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"Die Blockade von Naziaufmärschen ist nicht nur unser Recht, sondern unsere Pflicht!"

In Dresden und überregional wächst der Widerstand gegen Neonazis - Höhepunkt am 13. Februar

Es muss einem schon zu denken geben, wenn Alt- und Jungnazis Jahr für Jahr in Dresden ihren martialischen Aufmarsch veranstalten - ungehindert von den Behörden und geschützt von der Polizei. Dabei verbietet das Grundgesetz Nachfolgeorganisationen der NSDAP und unsere Strafgesetze stellen Volksverhetzung, Kriegstreiberei und Gewalt unter Strafe. Ist es schon ein Skandal, dass die Bürgerinnen und Bürger, Demokraten und Antifaschisten das Heft selbst in die Hand nehmen müssen, um an Stelle der untätigen Justiz gegen den braunen Spuk vorzugehen, so ist es unerträglich, wenn - wie jetzt geschehen - die antifaschistischen Kräfte von der Dresdener Staatsanwaltschaft verfolgt werden. Zu hoffen ist, dass die beschämende Aktion von Staatsanwaltschaft und Polizei das Gegenteil von dem erreicht, was offenbar beabsichtigt war: Einschüchterung. Die Reaktionen auf die Provokation der Staatsmacht waren jedenfalls ermutigend: Der Kampf gegen Rechts wird mit noch größerer Kraft, mit noch mehr Elan fortgesetzt. Am 13. Februar dürfen die Nazis in Dresden nicht durchkommen. Alles andere wäre eine Schande für dieses Land.
Pst

Nachfolgend dokumentieren wir eine Reihe von aktuellen Presseberichten zu den Dresdener Vorfällen.

Jetzt erst recht!

Von Peter Wolter *

Böse Blamage für Polizei und Staatsanwaltschaft: Die Beschlagnahme von Plakaten gegen den Neonaziaufmarsch am 13.Februar in Dresden wird wohl zum Bumerang. Nachdem die Polizei am Dienstag in Dresden und Berlin Tausende dieser Plakate einkassiert hatte, gehen Antifaschisten jetzt bundesweit in die Offensive.

Protest gibt es nicht nur aus der Linkspartei und von vereinzelten Politikern der Grünen und der SPD. Auch ATTAC, die Gewerkschaftsjugend von IG Metall und ver.di sowie zahlreiche Antifagruppen erklärten, gegen die nazifreundliche Aktion der Dresdner Staatsanwaltschaft mobilisieren zu wollen. Der Startschuß zu den Protesten sollte gestern abend fallen: Bundestagsabgeordnete der Linkspartei und Mitglieder der Studentenorganisation DIE LINKE.SDS hatten eine Klebeaktion angekündigt.

Stein des Anstoßes ist das nebenstehende Plakat, das zur Blockade des Naziaufmarsches aufruft. Mit einer solchen Aufforderung sei ein »Straftatbestand« erfüllt, heißt es in einer Erklärung der Dresdner Staatsanwaltschaft. Die hatte umgehend die Polizei von der Kette gelassen und im Berliner Antifa-Laden »Red Stuff« sowie in Dresden in der Landesgeschäftsstelle der Linkspartei und im Autonomen Zentrum »Conni« alle vorhandenen Plakate beschlagnahmen lassen.

Das Bündnis »Nazifrei! Dresden stellt sich quer« ruft mit dem Plakat zu friedlichen Blockaden auf. Mehr als 300 Organisationen und Gruppen sowie über 1300 Einzelpersonen gehören diesem Bündnis an - darunter auch die Grüne Jugend, die Jungsozialisten, die Aktion Sühnezeichen, die DKP sowie das Antifa-Bündnis »No pasarán«.

Neofaschisten versuchen seit Jahren, die alliierten Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg auf deutsche Städte zu einem »Bomben-Holocaust« umzudeuten. In Dresden, wo 1945 etwa 25000 Menschen ums Leben kamen, versammeln sich zum Jahrestag regelmäßig Tausende Rechtsextreme. 2009 konnte ihre Demonstration nur mit einem massiven Polizeiaufgebot durchgesetzt werden.

* Aus: junge Welt, 21. Januar 2010

Reaktionen: Blockade von Neonazis in Dresden ist Pflicht

Heinrich Fink, Vorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA):
»Es ist unerträglich, daß die deutsche Polizei ausgerechnet gegen diejenigen vorgeht, die zu Protesten gegen den größten Naziaufmarsch der Bundesrepublik am 13. Februar in Dresden aufrufen. Auch ich unterstütze die geplanten Proteste. Genauso wie viele alte Antifaschistinnen und Antifaschisten, die sich in Dresden - übrigens komme was wolle - an den Massenblockaden beteiligen werden.
Die Verantwortlichen für die Razzien samt ihrer Polizei sollten vor Scham im Boden versinken. Sie haben heute ein Bündnis von Nazigegnern kriminalisiert, das von Autonomen Antifas über Gewerkschaften bis hin zur SPD reicht. Laßt mich deutlich sagen: Die Nazis werden wissen, was sie an ihrer Polizei haben.
Sie sollten sich jedoch gewiß sein: Aller Repression und allen Kriminalisierungsversuchen seitens Justiz, Polizei und Politik zum Trotz, werden wir überall dort auf der Straße stehen und sitzen, wo Neofaschisten aufmarschieren wollen. Die Blockade von Naziaufmärschen ist nicht nur unser Recht, sondern unsere Pflicht!«

Hans-Christian Ströbele (MdB, Bündnis 90/Die Grünen):
»Die Durchsuchungs- und Beschlagnahme-Aktionen sind geeignet, dem geplanten Naziaufmarsch in Dresden Tor und Tür zu öffnen. Die zugrunde liegende Gerichtsentscheidung darf keinen Bestand behalten. Die beschlagnahmten Computer und Gegenstände sind umgehend herauszugeben, insbesondere die Aufrufe und Plakate, damit diese den Protest gegen den Naziaufmarsch verbreitern helfen.«



Keine gute Idee

Von Jörg Meyer **

Nein, es war keine gute Idee der Dresdner Staatsanwaltschaft, die sächsische Landesgeschäftsstelle der LINKEN und den Antifa-Laden »Red Stuff« durchsuchen und Tausende Plakate und Flyer beschlagnahmen zu lassen. Wütende Proteste in vielen Städten und große Medienschelte waren das Ergebnis. Die eifrigen Ermittler stehen nun unter Erklärungsdruck. Die Einschätzung, dass es sich bei einem Anti-Nazi-Plakat, auf dem »gemeinsam blockieren« zu lesen ist, um einen Aufruf zu einer Straftat handelt, kann sich auf den ersten Blick schon dem gesunden Menschenverstand entziehen. Aber auch die Justiz - und die muss es ja wissen - hat in den letzten Jahren Blockierer freigesprochen, Verfahren eingestellt und auch grundsätzlich zugunsten von Blockaden und zivilem Ungehorsam geurteilt.

Sicherlich: Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut, das zu schützen ist. Trotzdem ist und bleibt es unerträglich, wenn Nazis zu Tausenden marschieren und ihren geschichtsverfälschenden und völkischen Quatsch in die Welt posaunen können. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen, soviel ist klar. Das Blockieren von Naziaufmärschen sollte darum das Recht jedes Bürgers und jeder Bürgerin sein und nicht schon der Versuch als Straftat gewertet werden.

Und wäre diese Sache nicht herzlich wenig lustig, könnten die Organisatoren der Blockadeaktion auch den Staatsanwälten auf die Schulter klopfen und ihnen Dank aussprechen. Denn wer bislang noch nicht mitbekommen hat, dass die Nazis in Dresden in diesem Jahr blockiert werden sollen, weiß es spätestens seit den Durchsuchungen.

** Aus: Neues Deutschland, 21. Januar 2010 (Kommentar)


Sächsisches Sonderrecht

Schwarz-gelbe Landesregierung in Dresden schafft Versammlungsfreiheit faktisch ab. Die Linke will klagen. Neonazis begrüßen Hausdurchsuchungen bei Antifaschisten

Von Markus Bernhardt ***

Die aus CDU und FDP bestehende sächsische Landesregierung hat am Mittwoch das gesetzlich verbriefte Recht auf Versammlungsfreiheit de facto abgeschafft. Die rechtskonservative Landesregierung machte damit ihr bereits im Koalitionsvertrag festgeschriebenes Versprechen wahr, noch im Vorfeld des neofaschistischen Großaufmarsches am 13. Februar in Dresden »alle versammlungsrechtlichen Möglichkeiten« zu nutzen, um nicht etwa den Neonazis, sondern allgemein »Extremisten in Sachsen deutliche Grenzen zu setzen«. Mit Inkrafttreten des Gesetzes können Demonstrationen fortan »an einem Ort von historisch herausragender Bedeutung« verboten werden, der »an Menschen, die unter der nationalsozialistischen oder der kommunistischen Gewaltherrschaft Opfer menschenunwürdiger Behandlung waren, Menschen, die Widerstand gegen die nationalsozialistische oder kommunistische Gewaltherrschaft geleistet haben, oder die Opfer eines Krieges erinnert« wie es im Entwurf heißt. Als besagte Orte wurden etwa die Dresdner Frauenkirche und das Leipziger Völkerschlachtdenkmal genannt.

Klaus Bartl, rechtspolitischer Sprecher der sächsischen Linken, bezeichnete das neue Versammlungsgesetz in der Landtagsdebatte am Mittwoch als »verfassungswidrig« und kündigte an, daß seine Fraktion Klage dagegen einreichen werde. Bartl kritisierte zudem die von der Totalitarismustheorie geprägte Politik der Landesregierung. »Sie werden mit Ihrem Versuch, die Totalitarismustheorie ins Versammlungsrecht zu transformieren, kläglich scheitern. Es ist niemandem gedient, auch nicht der Würde von Opfern, wenn Sie aus vermeintlichen Gründen der Erinnerungskultur in höchst waghalsiger Weise verfassungsmäßige Grundrechte beschneiden«, rief der Abgeordnete in Richtung der Regierungskoalition.

Unterdessen läßt die öffentliche Empörung nach der Durchsuchung der sächsischen Landesgeschäftsstelle der Linkspartei in Dresden und des Antifa-Ladens »Red Stuff« in Berlin-Kreuzberg am Dienstag (jW berichtete) nicht nach. Bei der vom sächsischen Landekriminalamt angeführten Razzia wurden Tausende Flugblätter und Plakate des Bündnisses »Nazifrei! Dresden stellt sich quer!« beschlagnahmt. Auf diesen wurde dazu aufgerufen, den Großaufmarsch der Faschisten am 13. Februar mittels Massenblockaden zu verhindern. Laut Durchsuchungsbeschluß wurde das polizeiliche Vorgehen damit begründet, daß das Aufrufen zu zivilem Ungehorsam und Blockaden ein öffentlicher Aufruf zu Straftaten sei.

Die Durchsuchungsaktion sorgte hingegen für weitere Solidarisierungseffekte. In Berlin demonstrierten am Dienstag abend über 700 Nazigegner gegen staatliche Repression. Auch in Leipzig kam es zu Protesten. Das bundesweite Bündnis »Dresden stellt sich quer!«, das zu den Blockaden aufruft, wird mittlerweile von über 300 Organisationen und Gruppen sowie über 1300 Einzelpersonen unterstützt. Das Spektrum der Blockadeunterstützer reicht dabei von Kulturschaffenden wie dem Liedermacher Konstantin Wecker und Bela B. von der Punkband Die Ärzte bis hin zu autonomen Antifaschisten, Abgeordneten von Linken, SPD und Grünen sowie der »Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde« und den Gewerkschaften. Sie alle eint, den Aufmarsch von mehreren tausend Neofaschisten anläßlich des 65. Jahrestages der Bombardierung Dresdens durch die Alliierten verhindern zu wollen.

Während der Dresdner Oberstaatsanwalt die Razzien rechtfertige und betonte, daß auch »diese braunen Dumpfbacken« das Recht zu demonstrieren hätten, bezeichnete Holger Apfel, Vorsitzender der neofaschistischen NPD-Fraktion im sächsischen Landtag, die Durchsuchungen als »begrüßenswert und längst überfällig«. Apfel forderte zudem die Durchsuchung von weiteren linken Abgeordnetenbüros und die des Dresdner Volkshauses, dem Sitz des örtlichen Deutschen Gewerkschaftbundes. In der Debatte über das neue Versammlungsgesetz nannte der NPD-Fraktionschef die Alliierten im Zweiten Weltkrieg »entkultivierte Antimenschen«, Proteste gegen die NPD verglich er mit der Judenverfolgung. Mehrere Abgeordnete protestierten lautstark, Apfel erhielt einen Ordnungsruf.

*** Aus: junge Welt, 21. Januar 2010


"Blockade von Nazis ist Pflicht aller Demokraten"

Nach der Polizeirazzia unterzeichneten immer mehr Gruppen und Einzelpersonen den Aufruf gegen "rechts". Ein Gespräch mit Stefanie Graf ****

Stefanie Graf ist Geschäftsführerin des Studierendenverbands Die Linke.SDS in Berlin

Die Polizei hat am Dienstag unter anderem den Antifa-Laden »Red Stuff« in Berlin-Kreuzberg und das Infobüro in der Landesgeschäftsstelle der Linken in Dresden durchsucht. Dabei wurden die Blockade-Aufrufe des Bündnisses »Dresden Nazifrei« beschlagnahmt. Wie ist das vor sich gegangen?

Gegen Mittag stürmte die Polizei ungefähr zeitgleich zwei Räumlichkeiten von linken Organisationen, wo Plakate auslagen, die zum gemeinsamen Blockieren des größten Naziaufmarschs Europas am 13.Februar aufriefen. Der Vorwurf im Durchsuchungsbeschluß lautete, das Aufrufen zu zivilem Ungehorsam und Blockaden sei ein öffentlicher Aufruf zu Straftaten.

Die Durchsuchungen haben eineinhalb bis zwei Stunden gedauert. Sogar Computer wurden mitgenommen. Wir finden es empörend, daß unserem Aufruf zur friedlichen Blockade auf diese Weise begegnet wird. Dazu muß man wissen, daß diesen Aufruf gegen rechts ein breites Bündnis unterstützt, in dem sich Gewerkschaften, Verbände, Parteien und Jugendorganisationen gegen die immer brutaler werdende Neonaziszene engagieren.

Wie war die Reaktion auf diesen polizeilichen Übergriff?

Innerhalb weniger Stunden vervielfachte sich die Zahl der Unterstützer auf der Internetseite www.Dresden-nazifrei.de. Mehr als 300 Organisationen haben bereits unterzeichnet und rund 1300 Einzelpersonen, darunter übrigens auch der Bürgermeister von Jena, Albrecht Schröter (SPD), und der Liedermacher Konstantin Wecker. Wir werden so deutlich zeigen, daß antifaschistischer Protest gegen den Nazi-Großaufmarsch in Dresden nicht kriminell ist, sondern bitter notwendig. Diesen Aufmarsch zu blockieren, ist unser Recht und unsere demokratische Pflicht. Wir werden uns weder von der Polizei noch von der Staatsanwaltschaft davon abhalten lassen, zu massenhaften Blockaden mit den Mitteln des zivilen Ungehorsams aufzurufen. In diesem Sinne hatten wir für gestern abend in Berlin organisiert, daß die verbotenen Plakate dennoch verklebt werden. Die Aktion wurde von Bundestagsabgeordneten der Linken, darunter Nicole Gohlke, Cornelia Möller, Dorotheé Menzner, Karin Binder und Andrej Hunko unterstützt. Sie wollten uns beim Plakatieren begleiten.

Sehen Sie diese Polizeiaktion im Zusammenhang damit, daß das CDU-geführte Bundesfamilienministerium am Dienstag verlautbart hat, erstmals Geld für »Projekte gegen linksextremistische und islamistische Projekte« zur Verfügung zu stellen?

Repressionen gegen linke Bewegungen kennen wir schon länger, etwa von den Durchsuchungen im Vorfeld der Proteste gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm. Mit dem neuen Extremismus-Kurs der Bundesregierung droht sich dies weiter zu verschärfen. Die Gleichsetzung von linker Politik mit Rechtsextremismus ist ein Skandal. In Dresden müssen wir seit Jahren erleben, wie Nazis von der Polizei geschützt marschieren dürfen- nun müssen wir sehen, wie der Staat bereits im Vorfeld massiv gegen antifaschistischen Protest vorgeht. Politisch passen die aktuellen Durchsuchungen zum neuen Kurs der Bundesregierung, auch wenn wir nicht nachweisen können, daß es einen direkten Zusammenhang gibt. Aber natürlich prägen solche Beschlüsse das politische Klima in Deutschland.

Die Linke in Hessen hat sich besonders empört: Es sei unerträglich, erklärte sie, daß ausgerechnet nach dem brutalen Überfall von Neonazis auf einen Bus des DGB Nordhessen im vergangenen Jahr in Thüringen nun das Bündnis »Dresden Nazifrei« kriminalisiert wird ...

Ja, das würde ich ähnlich sehen wie Die Linke in Hessen. Bei dieser Gelegenheit hat sich die Polizei nicht gerade sehr eifrig gezeigt - und jetzt, wo umgekehrt Leute gegen die Nazis demonstrieren wollen, wird bereits im vorhinein so ein Aufriß gemacht. Wir schließen daraus vor allem eines: Wir müssen mehr Leute auf die Straße bringen als die Nazis, um zu verhindern, daß sie ihre Präsenz in den Städten zeigen können. Je besser wir das hinkriegen, desto eher werden die Nazis kapieren, daß sie mit ihren rückständigen und gefährlichen Parolen auf der Straße nichts zu suchen haben.
< br> Interview: Gitta Düperthal

**** Aus: junge Welt, 21. Januar 2010


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