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Werbung? Nichts dagegen

Mit Präsenz der Bundeswehr an Berliner Schulen hat "Rot-Rot" kein Problem. Wohl aber mit Lehrern, die das Militär draußen halten wollen

Von Jörn Boewe *

Die Mehrheit der Berliner Lehrer will die Bundeswehr nicht an den Schulen sehen. Anfang April hatte der Landeslehrerausschuß einen entsprechenden Beschluß gefaßt. Zuvor hatten sich das Lehrergremium im Stadtbezirk Tempelhof-Schöneberg und die Schulkonferenz des Schöneberger Robert-Blum-Gymnasiums gegen Auftritte des Militärs im Unterricht verwahrt. Mit der am Dienstag veröffentlichten Antwort auf eine kleine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Özcan Mutlu im Berliner Landesparlament hat sich der SPD-Linke-Senat erstmals öffentlich klar positioniert. Wer sich Unterstützung von »Rot-Rot« erhofft hatte, wird jetzt ernüchtert. Der Senat betrachtet die Beschlüsse als irrelevant, unzulässig und wird der Werbetätigkeit des Militärs auch weiterhin nicht, nicht mal symbolisch, entgegentreten.

»Der Aufruf des Lehrerausschusses ist von seinem Mandat zur Interessenvertretung der Lehrerschaft nicht gedeckt, da es sich um eine allgemeine politische Aussage handelt«, stellte Staatssekretär Knut Nevermann in seiner Antwort fest. Mit Blick auf das Schöneberger Gymnasium, daß sich Ende März zur »Schule ohne Militär« erklärt hatte, führt er aus: »Ein genereller Ausschluß einer Kooperation mit der Bundeswehr kann von einer Schulkonferenz nicht beschlossen werden, da eine solche Festlegung die Aufgabe der einzelnen Lehrkraft zu einer ausgewogenen Auseinandersetzung mit sicherheits- und friedenspolitischen Fragestellungen im Unterricht beeinträchtigen würde.« Eine derartige Festlegung sei »mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule nicht vereinbar«.

Auf diesen Auftrag, wie er im Berliner Schulgesetz formuliert ist, hatten sich auch die Lehrerkonferenzen des Landes und Bezirks sowie die Schulkonferenz des Robert-Blum-Gymnasiums berufen. Ziel des Berliner Bildungswesens sei die »Heranbildung von Persönlichkeiten«, die fähig sind, »das staatliche und gesellschaftliche Leben auf der Grundlage der Demokratie, des Friedens, der Freiheit und Menschenwürde, der Gleichstellung der Geschlechter und im Einklang mit Natur und Umwelt zu gestalten« und deren Haltung von »der Anerkennung der Notwendigkeit einer fortschrittlichen Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse sowie einer friedlichen Verständigung der Völker« bestimmt wird. »Das vermeintliche Lösen von Konflikten mit militärischer Gewalt widerspricht den Erziehungsidealen der Berliner Schule«, hatte der Landeslehrerausschuß daraus gefolgert und beschlossen, »eine Zusammenarbeit im Bildungsbereich mit der Bundeswehr grundsätzlich« abzulehnen. Insbesondere wandte sich das Gremium gegen »Kooperationsverträge mit der Bundeswehr, Einladen von Bildungsoffizieren in den Unterricht oder zu schulischen Veranstaltungen, Werbung für Praktika in Bundeswehr-Einrichtungen, Exkursionen zu Bundeswehr-Einrichtungen oder von der Bundeswehr durchgeführten Veranstaltungen, Werbung für Ausbildungsgänge bei der Bundeswehr oder für ein Studium an einer Bundeswehr-Hochschule, Teilnahme der Schule an Wettbewerben, Jugendmessen, Arbeitsplatzbörsen, die von der Bundeswehr ausgestaltet werden« sowie »das Verteilen von Werbematerialien der Bundeswehr«. Die Schulen sollten »entsprechende Beschlüsse« fassen, so die Empfehlung des Gremiums.

Wie die vom Senat vorgelegten Zahlen zeigen, hat das Militär an den weiterführenden Schulen des seit einem Jahrzehnt »rot-rot« regierten Berlins eine rege Werbetätigkeit entfaltet: Den Angaben zufolge hielt die Bundeswehr im vergangenen Jahr Veranstaltungen an 183 Schulen ab, 2009 waren es 166. Insgesamt gibt es in Berlin rund 430 weiterführende Schulen, die für das Militär von Interesse sein könnten. Im Zuge der Umstellung auf eine Berufsarmee dürften die Begehrlichkeiten eher wachsen. Bundespräsident Christian Wulff gab bei der öffentlichen Rekrutenvereidigung vor einer Woche am Reichstag die Marschrichtung vor: »Die Bundeswehr gehört in unsere Mitte, in unsere Schulen und Hochschulen, auf öffentliche Plätze.« Die Berliner Landesregierung tut, als gehe sie das nichts an: Die Entscheidung, Offiziere in den Unterricht einzuladen, liege bei der einzelnen Lehrkraft. »Vor diesem Hintergrund steht es der Bundeswehr frei, Schulen entsprechende Angebote zu unterbreiten.«

* Aus: junge Welt, 27. Juli 2011


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