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Der Fluch des flüchtigen Metalls

Quecksilber ist in der Amazonasregion als Folge des Goldabbaus zum ernsten Problem geworden

Von Knut Henkel *

In Madre de Dios, der im Süden Perus an Brasilien grenzenden Amazonasregion, ist das hochtoxische Metall Quecksilber bereits im Blut der dort lebenden Bevölkerung nachweisbar. Genossenschaften sind auf Unterstützung bei der schonenden Goldsuche und beim nachhaltigen Landbau angewiesen.

Percy Armando Carpio Torres lenkt den langgestreckten Kahn ruhig über den ockerfarbenen Río Malinowsky. Leise tuckert der Außenborder. Aufmerksam beobachtet der stämmige Mann von Anfang 50 das Ufer. Mehrfach ist es vorgekommen, dass sich Goldsucher am Rande des peruanischen Nationalparks Tambopata breit gemacht haben. »Dann haben wir uns zusammengetan und die Eindringlinge verdrängt«, erklärt der Vizepräsident der Genossenschaft Apaylom lapidar. In den letzten drei Jahren ist das öfter passiert, denn das von Flüssen durchzogene Gebiet im Südosten Perus, nahe dem Grenzdreieck zu Bolivien und Brasilien, ist unter Goldsuchern für lukrative Funde bekannt. Ein Übriges hat der hohe Goldpreis getan, der Abertausende von Goldsuchern und Abenteurern in die tropisch heiße Region getrieben hat, so der Mann, den seine Genossen nur Armando nennen, schulterzuckend.

Plötzlich deutet er auf das entgegensetzte Ufer, wo gerade ein paar Wasserschweine mit drei Jungen aus dem Wasser stürmen und Unterschlupf im Regenwald suchen, der an beide Flussufer grenzt. Der Río Malinowsky ist einer der kleineren Zulieferer des Amazonas und in diesem Abschnitt des Flusses, gute 70 Kilometer entfernt von der Verwaltungsstadt Puerto Maldonado, hat sich vor mehr als 20 Jahren Armando Carpio angesiedelt.

Er war einer der ersten, die an den sandigen Ufern des Río Malinowsky nach den kleinen goldenen Nuggets suchten. Mit dem Sieb hat er das Geröll, das der Fluss aus dem Regenwald des Amazonas nach Süden beförderte, nach Gold durchforstet. »Das machen wir auch noch heute, nur eben ohne die Natur zu zerstören«, sagt Armando. Regelmäßig fährt er wie heute den Fluss ab, besucht Nachbarn von der Genossenschaft, aber hält auch Ausschau, dass das Naturschutzgebiet Tambopata nicht angetastet wird. »Wenn die professionellen Goldsucher mit den Schwimmbaggern kommen, steht hier bald kein Baum mehr. Dann sieht es schnell so aus wie in La Pampa oder Huaypete. Das wollen wir vermeiden.«

Die beiden Orte liegen weiter oben an der Interoceánica Sur, die Peru mit Brasilien verbindet. Rund 30 beziehungsweise 60 Kilometer entfernt vom Holzhaus Armandos am Río Malinowsky. In La Pampa und Huaypete stehen oft nur noch Baumgerippe links und rechts vom Straßenrand. Schnell aufgebaute und schnell wieder verlassene Bergbausiedlungen aus Holz, Plastikplanen und Stroh säumen dort die Straße. Dahinter sind Wasserlachen zwischen Sandhügeln zu sehen, wo die Schwimmbagger keinen Stein auf dem anderen haben stehen lassen. Das Gebiet gleicht einer Mondlandschaft, kaum ein grüner Halm ist mehr zu sehen.

»Erst wird die Vegetation gerodet, dann mit großen Wasserkanonen der Untergrund weggespült und mit den Schwimmbaggern durchpflügt – zurück bleibt ein aufgewühlter, sandiger Untergrund«, erklärt César Ascorra. Der Biologe arbeitet für die Caritas von Puerto Maldonado in der Region von Madre de Dios. Die ist in den letzten Jahren auch über Peru hinaus für den hemmungslosen Raubbau an der Natur und die Jagd nach dem Gold bekannt geworden.

»Die hohen Weltmarktpreise für die Unze Gold führen dazu, dass Arbeiter angeworben werden können, große Maschinen wie die Schwimmbagger – Dragas genannt – zum Einsatz kommen und immer mehr Quecksilber benutzt wird, um das Gold von Gestein und Sand zu lösen.« Eine ökologische Katastrophe, die auch nicht vor den Naturreservaten halt macht. Mehrfach wurden Streifen am Rande des Reservats von Tambopata von Goldsuchertrupps gerodet, bis 2010 der damalige Umweltminister Antonio Brack Egg ein Zeichen setzte und mehrere der Schwimmbagger vom Militär unbrauchbar machen ließ.

Diese Politik setzten seine Nachfolger in den letzten Jahren fort und versuchten den Bergbau in der Region zurückzudrängen. Klare Vorgaben, verbindliche Kontrollen und transparente Strukturen sind das Ziel. Doch die Realität sieht anders aus. »Korruption und der herannahende Präsidentschaftswahlkampf sorgen dafür, dass der Raubbau an der Natur weitergeht – nur nicht ganz so offensichtlich«, erklärt Ascorra das Dilemma. Seit März 2013 sind zudem die ersten Studien zugänglich, die schwarz auf weiß belegen, dass die Befürchtungen von Ascorra und anderen Spezialisten nicht unberechtigt waren. Die Quecksilberbelastung ist überdurchschnittlich hoch, wie anhand von Proben nachgewiesen wurde.

Das hochtoxische Quecksilber, welches sich schon bei wenig mehr als 20 Grad Zimmertemperatur verflüchtigt, gelangt in die Flüsse und von dort in die Nahrungskette der lokalen Bevölkerung. Fische der Region, ob aus dem Río Malinowksy oder aus dem Río Madre de Dios, der sich in den Amazonas ergießt, sind beliebt, billig und werden auch in größere Städte transportiert. Der Ruf nach mehr Kontrolle beim Goldschürfen, strengen Regularien und deren Durchsetzung wurde bereits vor längerer Zeit laut. Doch wenn es dann, wie in Madre de Dios, wirklich zum Einsatz von Armee und Polizei kommt, wird oft nicht unterschieden. »Vollkommen wahllos wurden Anfang 2012 Schwimmbagger von Militärhubschraubern zerstört und mehrfach traf es dabei auch die Falschen«, berichtet César Ascorra. Das Prozedere hat sich Ende August wiederholt, woraufhin wieder Bergbaustreiks folgten. Sie hatten zur Folge, dass die Regierung erneut die Fristen zur Anmeldung eines Gewerbes in den regionalen Registrierstellen verlängerte. Ein wenig wegweisendes Konzept, klagt der Caritas-Experte, der auch für nachhaltige Anbaumethoden in der Region wirbt und Goldsucher wie Percy Armando Carpio Torres und dessen Genossenschaft Apaylom bei der Anwendung alternativer Fördertechnik berät.

Zentrifugen, die die Goldkrümel aus dem Sand rotieren, seien eine Alternative, die nicht so kostspielig ist und für kleine Genossenschaften durchaus realisierbar. »Wir haben über eine Nichtregierungsorganisation eine Zentrifuge finanziert bekommen, mussten sie aber im Frühjahr 2012 aus der Region schaffen, weil wir Angst hatten, dass die Armee sie genauso zerstöre würde wie einen kleinen Schwimmbagger und mehrere Pumpen zuvor«, berichtet Armando. Mit der Genossenschaftspräsidentin Julia Dueños vertritt er die gut zwei Dutzend Familien, die am Río Malinowsky Gold fördern, aber dabei auf den Schutz von Fluss und Regenwald achten. Seit mehr als 20 Jahren ist das so und Quecksilber will die Genossenschaft mit dem Einsatz der Zentrifuge vermeiden. Ein plausibles Konzept, welches Armando und Julia Dueños bereits in der Hauptstadt Lima im Umwelt- und Bergbauministerium vorgestellt haben. Allerdings ohne den gewünschten Erfolg, denn Apaylom ist scheinbar ein zu kleiner Fisch im Vergleich mit den großen Bergbaucamps wie La Pampa. Gleichwohl hofft die kleine Genossenschaft, sich irgendwann zertifizieren zu lassen – als Fairtrade-Goldproduzent zum Beispiel.

Oder zumindest als umweltverträgliche Goldschürfer-Genossenschaft: »Dann könnten wir die Zentrifuge zum Einsatz bringen und die Arbeit wieder aufnehmen«, so Armando. Langsam lenkt er das Boot in einen kleinen Kanal neben dem Dorf. Die Sonne steht niedrig unter den Bäumen. Geschickt lässt er das Boot auf Sand laufen. Wenig später ist es gut vertäut und Armando geht hinüber zum Haus von Julia Dueñas. Die beiden fahren morgen wieder einmal nach Lima, um grünes Licht für die Wiederaufnahme der Arbeit zu bekommen. Ob es diesmal klappt, steht noch in den Sternen.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 9. Oktober 2013


Faires Label für faires Gold

Nachfrage nach Alternativen steigt **

In England gibt es das Label schon, in Holland ebenfalls, nur in Deutschland ziehen sich die Vorbereitungen für die Einführung des Labels für fair produziertes Gold noch hin. In den nächsten Jahren wird es dazu kommen, sichert Fairtrade-Mitarbeiterin Caroline Zamor zu. Doch noch vor zwölf Monaten war vom Start 2013 die Rede.

Warum das Projekt auf Eis gelegt worden ist, weiß der Münsteraner Geologe Thomas Siepelmeyer. Es dauert schlicht, bis kleine Genossenschaften wie EcoAndina aus Argentinien oder Oro Verde aus Kolumbien zertifiziert und in der Lage sind, regelmäßig zu liefern. »Man braucht schon eine anständige Menge an Gold, um zu beginnen und muss dann den kontinuierlichen Nachschub gewährleisten.« Das sei gar nicht so einfach und schließlich müssten die Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft werden, um genau zu wissen, dass keine Kinder bei der Förderung ausgebeutet werden, dass die Prostitution nicht gefördert wird, dass die Arbeitsbedingungen fair sind und dass bei der Förderung nicht giftiges Quecksilber oder gar Zyanide en gros eingesetzt werden.

Dies sind die Eckdaten für die Zertifizierung von alternativen Bergbaubetrieben. In Peru, Kolumbien und Bolivien gibt es schon einige. Die Zahl soll steigen, denn die Nachfrage nach fair gefördertem Gold ist durchaus vorhanden. »Zwar noch in relativ kleinem Rahmen, aber je mehr Information die Leute in die Hände bekommen, desto mehr steigt das Interesse für faire Alternativen«, erklärt der Hamburger Goldschmied Jan Spille. Er wirbt seit Jahren um mehr Akzeptanz für kleine, nachhaltig produzierende Genossenschaften wie Ecoandina oder Oro Verde aus Kolumbien und bezieht sein Gold von ihnen. Zu ihm kommen Leute, die sicher sein wollen, dass ihr Ehering makellos ist.

Makellos schürfen würde auch gern wieder die Genossenschaft Apaylom aus der Region von Madre de Dios. Doch das Problem ist, dass die rund 20 Familien gar nicht produzieren können, bevor sie nicht im nationalen Register der Goldsucher eingetragen sind. Die Umsetzung der Bestimmungen liegt aufgrund von Protesten der oft illegalen Bergarbeiter aus der Region derzeit wieder auf Eis. So sind Armando und seine Freunde die Hände gebunden. Das macht zwar keinen Spaß, passt aber zur aufgeschobenen Label-Präsentation in Deutschland. Warten heißt also die Devise.

Knut Henkel

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 9. Oktober 2013


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