einer Sportveranstaltung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung, gesammelt werden. Warum protestieren Sie gegen eine solche Wohltätigkeitsveranstaltung?

Es handelt sich dabei unserer Ansicht nach nur oberflächlich betrachtet um eine Wohltätigkeitsveranstaltung. Es wird dort nämlich einen Info-Truck für Jugendliche geben, um sie für eine Karriere beim Militär anzuwerben. Die Bundeswehr nutzt die schlechte Situation am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt aus, um Kanonenfutter für die Kriege der Zukunft zu ködern. Dabei ist sie selbst einer der Gründe für die Ausbildungsmisere, denn mit den Milliarden, die in Rüstung und Auslandseinsätze gesteckt werden, könnte man viel mehr sinnvolle und sichere Arbeitsplätze schaffen.

Daß dies bei einem Benefizkonzert zugunsten behinderter Menschen geschehen soll, ist nur noch zynisch. So mancher deutsche Soldat ist verkrüppelt aus dem Auslandseinsatz zurückgekommen. Viele erleiden dauerhafte psychische Traumata. Was in den Ländern, in denen die Bundeswehr im kriegsähnlichen Einsatz ist, an körperlichen und psychischen Schäden in der Bevölkerung angerichtet wird, wird aber gar nicht erst dokumentiert. Diese Menschen erhalten keine teure Nachbehandlung, Entschädigung oder dergleichen. Denen helfen auch die Special Olympics nichts. Sie kommen in der öffentlichen Wahrnehmung hierzulande gar nicht vor.

Nicht zuletzt soll mit solchen Veranstaltungen das Auftreten von Militär in der Öffentlichkeit zur Normalität werden. Auch das wollen wir nicht unkommentiert hinnehmen. Die Big Band ist mit ihren Benefizveranstaltungen eine Art Image-Polierer für die Bundeswehr. Tatsächlich ist sie aber die Begleitmusik für Angst, Elend und Tod.

Hat die Bundeswehr als staatliche Institution denn nicht ein Recht darauf, für sich zu werben?

Die BRD führt entgegen ihrer eigenen Verfassung und dem Völkerrecht Krieg im Ausland. Die Wehrpflicht wurde ausgesetzt, um die Bundeswehr in eine leichter zu handhabendende schlagkräftige Berufsarmee zu verwandeln, die im Interesse und im Auftrag des deutschen Kapitals um Zugang zu Rohstoffen und Märkten kämpft.

Die Bundeswehr muß nun massiv für Freiwillige werben, um die Lücken zu füllen, die seit der Aussetzung der Wehrpflicht entstanden sind. Das tut sie, indem sie mit sicheren Arbeitsplätzen, überdurchschnittlicher Vergütung und hohen Abfindungen wirbt. Auslandseinsätze werden als Abenteuerurlaub dargestellt, wie z.B. auf der letzten Reisemesse in München, wo das Militär einen Rekrutierungsstand in der Wassersportabteilung hatte!

Angekündigte Proteste gegen Bundeswehr-Konzerte werden von der Polizei meist auf Distanz zum Veranstaltungsort gehalten. Wie wollen Sie die Konzertbesucher dennoch auf Ihre Einwände aufmerksam machen?

Noch ist nichts angemeldet. Wir sind aber jetzt schon sicher, daß einige Menschen spontan ihre Empörung über das Auftreten und Werben der Bundeswehr auf vielfältige und kreative Weise zum Ausdruck bringen – mit Vuvuzelas etwa oder anderen Lärminstrumenten. Mit Sicherheit wird die Polizei an Ort und Stelle sein und versuchen, das zu verhindern. Aber allein dadurch wird bereits das saubere Bild gestört, das die Bundeswehr in der Öffentlichkeit haben will.

Das Konzert wird von der Münchner Gruppe des »Lions Club International« organisiert. Hat die Gruppe schon auf die angekündigten Proteste reagiert?

Nein, bisher haben wir keine Reak­tion bekommen. Wenn doch, würde ich den Lions Club fragen, wie er seinen Grundsatz, »die gegenseitige Verständigung zwischen den Völkern zu wecken und zu erhalten«, mit dem Konzert einer im Ausland Krieg führenden Bundeswehr vereinbaren kann.

Interview: Michael Schulze von Glaßer

* Aus: junge Welt, Dienstag, 15. Mai 2012


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