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Run auf Rohstoffe

Kupfer und mehr: Berlin sichert der deutschen Industrie per Abkommen den Zugriff auf Perus Bodenschätze

Von Jörg Kronauer *

Ohne Kupfer läuft nichts«, stellt das Deutsche Kupferinstitut aus Düsseldorf kategorisch fest. Das rote Metall stecke »in ganz alltäglichen Gegenständen wie Telefonen, Wasserleitungen, Schlössern und Stromkabeln« und vielem mehr; in der Tat: Man findet es überall. Auch für die Industrie ist es absolut unersetzlich. Bis zu 22,5 Kilogramm Kupfer enthält zum Beispiel ein durchschnittlicher Mittelklasse-Pkw; hochleistungsfähige E-Lokomotiven benötigen in der Produktion sogar acht Tonnen Kupfer.

Mit seinen exportstarken Unternehmen ist Deutschland Kupfergroßverbraucher. Von den knapp 20 Millionen Tonnen, die pro Jahr weltweit genutzt werden, konsumiert allein die Bundesrepublik laut Angaben der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) sieben Prozent – eine riesige Menge. Und während die Öffentlichkeit gewöhnlich wie gebannt auf Erdöl und Erdgas starrt, wenn von der Jagd auf Rohstoffe die Rede ist, hat die Bundesregierung längst auch den Kampf um Kupfer und um andere mineralische Bodenschätze aufgenommen. Ihr jüngster Coup ist die in dieser Woche abgeschlossene »Rohstoffpartnerschaft« mit Peru.

Die Gründung sogenannter Rohstoffpartnerschaften ist Teil der aktuellen Rohstoffstrategie, die die Bundesregierung im Oktober 2010 beschlossen hat. Anlaß war damals die wachsende Konkurrenz um die globalen Bodenschätze. Weil deutsche Unternehmen sich in den 1990er Jahren weitgehend aus dem Bergbau zurückgezogen hatten – damals waren die Rohstoffpreise und -erlöse vergleichsweise gering –, hatten sie nun kaum noch direkten Zugriff. Was der Markt nicht leistet, das muß der Staat richten: Dieser Auffassung schließen sich, wenn’s ans Eingemachte geht, im globalen Konkurrenzkampf auch doktrinäre Neoliberale an, und so forderte der Bundesverband der Deutschen Industrie seit 2004 staatliche Unterstützung bei der Sicherung industrieller Ressourcen. Die besondere Aufgabe der »Rohstoffpartnerschaften« besteht nun im Gesamtzusammenhang der staatlichen Rohstoffstrategie von 2010 darin, bedeutende Lieferstaaten vertraglich an die Bundesrepublik zu binden – etwa Peru in Südamerika.

Welche Bedeutung Peru als Rohstofflieferant allgemein und für die Bundesrepublik im besonderen hat, das kann man einer aktuellen Studie der ­DERA, der Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest und der Deutsch-Peruanischen Industrie- und Handelskammer entnehmen. Demnach besitzt das Land die größten Silberreserven der Welt, die drittgrößten Kupfer- und Zink-, die viertgrößten Blei- und die fünftgrößten Zinnreserven. Strategisch lohnt es sich also, Peru fest an sich zu binden. Schon heute ist es Deutschlands wichtigster Kupfer- und Silberlieferant; auch Zinn, Zink und Blei exportiert es in großen Mengen in die Bundesrepublik. Langfristig aber macht sich Berlin dennoch Sorgen. Der Hauptgrund: China bezieht ebenfalls große Mengen Rohstoffe aus Peru. Chinesische Unternehmen könnten sehr langfristig planen, weil sie nicht im gleichen Maß von Profitzwängen getrieben seien wie ihre westliche Konkurrenz, urteilte ein Manager der BMO Capital Markets, als die chinesische Chinalco Ende Dezember 2013 in den peruanischen Anden das 3,5 Milliarden US-Dollar schwere »­Proyecto Toromocho« eröffnete, eine gigantische Kupfermine. Im April kaufte ein chinesisches Konsortium dem Bergbaukonzern Glencore Xstrata eine weitere riesige Kupfermine in Peru ab – für schlappe sechs Milliarden US-Dollar. Die deutsche Industrie fürchtet, unweigerlich ins Hintertreffen zu geraten.

Die Reaktion der Bundesregierung auf die chinesische Konkurrenz ist die neue »Rohstoffpartnerschaft«. »Die Vertragsparteien«, heißt es in dem Abkommen, das am Montag unterzeichnet wurde, »verfolgen (…) das Ziel, das Rohstoffpotential der Republik Peru durch Investitionen, Innovationen und Lieferbeziehungen einer umfassenden nachhaltigen Nutzung und Entwicklung zuzuführen.« Sie »unterstützen die Zusammenarbeit von Unternehmen beider Länder auf dem Gebiet der Erkundung, Erschließung, Gewinnung, Verarbeitung und Nutzung mineralischer Rohstoffe mit dem Ziel einer sicheren und nachhaltigen Rohstoffversorgung und Rohstoffnutzung«. Und weiter: »Die Regierung Peru fördert die deutschen Unternehmen bei deren Geschäften in der Republik Peru, insbesondere beim Erwerb von Rohstoffen«. Zudem wird eine »Deutsch-Peruanische Regierungsarbeitsgruppe zur Zusammenarbeit im Rohstoff-, Industrie- und Technologiebereich« eingesetzt, an deren Sitzungen regelmäßig »Vertreter von Unternehmen und Unternehmensverbänden ... teilnehmen«.

Und wie’s der Zufall und die strategischen Planungszentralen wollen: Bereits zum 1. März 2013 ist ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Peru in Kraft getreten. Es dereguliert den Handel mit Waren weitestgehend; unter anderem untersagt es Lima, Ausfuhren – etwa Rohstoffexporte – künftig mit Zöllen oder auf andere Weise zu belasten. Deutsche Unternehmen haben damit freien Zugriff auf die Bodenschätze Perus – und seit dem Abschluß der Rohstoffpartnerschaft auch noch staatliche Unterstützung für ihre Peru-Ambitionen. Freuen wird’s zum Beispiel die Hamburger Aurubis AG, die jährlich 400000 Tonnen Kupfer aus dem südamerikanischen Land importiert. Das Unternehmen, das einen Jahresumsatz von um die 13 Milliarden Euro erwirtschaftet, ist laut eigenen Angaben »entschlossen, der führende integrierte Kupferhersteller und -verarbeiter in der Welt zu werden«. Die »Rohstoffpartnerschaft« mit Peru kann ihm dabei helfen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 19. Juli 2014


Bundesdeutsche Rohstoffabkommen

Das Rohstoffabkommen mit Peru ist bereits das vierte seiner Art. Zwei »Rohstoffpartnerschaften« hat die Bundesrepublik mit der Mongolei (Oktober 2011) und mit Kasachstan (Februar 2012) geschlossen; eine inhaltlich ähnliche, rechtlich aber nicht verbindliche »Absichtserklärung« besteht seit Januar 2013 zwischen Deutschland und Chile. Alle vier Vereinbarungen zielen darauf ab, der deutschen Industrie den Zugriff auf mineralische Rohstoffe zu sichern – auf Kupfer, Silber und Zinn, auf Seltene Erden und vieles mehr.

Seit einiger Zeit äußern Fachleute jedoch Kritik. Die Erwartungen an die »Rohstoffpartnerschaften« seien »hoch« gewesen, bislang aber »nicht erfüllt« worden, monierte etwa die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung Ende 2013 in einer Analyse. In der Mongolei gebe es bis heute zwar etwas entwicklungspolitische Kooperation, aber »kaum konkrete Projekte der Privatwirtschaft«. Auch in Kasachstan habe sich nicht wirklich etwas bewegt. Bezüglich der Absichtserklärung mit Chile seien viele optimistischer; allerdings seien deutsche Unternehmen in dem Land auch schon lange etabliert und könnten an ihre bisherigen Geschäfte anknüpfen.

Wo hängt’s? Bei den »Rohstoffpartnerschaften« handele es sich »um eher langfristig wirkende Instrumente«, wiegelt die CDU-Stiftung zunächst ab: »Erwartungen, daß schnelle Erfolge in Form von steigenden deutschen Investitionen in den Partnerländern oder steigenden Rohstoffimporten aus diesen Ländern zu erzielen wären, waren überzogen.« Das Hauptproblem liege aber darin, daß es nach wie vor nicht gelinge, deutsche Firmen wieder zu eigenen Bergbauaktivitäten zu animieren, zumal es sich oft »um hochrisikoreiche Länder und Projekte« handle. Zwar habe sich 2012 die »Rohstoffallianz« gegründet, ein Zusammenschluß mächtiger Konzerne von Bayer über ThyssenKrupp bis VW, um »die deutsche Beteiligung in Bergbauprojekten« wieder zu erhöhen. Sie habe aber ebenfalls noch keine wirklichen Erfolge erzielt.

Die Adenauer-Stiftung rät daher zu traditionellen Mitteln: »Verbesserung der Rohstoff- und Produkteffizienz«, »Steigerung des Sekundärrohstoff­einsatzes« und »Entwicklung von Substituten«. Nur so könne auf die Dauer »das Versorgungsrisiko für die deutsche Industrie gemindert werden«.

(jk)




Glücksfall für »Zivilgesellschaft«

Taz bejubelt Deutsch-Peruanische »Rohstoffpartnerschaft«

Von Jörg Kronauer **


Muß man die »Rohstoffpartnerschaft« zwischen Deutschland und Peru als Fortschritt einstufen? Aber unbedingt, heißt es auf dem »latinorama«-Blog der grün-alternativen taz. Peru sei »ein Rohstoff-Schlaraffenland für die deutsche Industrie«; die Bundesrepublik hingegen verfüge über »paßgenaue Maschinen für den Bergbau und eine ausgetüftelte Umwelttechnik«. Was läge da »näher, als einen Pakt zu schließen«, fragt die taz. Und überhaupt: Die Regierung Perus sichert in dem Rohstoffabkommen die »Einhaltung von internationalen Umwelt- und Sozialstandards« zu – »nach Maßgabe ihrer internationalen Verpflichtungen«. Die tazblog-Autorin jubelt: »Was Besseres kann der bergbaukritischen peruanischen Zivilgesellschaft nicht passieren.«

Alles in Butter also? Trägt der grüne Fortschritt heute schwarz-rot-gold? Was für ein Quark, hört man bei NGOs und kirchlichen Hilfswerken. Die peruanische Regierung habe gerade erst ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht, »das die ohnehin schwache Regulierung des Rohstoffsektors aufweicht«, berichtet Susanne Friess, Expertin für Bergbau in Lateinamerika bei dem katholischen Hilfswerk Misereor: Die Misereor-Partnerorganisationen in Peru »kritisieren dieses Gesetzespaket auf das Schärfste, denn es senkt die jetzt schon ohnehin schwachen Umweltstandards im Bergbausektor«. »Mit der Unterzeichnung des Rohstoffabkommens« sende Berlin Peru ein Signal, »das einer Ausweitung des Rohstoffsektors Vorrang gibt vor der dringenden Regulierung«.

Und nicht nur das. Die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch weist darauf hin, die peruanische Regierung habe letztes Jahr »das Strafgesetz so geändert, daß Polizei- und Militärkräfte, die bei der Ausübung ihrer Pflichten Waffen einsetzen und dabei auch Todesfälle in Kauf nehmen, nicht mehr strafrechtlich belangt werden können«. Das gelte »selbst dann, wenn nationale oder internationale Standards nicht eingehalten werden«. Worum es in der Praxis geht, das schildert Germanwatch unter Verweis auf die peruanische Dachorganisation Coordinadora Nacional de Derechos Humanos: Diese habe in den letzten zweieinhalb Jahren 24 Todesopfer staatlicher Repression bei Protesten in Peru und über 300 Verletzte verzeichnet. Bergbauproteste sind sehr zahlreich in dem Andenstaat. Allein im Mai soll es über 100 Protestveranstaltungen gegeben haben.

Ohnehin sei es fatal, Peru auf die Rolle des Ressourcenexporteurs festzulegen, heißt es bei Misereor. Weitreichende Abhängigkeit von Rohstoffpreisen auf dem Weltmarkt habe bislang noch keinem Land gutgetan; »die peruanische Zivilgesellschaft fordert deshalb den Aufbau nachhaltiger Industriezweige und eine Abkehr von der Rolle Perus als globalem Rohstofflieferanten.« Bei der Bundesregierung, die mit Peru ja gerade wegen dessen Rohstoffen kooperiert, stoßen die Forderungen nicht auf offene Ohren. Und während die taz die »Rohstoffpartnerschaft« abfeiert, warnt Misereor: »Wir befürchten… eine Verschärfung der sozialen Konflikte rund um die Bergbauprojekte sowie eine Zunahme der gefährlichen Abhängigkeit Perus vom globalen Rohstoffhandel.« Das katholische Hilfswerk dürfte richtig liegen.

** Aus: junge Welt, Samstag, 19. Juli 2014


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