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Deutschland sucht den Rohstoffschatz

Expeditionen und neue Strategien der Zusammenarbeit sollen die künftige Versorgung sichern

Von Hermannus Pfeiffer *

Bodenschätze sind weltweit begehrt. Alle Länder versuchen sich die besten Plätze im Rennen um die Rohstoffe zu sichern – Deutschland immer vorneweg.

Deutschland ist kein rohstoffarmes Land. Bei Bodenschätzen wie Steinen und Erden, Salzen, Braunkohle und Ton deckt die Bundesrepublik ihren Eigenbedarf aus heimischer Produktion. Doch bei vielen Industriemineralen, bei Steinkohle, Erdöl und Metallrohstoffen ist Deutschland auf Importe angewiesen. Öffentlich-private Partnerschaften sollen für ausreichenden Nachschub sorgen.

Gerade nimmt das Forschungsschiff »Sonne« Kurs auf den Indischen Ozean. Die Wissenschaftler der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) wollen südöstlich von Madagaskar in bis zu 4000 Metern Tiefe metallreiche Ablagerungen daraufhin untersuchen, ob sie für eine Exploration in Frage kommen. Solche Expeditionen könnten sich eines Tages auszahlen: Unterm Strich ist die deutsche Rohstoffbilanz nämlich drastisch negativ: Für 140 Milliarden Euro importierte Deutschland 2012 Industrie- und Energierohstoffe. Die Eigenproduktion erreichte 21 Milliarden Euro; Rohstoffe im Wert von 12 Milliarden Euro wurden recycelt. Automobil- und Chemieindustrie, Maschinenbauer und Landwirte, aber auch private Stromkunden und Schüler mit ihrem Handy sind von der Versorgung mit Rohstoffen aus aller Welt abhängig.

Experten sprechen gerne von Preis- und Lieferrisiken bei der Beschaffung. »50 Prozent der Unternehmen sehen hier Probleme«, sagte Volker Steinbach, Leiter der BGR-Abteilung Energierohstoffe/Mineralische Rohstoffe in Hannover. Bei Mittelständlern fehle oft das Bewusstsein, dass es überhaupt Probleme geben könne. Dabei benötige die Industrie »langfristig« eine sichere Versorgung.

Eine Aufgabe, die Bundesregierung und Bundesanstalt »rechtzeitig und antizyklisch« angepackt hätten: Sie mündete 2010 in der Rohstoffstrategie des Bundes, der Gründung der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) innerhalb der BGR und 2011 des Helmholtz-Instituts für Ressourcentechnologie im sächsischen Freiberg. Deren üppige Aufgabenpalette reicht von der Analyse globaler Märkte bis zur Untersuchung neuer tief liegender Rohstoffvorkommen im Erzgebirge. Entwickelt werden neue Technologien zum Abbau, Recycling und dem Finden von Ersatzstoffen. Prognosen für 14 »kritische Rohstoffe« – die wichtig, aber knapp sind – sollen der Wirtschaft strategisch helfen.

Die BGR-Wissenschaftler setzen auch auf die Sorgfaltspflicht in der Handelskette vom Bergbau bis zur Schmelze: Rohstoffe sollen »umweltverantwortlich, sozial verantwortlich« abgebaut und gehandelt werden – etwa ohne Kinderarbeit. Die Produzenten sollen »fair verkaufen können« und auch die örtlichen Kommunen etwas vom Rohstoffreichtum abbekommen. Steinbach spricht von »einer gesamtheitlichen Strategie«.

Dazu sollen Lieferketten zertifiziert werden. Ein Pilotprojekt in Ruanda verlief erfolgreich. »Für die kritischen Rohstoffe Tartan, Wolfram und Zinn« – die für Smartphones, Windmühlen und Elektroautos gebraucht werden – »haben wir einen Fingerprint entwickelt, einen geo-chemischen Vaterschaftstest, mit dem überprüft werden kann, ob Rohstoffe aus konfliktfreien Minen und Regionen stammen.« Weitere »Vaterschaftstests« werden entwickelt.

Die EU will bis Anfang 2014 eine eigene Rohstoffstrategie nachlegen. »Gute Ansätze«, sieht zwar die Heinrich-Böll-Stiftung, aber der europäische Masterplan gehe »an der eigentlichen Herausforderung vorbei«: den Bedarf mit den natürlichen Grenzen des Planeten in Einklang zu bringen, vor allem durch einen starken Abbau des Verbrauchs.

Die DERA arbeitet in enger Kooperation mit Kammern, Branchen- und Industrieverbänden. Neue Entwicklungen werden in sogenannten Industrieworkshops präsentiert. »Hieraus ergibt sich eine zielgenaue Beratung für die spezifischen Rohstoff verarbeitenden Unternehmen«, heißt es. An einer zweitägigen Konferenz des BGR, die am Dienstag zu Ende ging, nahmen denn auch 175 Experten unter anderem von Konzernen wie RWE oder Siemens aber auch Banken teil. »Unser Blick reicht fünfzehn bis zwanzig Jahre voraus«, so Steinbach. Bis dahin dürfte die Expedition des Forschungsschiffes »Sonne« längst Folgen gehabt haben.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 6. November 2013


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