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Unterrichtsfach Krieg

Jugendoffiziere der Bundeswehr weiten ihre Präsenz an Schulen aus. Ansprache von Lehramtsanwärtern hat strategische Bedeutung

Von Frank Brendle *

Die Bundeswehr hat im Jahr 2012 ihren Einfluß auf Schülerinnen und Schüler weiter erhöht. Im Rahmen des Unterrichts konnten Jugendoffiziere fast 144000 Jugendliche erreichen – 10 000 mehr als im Vorjahr. Das teilte die Bundesregierung auf Anfrage der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke mit.

In den vergangenen Jahren waren die Zahlen leicht rückläufig gewesen, was im wesentlichen auf den Geburtenknick zurückzuführen sein dürfte. Die jetzige Steigerung zeugt daher von verstärkten Anstrengungen der Bundeswehr. Durch Vorträge in den Klassenzimmern wurden über 100000 Schüler erreicht. Weitere 11000 haben an Besuchen in Kasernen teilgenommen, 27000 an Seminaren.

Noch schneller als der Einfluß auf die Schüler steigt allerdings derjenige auf die Multiplikatoren, von denen 30000 angesprochen wurden, knapp 9000 mehr als noch 2011. Fast die Hälfte von ihnen sind Lehrer, darunter sind aber auch Vertreter von Schulbehörden, Journalisten und Politiker. Das bevorzugte Mittel der Jugendoffiziere waren hier nicht Frontalvorträge, sondern zum Teil mehrtägige Seminare.

Aus Sicht der Bundeswehr hat die Ansprache von Multiplikatoren, insbesondere von Lehramtsanwärtern, strategische Bedeutung. Das geht aus einem Bericht der baden-württembergischen Jugendoffiziere hervor, die systematisch ihre Kooperation mit den Staatlichen Seminaren für Didaktik und Lehrerbildung ausbauen. Nach eigenen Angaben verzeichnen sie überwiegend positive Resonanz. Im Bericht, der jW vorliegt, heißt es: »Damit sollte erreicht werden, daß es in Zukunft einfacher sein dürfte, Kontakte zu Schulen aufzubauen bzw. pflegen zu können«. Auch die bayerischen Jugendoffiziere betonen die Bedeutung, die »direkte positive Erfahrungen der Lehrkräfte oder die mittelbare Weiterempfehlung durch Lehrkräfte« für mögliche Einladungen von Jugendoffizieren haben. Solche Kooperationen stützen sich in einer Reihe von Ländern auf Abkommen zwischen Bildungsministerien und Bundeswehr.

Kritiker bemängeln vor allem, daß Jugendoffiziere über Sicherheitspolitik nicht unvoreingenommen referieren, sondern per Dienstanweisung gehalten sind, die offizielle Ministeriumslinie darzustellen. Dennoch gelten ihre Vorträge als regulärer Unterricht mit Anwesenheitspflicht.

Außer Jugendoffizieren, denen es vorrangig um politische Einflußnahme geht, sind in den Schulen auch sogenannte Karriereberater der Bundeswehr tätig, um das Militär als attraktiven Arbeitgeber zu präsentieren. Sie haben im Jahr 2012 nach vorläufigen Zahlen über eine Viertelmillion Jugendliche und über 100000 Lehrkräfte sowie andere Multiplikatoren erreicht.

»Schulunterricht als Instrument zu mißbrauchen, die Kriegspolitik der Bundesregierung zu rechtfertigen, ist genauso perfide wie das Unterfangen, Schulen zu Rekrutierungsanstalten des Militärs zu machen«, erklärt Jelpke dazu am Mittwoch. Sie fordert den Rückzug aller militärischen Werber aus Schulen und Universitäten.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 14. Februar 2013


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