Das Kali-Kartell in der Klemme
Der deutsche Rohstoffriese K+S ist vom Abstieg bedroht
Von Hermannus Pfeiffer *
Der Kali-Konzern und bisherige Börsenliebling
K+S befindet sich derzeit
in schwerem Fahrwasser.
Deutscher Weltmarktführer im
Rohstoffgeschäft, DAX-Börsenstar,
Umweltsünder – und doch kennen
nur wenige den Kasseler Kali-
Konzern K+S. Nach einem dramatischen
Kurssturz muss sich der
Düngemittelhersteller auf den Abstieg
aus der Börsenbundesliga
einstellen. Auch das Kerngeschäft
läuft nicht mehr rund, seit ein russischer
Konkurrent das Ende des
globalen Kali-Kartells angekündigt
hat. Obendrein könnte ein Rechtsstreit
verhindern, dass K+S über
eine Pipeline die Rückstände seiner
Produktion in die Werra pumpt.
K+S-Chef Norbert Steiner müht sich, die Stimmung zu beruhigen. In einem Brief wandte er sich vergangene Woche an die Mitarbeiter: Man habe doch schon öfter Phasen der Unsicherheit erlebt und sie gemeinsam
gemeistert. »Warum soll das jetzt anders sein?«
In der Tat ist die Industrie ein
ewiges Auf und Ab gewöhnt, seit
im 19. Jahrhundert der Kali-Dünger
entdeckt wurde. Lange hielt
Deutschland das Weltmonopol.
Goldgräberstimmung. Vielerorts
wurden in Norddeutschland und
im Werragebiet des heutigen hessisch-
thüringischen Grenzgebiets
Schächte abgeteuft. Mit Folgen:
Der Regen spült aus den bergartigen
Abraumhalden (»Monte Kali«)
eine salzhaltige Lösung. Der einzige
Überlebende der deutschen Kali-
Wirtschaft, K+S, kippt die Lauge
in die Werra, die bald darauf zur
Weser wird. Statt im Lkw soll die
Salzlauge zukünftig durch eine
über 100 Kilometer lange Pipeline
in den Süßwasserfluss fließen.
Doch das Verwaltungsgericht
Kassel machte Steiner einen Strich
durch die Rechnung: Mitte Juli untersagte
es den Start der Pipeline,
bis über die Umweltverträglichkeit
juristisch entschieden sei.
Dann folgte vergangenen Mittwoch der Absturz an der Börse. Am Tag zuvor waren die Analysten noch voll des Lobes für den Börsenstar
gewesen. In die Klemme brachte K+S eine Telefonkonferenz
von Wladislaw Baumgertner, Vorstandsvorsitzender
der russischen Uralkali, die zusammen mit dem
belarussischen Anbieter BPS etwa 40 Prozent des Weltmarktes beliefert.
Zusammen mit K+S und der nordamerikanischen Vertriebsorganisation
Canpotex bilden sie ein Kartell gegen die staatliche Einkaufsmacht
der wichtigsten Abnehmer China und Indien. Baumgertner
will zukünftig produzieren, was seine Gruben im Billigtagebau
hergeben. Ein Preisverfall droht.
Ob das Kartell 2014 auseinander
bricht, bleibt abzuwarten.
Analysten spekulieren, dass die
Offensive Baumgertners große
Bergbaukonzerne wie die australisch-
britische BHP Billiton davon
abhalten soll, in das lukrative Kali-
Geschäft einzusteigen. Das Kartell
hatte die Preise zeitweilig bis auf
1000 Dollar pro Tonne hochgetrieben.
Weit mehr als die Produktionskosten
von angeblich 290
Dollar, die K+S in seinen teuren
Untertagegruben aufbringen muss.
K+S erzielte 2012 bei einem Umsatz
von »nur« 4 Milliarden Euro
einen traumhaften Reingewinn
von 540 Millionen Euro.
Das Kali-Kartell der großen
Drei funktionierte lange Zeit offensichtlich
reibungslos. »Keiner
machte den Preis kaputt – man
kürzte dann eher die Absatzmengen
«, beobachtete ein Branchenkenner.
Wie das Kartell im Detail
funktioniert, bleibt aber das Geheimnis
der Manager. Bei K+S will
man davon sowieso nichts wissen.
Man sei ein kleinerer Produzent,
der nicht »in dem Umfang« an der
Preisgestaltung beteiligt sei.
Dass selbst das vermeintliche
Kartell nicht allmächtig ist, belegt
der Fall des Preises schon vor den
aktuellen Turbulenzen auf – immer
noch sehr auskömmliche – 400
Dollar. »Ich kann mir nicht vorstellen,
dass die Akteure sich auf
Dauer den Preis kaputt machen
werden«, meint Thorsten Strauß,
Analyst der NordLB, der von einer
vorübergehenden Delle spricht.
Eine wachsende Weltbevölkerung,
die steigende Nachfrage nach
Nahrungsmitteln und der erhöhte
Fleischkonsum in den Schwellenländern
werden den Absatz des
Düngers weiter beschleunigen.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 7. August 2013
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