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Sag doch einfach People of Colour

Von Atlanta Athens *

Das Buch »Rassismus auf gut Deutsch« untersucht das Feld rassistischer Sprachhandlungen. Anhand konkreter Beispiele werden vor allem auch unbewusste oder »gut gemeinte« Rassismen im alltäglichen Sprachgebrauch aufgedeckt.

Der Umgang mit Sprache ist Teil unseres politischen Handelns. Auch Nicht-Sprechen kann eine Handlung sein. Sprache kann ausgrenzen, ermöglicht aber auch Interventionen. In der Öffentlichkeit ist der ausgrenzende und verletzende Gehalt einiger rassistischer »Schimpfwörter« heute anerkannt.

Daneben existieren jedoch eine ganze Reihe von Begriffen und Konzepten, die (noch) nicht ausreichend reflektiert werden. In »Rassismus auf gut Deutsch« werden sie (neu) zur Debatte gestellt, in ihren Hintergründen und rassistischen Implikationen erläutert und damit mit Blick auf sprachliche Entscheidungsmöglichkeiten neu verhandelbar. Im Vordergrund der Beiträge im Buch steht dabei nicht die von Kritikern der Sprachkritik oft als Totschlagsargument aufgebrachte Frage danach, »was dann überhaupt noch gesagt werden darf«, sondern eine Sensibilisierung für sprachliches Handeln.

»Rassismus auf gut Deutsch« gliedert sich in sechs Teile. Im ersten Teil, der Einleitung, definieren die Herausgebenden Adibeli Nduka-Agwu und Antje Lann Hornscheidt grundlegende Begrifflichkeiten und Aspekte, die ihr Verständnis von Rassismus und den Zusammenhang mit Sprache verdeutlichen. Sie erläutern daneben den eigenen, deutlich innovativ-interventionistischen Sprachgebrauch, der sich durch das Buch zieht. Viel wird mit Kursivsetzungen und Großschreibungen innerhalb von Worten gearbeitet sowie den aus der neueren feministischen Debatte entlehnten Unterstrichen.

Im zweiten Teil des Buches werden von rassistisch Diskriminierten gewählte, »empowernde« Begriffe der Selbstbezeichnung vorgestellt, etwa der Terminus Afrodeutsch/Afrodeutsch_e, die Négritude, der Begriff People of Colour oder auch Schwarze und Schwarze Deutsche.

Der dritte Teil widmet sich der Analyse konventionell rassistischer Begriffe und Benennungen. Während etwa der »Eskimo«, die »Wilde« oder das »N-Wort« dabei schon in der Vergangenheit breit diskutiert worden sind, werden hier auch Worte mit im gesellschaftlichen Bewusstsein weniger bis kaum reflektierten rassistischen Gehalten verhandelt - etwa die »Tropenkrankheit« oder der Begriff des »Schwarzen Kontinents«. Der vierte Teil untersucht rassistische Gebrauchsweisen ausgewählter Konzepte. Hinterfragt wird etwa, welche Assoziationen/Konnotationen aufgerufen werden, wenn von »Afrika«, »Amerika« oder »Europa« die Rede ist.

Aufgegriffen wird hier aber etwa auch die Debatte um »Political Correctness«. Die Autorin Evelyn Hayn verweist in ihrem Beitrag dazu auch auf die »weiße Resistenz«, auf den Gebrauch diskriminierender Bezeichnungen für Schwarze und People of Colour zu verzichten. Dies werde u.a. als »Überempfindlichkeit oder Bedrohung der Meinungsfreiheit« gewertet, schreibt Hayn.

Der fünfte Teil des Buches stellt Konzepte und Modelle zur Analyse von Rassismus vor. So betrachtet etwa Antje Lann Hornscheidt die scheinbare »Neutralität« der Einträge in Wörterbüchern und Lexika, deren begriffliche Deutungshoheit gemeinhin unhinterfragt hingenommen wird. Lann Hornscheidt hat dagegen einen Leitfaden von Fragen entwickelt, mit dem Bedeutungskonstruktionen auseinandergenommen und auf rassistische Gehalte hin analysiert werden können. Der Leitfaden wird so zum Werkzeug, den auch andere beim kritisch-reflektierten Arbeiten mit dem Wörterbuch verwenden können.

Mit dem vorliegenden Band ist ein umfangreiches und in dieser Form im deutschen Sprachraum bisher einzigartiges Nachschlagewerk erschienen. Er trägt dazu bei, das Bewusstsein für den eigenen Umgang mit Sprache zu schärfen und dadurch nicht zuletzt auch politisch und antirassistisch handlungsfähiger zu werden.

Nduka-Agwu, Adibeli, Lann Hornscheidt, Antje (Hrsg.). Rassismus auf gut Deutsch. Ein kritisches Nachschlagewerk zu rassistischen Sprachhandlungen, Brandes & Aspel, Frankfurt am Main 2010, 44 Euro.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Oktober 2010


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