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Schlappe für Neonazis

Gericht bestätigte Kundgebungsverbot für Rechte in Dresden. Bundestagsauschuß berät erneut über Aufhebung der Immunität einer Abgeordneten der Linkspartei

Von Markus Bernhardt *

Nachdem es Antifaschisten in den letzten Jahren mehrfach gelungen war, einen bis dato regelmäßigen sogenannten »Trauermarsch« von Neonazis in Dresden durch friedliche Massenblockaden zu verhindern, haben die extremen Rechten zunehmend Schwierigkeiten, überhaupt noch in der sächsischen Landeshauptstadt aufzumarschieren. Angesichts ihrer mangelnden Mobilisierungskraft wollten die Neofaschisten ursprünglich am heutigen Donnerstag eine »stationäre Kundgebung« in der Elbmetropole durchführen und das Gedenken an die Opfer der Bombardierung der Stadt am 13. Februar 1945 erneut für ihre Propaganda mißbrauchen. Dazu wollten die braunen Geschichtsverfälscher vor der Dresdner Frauenkirche aufmarschieren.

»Der 13. Februar 1945 steht nicht als singuläres Ereignis in den Geschichtsbüchern, sondern im Kontext des Zweiten Weltkrieges. Das Grauen dieses Krieges, mit dem Deutschland die Welt überzogen hat, kam an diesem Tag nach Dresden zurück«, konstatierte hingegen Rico Gebhardt, Partei- und Fraktionschef der Linken in Sachsen, am Mittwoch. Er kündigte an, sich »wie schon in den Vorjahren gemeinsam mit Dresdnerinnen und Dresdnern, Gästen aus dem In- und Ausland wie auch Partnern befreundeter Parteien aus Polen und Tschechien« am »Mahngang Täterspuren« beteiligen zu wollen, der am Donnerstag (14 Uhr, Schützenplatz) erneut in der Elbmetropole stattfindet.

Die geplante Kundgebung der Neonazis an der Frauenkirche wurde unterdessen untersagt. So bestätigte das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen am Mittwoch einen Urteilsspruch des Dresdner Verwaltungsgerichts, demzufolge die Nazis nicht an der Frauenkirche aufmarschieren dürften. Unter anderem sahen die Richter das von der Stadt geplante stille Gedenken an die Opfer der Bombenangriffe gefährdet. Allerdings gestand das OVG den Neofaschisten das Recht zu, zwischen zwölf und 15 Uhr eine Kundgebung auf einem anderen Platz in der Innenstadt zu veranstalten. Die Neofaschisten sollten sich bis Mittwoch – nach jW-Redaktionsschluß – entscheiden, ob sie damit einverstanden sind. Im Falle, daß die Rechten den Vorschlag des Gerichts nicht annehmen, bliebe ihnen jedoch immer noch der Gang vor das Bundesverwaltungsgericht.

Das antifaschistische Bündnis »Dresden nazifrei!« hielt am Mittwoch nachmittag seine Mobilisierung auch weiterhin aufrecht. Sollte es somit kurzfristig doch zu einer Kundgebung der Neonazis kommen, müssen sich diese also erneut darauf einstellen, auf breiten gesellschaftlichen Widerstand zu stoßen. So rufen neben Linkspartei, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und DKP auch verschiedene Gewerkschaftsgruppierungen und autonome Antifagruppen zu Protesten auf. Selbst hochrangige Kirchenvertreter erklärten, sich an Blockadeaktionen beteiligen zu wollen (jW berichtete). So oder so stellt die Situation in Dresden für die Neofaschisten also einen herben Rückschlag dar. Galt der Februaraufmarsch doch einst mit mehreren tausend Teilnehmern als europaweit größte Demonstration der militanten Rechten.

Während sich immer mehr Organisationen und Bürger gegen den rechten Wahn engagieren, verhandelt der Immunitätsausschuß des Deutschen Bundestags ausgerechnet am heutigen Donnerstag erneut über die Immunität der Linken-Bundestagsabgeordneten Caren Lay. Lay soll auf Betreiben der Dresdener Staatsanwaltschaft strafrechtlich belangt werden, da sie sich 2011 an einer der gegen den Naziaufmarsch in Dresden gerichteten Blockaden beteiligt hatte. »Das ist ein fatales Signal an die vielen Bürgerinnen und Bürger, die auch in diesem Jahr Naziaktivitäten in Dresden verhindern wollen«, kritisierte die Bundestagsabgeordnete am Mittwoch in einer Erklärung. Sie halte es »damals wie heute« vor »dem Hintergrund der deutschen Geschichte für eine demokratische Bürgerpflicht, sich gegen Naziaufmärsche und deren Zurschaustellung rassistischer und menschenverachtender Ideologie zur Wehr zu setzen«, stellte sie klar.

Unterdessen steht zu befürchten, daß es in den heutigen Abendstunden in verschiedenen Städten zu dezentralen Aktionen der neofaschistischen Szene anläßlich des Jahrestags der Bombardierung Dresdens kommen wird. So wollen die Nazis nach Informationen des »Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus« heute eine »Mahnwache« in der Dessauer Innenstadt abhalten. Antifaschisten rufen für 18.45 Uhr zu einer Protestkundgebung an der Friedensglocke der Stadt (Platz der deutschen Einheit) auf.

dresden-nazifrei.com

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 13. Februar 2014


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