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"Keinerlei Sanktionen"

NSU-Prozeß: Unglaubwürdige Zeugen aus der braunen Szene und der Dauerkonflikt zwischen Bundesanwaltschaft und Nebenklage

Von Claudia Wangerin *

Zum dritten Mal ist André Kapke am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht München als Zeuge im Prozeß um die rechte Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) vernommen worden. Der Thüringer Neonazi war in den 1990er Jahren eine führende Figur der Szene – als enger Kamerad von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe hatte er dieselben auch nach ihrem Untertauchen 1998 unterstützt. In den ersten Jahren danach begangene Unterstützungsleistungen sind jedoch bereits verjährt, sofern er nicht von geplanten Morden wußte. Praktisch, daß er sich an vieles gar nicht mehr erinnern kann. Angeblich. »Zäh«, so die Nachrichtenangentur dpa, verlief auch seine dritte Vernehmung.

Der Konflikt zwischen Bundesanwaltschaft und der Nebenklage um ebensolche Zeugen zieht sich derweil wie ein roter Faden durch den Prozeß. Mehrere Anwälte von Opferangehörigen und Verletzten warfen am Donnerstag den Anklägern massive Eingriffe in ihr Fragerecht vor.

Mit den Worten »Wir sind hier nicht das jüngste Gericht« hatte die Bundesanwaltschaft am Mittwoch die Vernehmung eines Zeugen aus der rechten Szene unterbrochen, der für das mutmaßliche Kerntrio des NSU eine Wohnung angemietet hatte. Der Zeuge hatte die Frage der Nebenklage bejaht, ob ihm dabei »grenzenlos egal« gewesen sei, warum das Trio abgetaucht sei. »Mir war es egal«, so Carsten R., »ob sie Schokoriegel geklaut oder jemanden umgebracht haben«. Daraufhin fragte Rechtsanwältin Gül Pinar, welche Gedanken er sich gemacht habe, als er 2011 erfuhr, daß die drei möglicherweise tatsächlich Morde begangen haben. An diesem Punkt schritt die Bundesanwaltschaft ein. Es sei »nicht Aufgabe des Zeugen, sich für Einstellungen, die er damals hatte, zu rechtfertigen, sondern Wahrnehmungen zu bekunden.«

Pinar und vielen ihrer Kollegen ging es dagegen um »eine kritische Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen und dessen Motivation, hier falsche Angaben zu machen«.

Eine weitere sinnvolle Befragung sei durch die Ankläger faktisch unterbunden worden, kritisierten 28 Opferanwälte, darunter die engagiertesten in dem Mammutverfahren um zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und mehrere Raubüberfälle, in einer am Donnerstag verschickten Erklärung. Bei den Unterzeichnenden dränge sich der Eindruck auf, daß die Bundesanwaltschaft einer Aufklärung der Strukturen, die zu Entstehung und Fortbestand des NSU führten, »aktiv entgegentritt«.

Hintergrund des Dauerkonflikts ist die These der Anklageschrift, der NSU habe nur drei vollwertige Mitglieder gehabt – die Hauptangeklagte Beate Zschäpe ist demnach die einzige Überlebende – und wenige Helfer. Viele Nebenklagevertreter schätzen den NSU dagegen als Netzwerk ein.

Nach der Befragung einer Vielzahl von Szenezeugen werde deutlich, »daß es sich bei diesen Zeugen offensichtlich herumgesprochen hat, daß sie beim Lügen oder Vortäuschen von Erinnerungslücken nicht nur mit keinerlei Sanktionen rechnen müssen, sondern ihnen dabei im Zweifel die Bundesanwaltschaft zur Seite springt«.

* Aus: junge Welt, Freitag, 21. März 2014


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