Minister ruft für 13. Februar zu Protesten in Dresden auf
CDU-Politiker rechnet mit mehr als 6500 Rechtsextremen
Von Hendrik Lasch, Dresden *
Sachsens CDU-Innenminister Markus Ulbig hat die Bürger zur Teilnahme am
Protest gegen den großen Neonazi-Aufmarsch am 13. Februar in Dresden
aufgerufen. Gewalt soll ein Großaufgebot an Polizei unterbinden.
Die Zahl der Menschen, die sich am 65. Jahrestag der Zerstörung Dresdens
öffentlich gegen den geplanten Aufmarsch der rechtsextremen Szene
stellen, soll deutlich größer sein als dessen Teilnehmerzahl. Diese
Erwartung hat gestern der sächsische Innenminister Markus Ulbig
formuliert. Der CDU-Politiker begrüßte eine von der Stadt veranstaltete
Menschenkette und das Signal, dass »die rechtsextreme
Geschichtsfälschung nicht hingenommen wird«. Ulbig selbst kündigte wie
Ministerpräsident Stanislaw Tillich seine Teilnahme an. Voriges Jahr
waren CDU-Politiker den Protesten ferngeblieben. Ulbigs Anspruch, die
Zahl der Protestierenden möge »größer sein als bei den Rechtsextremen«,
ist ehrgeizig. Immerhin rechnet er für den Aufmarsch, der von der Jungen
Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) angemeldet und von der Stadt nur
als Kundgebung genehmigt wurde, mit mindestens 6500 Teilnehmern. Ulbig
fügte hinzu: »Es können aber auch deutlich mehr werden.« Darunter werde
»eine hohe Zahl« gewaltbereiter Mitglieder der Freien Kräfte sein:
»Störungen und Gewalt müssen einkalkuliert werden«, sagte Ulbig und
verwies auf Ausschreitungen gegen die Polizei bei einer Demonstration
der Freien Kräfte am 17. Oktober in Leipzig.
Der Minister befördert daneben auch die Sorge vor Ausschreitungen linker
Gegendemonstranten. Von diesen werden mehrere tausend erwartet, bis zu
2000 von ihnen könnten »gewaltbereite Autonome« sein. Er appellierte an
die Anmelder, sich öffentlich klar gegen Gewalt auszusprechen.
Zugleich lassen Ulbig und der für Justiz zuständige Minister Jürgen
Martens (FDP) keinen Zweifel daran, dass bei Straftaten energisch
durchgegriffen wird. Ulbig betonte, es werden »mehr Polizisten als im
vergangenen Jahr« in Dresden sein - 2009 waren 4500 Polizisten im
Einsatz. Zudem seien an dem Samstag je zwei Staatsanwälte und Richter im
Einsatz. Martens erklärte, in der Justizvollzugsanstalt Dresden würden
für den Fall, dass es zu Festnahmen kommen sollte, 80 Plätze bereitgehalten.
Wie genau der Tag in Dresden ablaufen wird, ist noch völlig offen.
Insgesamt wurden nach Angaben des Innenministeriums 20 Veranstaltungen
angemeldet. Die Stadt Dresden als Versammlungsbehörde hat diese
ausschließlich in Form von Kundgebungen genehmigt, wogegen aber unter
anderem die JLO vor Gericht vorgehen will. Ulbig hofft, dass die
Verfügungen Bestand haben, und appellierte dazu an die
Verwaltungsgerichte, das Versammlungsrecht »sehr sachgerecht«
auszulegen. Viele Gegner des Neonazi-Aufmarsches richten sich aber
darauf ein, dass dieser doch als Demonstration durchgeführt werden kann.
Nicht schlüssig begründen konnten die Minister gestern, wozu es der
kürzlich von CDU und FDP im Landtag beschlossenen Änderung des
sächsischen Versammlungsgesetzes bedurfte. Martens verwies zwar darauf,
dass man das traditionelle stille Gedenken »im Kernbereich«, der laut
Gesetz das Gebiet um die Frauenkirche und die innere Neustadt umfasst,
»von Störeinflüssen freihalten« wolle, etwa von laut skandierten rechten
Parolen. Kritiker weisen indes darauf hin, dass die Marschroute der
Neonazis bereits 2009 das jetzt geschützte Gebiet gemieden hatte und
zudem als Schweigemarsch durchgeführt wird. Ein Sprecher der
Stadtverwaltung Dresden hatte auf ND-Anfrage kürzlich betont, dass eine
Verfügung wie die jetzt erlassene auch nach dem alten Versammlungsgesetz
möglich gewesen sei.
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes hegt der Justizminister
weiterhin nicht. Dagegen wollen LINKE und Grüne klagen - allerdings
nicht mehr vor dem 13. Februar. Man strebe kein Eilurteil an, sagte ein
Sprecher der LINKEN gestern. Auch die Grünen hatten erklärt,
Gründlichkeit gehe bei der Klage vor Schnelligkeit.
* Aus: Neues Deutschland, 3. Februar 2010
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