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Unbequemer Zeitgenosse

Zum Tod des jüdischstämmigen Antifaschisten und Spanienkämpfers Fritz Teppich

Von Peter Rau *

Am kommenden Freitag (9. März) wird Fritz Teppich gemeinsam mit seiner im Januar verschiedenen Frau in Berlin zu Grabe getragen. Auf eigenen Wunsch hin wird die Beisetzung im engsten Familien- und Freundeskreis vorgenommen. Der vermutlich letzte lebende deutsche Spanienkämpfer war am 25. Februar im hohen Alter von 93 Jahren verstorben. Doch nicht nur, wenn es um Spanien ging, hat er als Gründungsmitglied des Vereins »Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936–1939« (KFSR) bis ins letzte Jahr hinein immer wieder seine Stimme erhoben. Egal, ob es dabei um den Erhalt der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals ging oder um das Verbot der NPD wie den Widerstand gegen neonazistische Umtriebe und die Schändung jüdischer Friedhöfe, um Frieden im Nahen Osten und eine gerechte Lösung für die Palästinenser.

Geboren am 26. November 1918, in den stürmischen Revolutionstagen, wuchs er dennoch wohlbehütet in einer liberal gesinnten jüdischen Kaufmannsfamilie im Berliner Westend auf. Hier fand er bei den »Roten Pfadfindern« den Weg zur linken Arbeiterjugendbewegung. 1933 schickte ihn die Mutter, die kommenden antisemitischen Ausschreitungen vorausahnend, zu einer Kochlehre nach Frankreich. Nach deren Abschluß fand er eine Arbeit in einem belgischen Restaurantbetrieb. Zu diesem verhalf ihm seine ältere Schwester Mela, die zu Beginn der 30er Jahre in die Kempinski-Familie eingeheiratet hatte, der ein weithin bekanntes Restaurant- und Hotelunternehmen gehörte. Der Protest gegen dessen 1937 erfolgte »Arisierung« sollte Fritz Teppich noch Jahrzehnte später umtreiben, da deren Nutznießer auch nach dem Krieg in der BRD ungeschoren blieben, während seine Eltern wie ein Großteil seiner Familie dem Holocaust zum Opfer gefallen waren.

Als im Sommer 1936 der Putsch der Generäle um Francisco Franco den Bestand der Spanischen Republik bedrohte, hielt es ihn jedoch nicht länger in Belgien. Er machte sich auf den Weg zur Iberischen Halbinsel und wurde im Baskenland, knapp 18jährig, Mitglied einer Milizformation. Mit ihr nahm er bis zum Sommer 1937 an den Kämpfen zur Verteidigung wichtiger baskischer Städte teil und wurde – allerdings ohne mit seiner Luftabwehrkanone selbst eingreifen zu können – Zeuge, als Flieger der faschistischen deutschen »Legion Condor« Guernica (baskisch: Gernika) dem Erdboden gleichmachten. Zum Teniente (Leutnant) befördert, wurde Teppich unter seinem Kriegsnamen Alfredo T. Salutrégui von Oberstleutnant Ibarrola, dem Kommandeur des XXII. Armeekorps der Volksarmee, in dessen Stab geholt. In dieser neuen Funktion bestritt der junge Offizier auch die folgenden Schlachten und Rückzugsgefechte. Von Alicante aus, wohin ihn die letzten Kämpfe verschlagen hatten, machte er sich nach der Niederlage der Republikaner, auf sich allein gestellt, quer durch Spanien auf den Rückweg – und wurde im baskischen Donostia (spanisch: San Sebastian) prompt verhaftet. Aus dem berüchtigten Zapatari-Gefängnis gelang ihm mit Hilfe spanischer Kameraden die Flucht über die Grenze nach Frankreich und weiter nach Belgien. Allein: Die Freiheit währte nicht lange. Nach dem Überfall der Wehrmacht auf Belgien und Frankreich im Frühjahr 1940 wurde er als »feindlicher Ausländer« in der nicht von den Nazis besetzten Zone in Südfrankreich interniert. Ein neuerlicher Fluchtversuch war zwar wiederum erfolgreich, endete letztlich allerdings in portugiesischer Haft und Verbannung, aus der er erst 1945 entlassen wurde und über diverse Umwege im Herbst 1946 ins heimatliche Berlin zurückkehren konnte.

Hier wollte er seine bisherigen Erfahrungen beim Aufbau eines neuen antifaschistischen Deutschlands einbringen. Deshalb nahm er das Angebot der im März 1946 gegründeten Freien Deutschen Jugend an, als außenpolitischer Redakteur an der Herausgabe einer neuen Jugendzeitung mitzuwirken. Doch nach eigenem Bekunden hat er das Vorbereitungsteam noch vor dem Erscheinen der ersten Ausgabe der Jungen Welt am 12. Februar 1947 wegen massiver Bedenken gegen deren geplante Ausrichtung wieder verlassen. Nach Stippvisiten in mehreren anderen Zeitungsredaktionen landete Teppich schließlich beim ADN, der offiziellen Nachrichtenagentur der DDR, für die er bis 1966 von seinem Wohnsitz in Westberlin aus tätig blieb. Im selben Jahr wurde er – nach rund 30 Jahren Mitgliedschaft in kommunistischen Parteien, zuerst in Spanien und seit 1947 in der SED – aus der inzwischen gegründeten SEW, der Sozialistischen Partei Westberlins, ausgeschlossen, nicht zuletzt deshalb, weil er deren Parteistatut als stalinistisch geprägt kritisiert und die Nichtanerkennung Israels seitens der DDR angeprangert hatte. Obwohl er im Herzen überzeugter Kommunist und insbesondere der Friedensbewegung eng verbunden blieb, nahm er auch fürderhin kein Blatt vor den Mund, wenn etwas nicht so war, wie es seiner Meinung nach hätte sein sollen. Wie dem auch sei: Ein solcher Querdenker und unbequemer Zeitgenosse wird uns fehlen.

* Aus: junge Welt, 7. März 2012


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