Kugelsichere Westen auf Bio-Basis
Bundeskabinett beschloss am Mittwoch eine Strategie für »Bioökonomie«
Von Fabian Lambeck *
Die Bundesregierung will die Entwicklung neuer Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen fördern. Etwa Kleider aus Milch oder militärische Ausrüstung mit Bio-Siegel. Das Ganze wirkt wie eine milliardenschwere Subvention für die Industrie.
»Wir müssen wegkommen vom Öl und lernen, stärker zu nutzen, was die Natur uns bietet.« Mit diesen warmen Worten machte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) Werbung für die neue »Bioökonomie-Strategie«, die das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat. Insgesamt 2,4 Milliarden Euro will Schwarz-Gelb bis 2016 investieren, »um die biobasierte Wirtschaft in Deutschland zu stärken und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu vermindern«. Die Bioökonomie soll sich dabei an natürlichen Stoffkreisläufen orientieren und Pflanzen, Tiere sowie Mikroorganismen umfassen.
Es geht dem Kabinett aber weniger um die Rettung der Welt als um die der heimischen Industrie. Hinter der Strategie, die Aigner zusammen mit Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) vorstellte, stecken handfeste ökonomische Interessen. Oder um es mit den Worten Aigners zu sagen: »Die Bioökonomie ist ein Wachstumsmarkt, auf dem sich Deutschland schon jetzt im Spitzenfeld bewegt. Wir können diese Stellung weiter ausbauen, neue Erfindungen umsetzen, Arbeitsplätze schaffen und zugleich den Umweltschutz voranbringen.«
In welche Richtung die Forschung geht, zeigt sich auf der Webseite des Verbraucherschutzministeriums: Dort kann man nachlesen, dass derzeit »sogar eine schusssichere Weste auf Biobasis entwickelt« wird. Beruhigende Aussichten für die Soldaten in Afghanistan.
Doch nicht nur militärisch lässt sich die angebliche Biostrategie nutzen. So präsentierten die Ministerinnen Aigner und Wanka am Mittwoch ein feuerrotes Kleid aus Milchprotein. Aber wie nachhaltig ist Bekleidung aus Lebensmitteln? Aigner wiegelte ab: »Die genutzte Milch war für den Handel nicht mehr zugelassen.«
Das wird die Kritiker der Strategie aber kaum beruhigen, auch wenn die beiden Ministerinnen betonten, dass die Produktion von Lebensmitteln »immer Vorrang« haben müsse. Aber eben das bleibt zweifelhaft. Betreut das Bildungsministerin doch auch die »Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030«. Dazu zählt auch das Projekt »Nachwachsende Rohstoffe als Alternative zum Öl«. Das klingt schon stark nach dem alten Konflikt: Teller oder Tank.
Bis 2016 will Schwarz-Gelb der Industrie rund 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, damit diese neue Stoffe und Produkte entwickeln kann. Bleibt abzuwarten, ob Brüssel diese großzügigen Öko-Subventionen nicht als verdeckte Beihilfe wertet.
Bei der Verteilung der Gelder lässt sich die Regierung von einem »unabhängigen« Gremium beraten. In diesem »Bioökonomierat« sitzen auch Vertreter der Industrie. Etwa Léon Broers vom Saatgut-Konzern KWS oder Wiltrud Treffenfeldt, die für den US-amerikanischen Chemiegiganten DOW arbeitet.
Wohl auch deshalb unterstrich die geschäftsführende Gesellschafterin des Rates, Christine Lang, am Mittwoch: »Wichtig ist die Wirtschaftlichkeit.« Die chemische Industrie werde nachhaltige Rohstoffe nur verwenden, wenn diese sich gewinnbringend einsetzen ließen. Oder aber, wenn diese großzügig subventioniert werden. Doch das sagte Lang dann doch lieber nicht laut.
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 18. Juli 2013
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