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Neonazistische Kräfte fassen in gewissen Ländern Europas wieder Fuß

Deren Bekämpfung ist von "größter Dringlichkeit". Dokumentiert: Eine europäisches Manifest (deutsch) - European Antifascist Manifesto (english)


Im Folgenden dokumentieren wir ein Manifest, das sich an die europäische Öffentlichkeit wendet und vor der Gefahr des Aufstiegs neofaschistischer Kräfte in verschiedenen europäischen Ländern warnt. Einer der Initiatoren des Manifests ist der griechische Wirtschaftswissenschaftler und Sozialist Yorgos Mitralias. Und er weiß, wovon er spricht, hat doch die faschistische Partei "Goldene Morgenröte" in Griechenland einen erschreckenden Aufstieg hinter sich. Wir dokumentieren das Manifest in deutscher und in englischer Sprache.

Europäisches antifaschistisches Manifest

Sechzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Niederlage des Faschismus und des Nazismus lässt sich der Aufstieg des Rechtsextremismus in fast ganz Europa beobachten. Und noch besorgniserregender ist die Erscheinung, wonach noch weiter rechts der Rechtsextremismus von geradezu neonazistischen Kräften überholt wird, die in gewissen Ländern (Griechenland, Ungarn usw.) in der Gesellschaft Fuß fassen und regelrechte Massen- und Volksbewegungen bilden. Diese radikalen, rassistischen, höchst gewalttätigen und vor Pogromen nicht zurückschreckenden Bewegungen haben zum erklärten Ziel, jegliche gewerkschaftliche, politische und kulturelle Organisierung der Arbeiter zu vernichten, den noch so leisen Bürgerwiderstand zu ersticken, das Recht auf Andersartigkeit zu verneinen und die – auch physische – Ausrottung der „Andersartigen“ und Schwächeren zu betreiben.

Nicht anders als in den 20er und 30er Jahren rührt diese neofaschistische und rechtsextreme Bedrohung von der tiefen wirtschaftlichen, sozialen, politischen und auch moralischen und ökologischen, Krise des Kapitalismus her, der die Schuldenkrise als Vorwand vorschiebt, um nun eine beispiellose Offensive gegen den Lebensstandard, gegen die Freiheiten und Rechte der Arbeiter, gegen die alle da unten zu führen! Unter Ausnutzung der Angst der Besitzenden vor den Risiken sozialer Explosion, der Radikalisierung der durch die Krise und die drakonischen Austerity-Maßnahmen ausgezehrten Mittelklassen sowie der Hoffnungslosigkeit ausgegrenzter und verarmter Arbeitsloser breiten sich rechtsextreme, neonazistische und neofaschistische Kräfte in ganz Europa aus; sie erringen einen massiven Einfluss bei den benachteiligten Schichten, die sie gegen traditionelle und neue Sündenböcke (Migranten, Muslime, Juden, Homosexuelle, Behinderte usw.) sowie gegen soziale Bewegungen, linke Organisationen und Arbeitergewerkschaften systematisch aufhetzen.

Der Einfluss und die Radikalität der extremen Rechten sind nicht in ganz Europa einheitlich. Jedoch hat das Umsichgreifen von drakonischen Austerity-Maßnahmen in der Politik zur Folge, dass der Aufstieg des Rechtsextremismus ein fast schon allgegenwärtiges Phänomen darstellt. Der Schluss liegt auf der Hand: Die Tatsache, dass der stürmische Aufstieg der Rechtsextremen und das Aufkommen eines äußerst gewalttätigen Massenfaschismus neueren Datums nicht mehr die Ausnahme von der europäischen Regel sind, zwingt die Antifaschisten des Kontinents dazu, sich diesem Problem in seiner ganzen Tragweite zu stellen, d.h. es als gesamteuropäisches Problem zu behandeln!

Allein das Gesagte reicht nicht aus, wenn nicht hinzugefügt wird, dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus und des Neonazismus größte Dringlichkeit hat. Tatsächlich ist die neofaschistische Bedrohung in mehreren europäischen Ländern schon so direkt und unmittelbar, dass dadurch der antifaschistische Kampf zum vorrangigsten Ziel wird. Davon hängen ab Leben oder Tod der Linken, der Arbeiterorganisationen, der Grundfreiheiten und demokratischen Rechte, der Werte der Solidarität und der Toleranz, des Rechts auf Anderssein. Die Aussage, wonach wir uns in einem Wettrennen gegen die rassistische und neofaschistische Barbarei befinden, spiegelt nunmehr eine Wirklichkeit wider, die tagtäglich auf den Straßen unserer europäischen Städte sichtbar wird …

Angesichts des Ernstes der Krise und der daraus entstehenden sozialen Verheerungen großen Ausmaßes, der tiefgreifenden politischen Polarisierung, der Entschlossenheit und Aggressivität der herrschenden Klassen, der historischen Bedeutung dessen, was bei der laufenden Konfrontation auf dem Spiel steht, sowie des Erstarkens der rechtsextremen Kräfte im großen Stil ist es selbstverständlich, dass der antifaschistische Kampf eine strategische Weichenstellung darstellt, dieeine solide Organisation und ein langfristiges politisches und kämpferisches Engagement erfordert. Daher muss die Bekämpfung des Faschismus eng mit dem alltäglichen Kampf gegen die Austerity-Politik und das System die diese Politik produzieren.

Soll er wirksam sein und den Erwartungen der Bevölkerung entsprechen, muss der antifaschistische Kampf einheitlich und demokratisch gestaltet und von den Volksmassen selbst getragen werden. Dazu müssen die Bürger ihren antifaschistischen Kampf und ihre Selbstverteidigung in die eigenen Hände nehmen. Zugleich muss dieser Kampf, um Wirkung zeigen zu können, global geführt werden und dem Rechtsextremismus und Neofaschismus überall dort entgegentreten, wo das Gift des Rassismus und der Schwulenfeindlichkeit, des Chauvinismus und des Militarismus, der Verherrlichung blinder Gewalt und der Rechtfertigung der Gaskammern und von Auschwitz sickert. In einem Wort, um dauerhaft wirksam zu sein, muss der antifaschistische Kampf eine gesellschaftliche Vision bieten, die der von den Rechtsextremen vertretenen diametral entgegengesetzt ist, d.h. eine Gesellschaft, die Solidarität, Toleranz und Brüderlichkeit, Verurteilung des Machismus und der Unterdrückung der Frauen, Achtung des Rechts auf Anderssein, Internationalismus und rigorosen Schutz der Natur, Verteidigung humanistischer und demokratischer Werte als Grundlage hat.

Diese europäische antifaschistische Bewegung muss das Erbe der großen antifaschistischen Traditionen des Kontinents antreten! Dazu sollte sie den Grund für eine strukturierte soziale Bewegung legen, die tagtäglich handelt, die ganze Gesellschaft durchdringt, antifaschistisch eingestellte Bürger nach deren Beruf, Wohnort und Neigungen in Netzwerken zusammenfasst, an allen Fronten der menschlichen Aktivitäten kämpft und sich zur unverzichtbaren Aufgabe macht, den (auch physischen) Schutz der schwächsten unserer Mitbürger, der Migranten, der Roma, der nationalen Minderheiten, der Muslime, der Juden oder der Homosexuellen zu übernehmen, all derer, die dem Staatsrassismus und der faschistischen Plage systematisch zum Opfer fallen.

Gerade weil die antifaschistische Mobilisierung auf gesamteuropäischer Ebene mit jedem vergehenden Tag dringlicher wird, unterschreiben wir dieses Manifest und rufen dazu auf, eine europäische antifaschistische, demokratische und einheitliche Massenbewegung zu bilden, die imstande sein soll, die aus dem Schoß unseres Kontinents kriechende braune Pest zu bekämpfen und zu besiegen. Wir werden alles tun, damit der Gründungskongress dieser so bitter nötigen Europäischen antifaschistischen Bewegung im Frühjahr in Athen stattfindet und mit einer europäischen antifaschistischen Großdemonstration in den Straßen der griechischen Hauptstadt gekoppelt ist.

Diesmal darf sich Geschichte nicht wiederholen!

NO PASARAN! SIE KOMMEN NICHT DURCH!



European Antifascist Manifesto

Sixty eight years after the end of World War Two and the defeat of Fascism and Nazism we are witnessing almost everywhere in Europe the rise of extreme right. But, and this is an even more distressing phenomenon, we see the emergence and growth to the right of this extreme right, plainly neo-Nazi forces which, in some cases (Greece, Hungary,…) are putting down roots in society building popular, radical, racist, ultra-violent, and pogromist mass movements. Their declared objective is to destroy all working class trade-union, political and cultural organizations, to crush any citizens’ resistance, to deny the right to difference and to exterminate –even physically- those who are “different” and those who are most vulnerable.

Like in the 20’s and 30’s, the ultimate cause of this extreme right and neo-fascist threat is the deep economic, social, political and even moral and ecological crisis of capitalism which, giving the debt crisis as a pretext, is leading to an unprecedented attack on the standard of living, the freedoms and rights of workers, of all those from below! By exploiting the fears of the well to do of the risks of a social explosion, the radicalization of middle classes destroyed by the crisis and sweeping austerity measures as well as the despair of marginalized and impoverished unemployed people, extreme right and most of all neo-Nazi and neo-fascist forces are growing everywhere in Europe. They are gaining mass influence in the poorer layers of society turning this influence systematically against traditional and newer scapegoats (immigrants, Muslims, Jews, LGBT, disabled people,…) as well as against left wing organizations and trade unions.

The influence and radicalism of this extreme right is not the same throughout Europe. However, the general implementation of sweeping austerity measures is already making the rise of the extreme right an almost general phenomenon. The conclusion is clear: The fact that the spontaneous rise of the extreme right and the emergence of an ultra-violent mass neofascism are no longer an exception to the European rule now impels the antifascists of this continent to confront this problem in its real dimensions, that is as problem of European dimensions!

However, saying all that is not enough if we do not add that the fight against extreme right and neo-Nazism is extremely urgent. In fact, the neo-fascist threat in many European countries is already so direct and immediate it has transformed the antifascist struggle into the first priority, a battle of life and death, in which the left and the workers’ organizations, freedom and democratic rights, solidarity and tolerance and the right to difference are all at stake. Saying that we are engaged in a race against racist barbarism and neo-fascism corresponds to a reality verified every day in the streets of our European cities…

Considering the depth of the crisis and the enormity of the social damage it produces, the intensity of political polarization, the determination and aggressiveness of dominant classes, the historic importance of what is at stake in the current confrontation and the extent of the rise of the extreme right it is clear that the antifascist struggle constitutes a strategic choice requiring an organizational plan and a long term political and militant investment. Therefore, antifascist struggle has to be closely linked to everyday struggle against the austerity measures and the system which generate them.

In order to be efficient and meet the expectations of the population, antifascist struggle has to be unitary, democratic and be conducted by the popular masses themselves. To this end, citizens have to organize their antifascist struggle and their self-defense themselves. At the same time, and in order to be effective, this struggle must be global, confronting the extreme right and neofascism everywhere, the poison of racism and xenophobia, chauvinism and militarism, of the cult of blind violence and the denial of gas chambers and Auschwitz itself. In short, in order to be effective in the long run, the antifascist fight has to propose in actions an alternative vision of society, diametrically opposite to the one proposed by the extreme right. That is a society founded on solidarity, tolerance and fraternity, rejection of machismo, rejection of women’s oppression and respect for the right to difference, internationalism and scrupulous protection of Nature, defense of democratic and humanistic values.

This European antifascist movement has to be the heir of the great antifascist traditions of our continent! To that end it should lay the foundations of a social movement with stable structures and everyday activities, penetrating the whole society, organizing antifascist citizens in networks according to their profession, residence and sensibility, carrying out the fight in all fields of human activities and assuming completely the task of the –even physical- protection of the most vulnerable citizens, the immigrants, the Roma, the national, black and ethnic minorities, the Muslims, the Jews and LGBT people, of all those who are systematically victims of State racism and the fascist mob.

It is therefore because the need for antifascist mobilization on a European scale is becoming day after day more pressing that we who sign this manifesto, are calling for the establishment of a mass unitary, democratic European Antifascist Movement, able to confront and defeat the brown plague which is raising its head on our continent. We will do our utmost to have the founding congress of this European Antifascist Movement, that we need so badly, to take place in Athens in the spring 2013 and to combine it with a big European antifascist demonstration in the streets of the Greek capital.

This time, history must not be repeated!

NO PASARAN!


* Source: http://antifascismeuropa.org


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