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Dresden in Geiselhaft?

Sächsische FDP diffamiert Widerstand gegen rechts. Antifaschisten wollen drohenden Neonaziaufmarsch in Elbmotropole erneut verhindern

Von Markus Bernhardt *

Aller staatlichen Überwachungsmaßnahmen und Repression zum Trotz wollen Antifaschisten einen im kommenden Februar erneut drohenden Aufmarsch von Neonazis in Dresden wieder mit Massenblockaden stoppen. Die Rechten haben angekündigt, auch 2012 anläßlich des Jahrestages der alliierten Bombardierung Dresdens durch die Stadt zu marschieren und die Luftangriffe für ihre Propaganda über einen »Bombenholocaust« zu mißbrauchen.

Am vergangenen Wochenende fand in der Elbmetropole eine erste »Aktivierungskonferenz« des bundesweiten Bündnisses »Nazifrei! – Dresden stellt sich quer« statt. Etwa 250 Teilnehmer diskutierten dort über Strategien zur neuerlichen Verhinderung des Aufmarsches der militanten Rechten. »In der Kampagne 2012 geht es nicht nur darum, den Nazis den Aufmarsch zu nehmen, sondern auch darum, den entgrenzten Verfolgungswahn der sächsischen Behörden in die Schranken zu weisen«, kündigte Henning Obens, Vertreter der Interventionistischen Linken (IL) an.

Bereits im Vorfeld der Konferenz, die an der Technischen Universität in Dresden stattfand, hatte die Bild-Zeitung eine Kampagne gegen einzelne Unterstützer von »Dresden nazifrei!« gestartet und diese als potentielle Gewalttäter und angebliche Linksextremisten verunglimpft (jW berichtete). Die Organisatoren sahen sich daher gezwungen, ein ursprünglich vorgesehenes Blockadetraining auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Einig waren sich die Teilnehmer darin, sich nicht von der sächsischen Polizei und Justiz einschüchtern zu lassen, sondern weiterhin offensiv und spektrenübergreifend zu Blockadeaktionen aufzurufen.

Benjamin Karabinski, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im sächsischen Landtag, feuerte indes direkt nach Ende des Treffens die Hetzkampagne gegen das bundesweite antifaschistische Bündnis weiter an. Die Ankündigung von »Dresden nazifrei!«, legale und ordnungsgemäß angemeldete Versammlungen durch rechtswidrige Blockaden zu verhindern, stelle einen »Aufruf zum Rechts- und letztlich zum Verfassungsbruch« dar, fabulierte der Innenpolitiker. Zudem warf er »den Akteuren, die hinter ›Dresden nazifrei‹ stecken«, vor, »weiter hemmungslos ihren Weg der Eskalation« zu beschreiten. Diese würden offenkundig schon jetzt in Kauf nehmen, daß »die Gewaltexzesse im kommenden Februar die vergangenen noch übertreffen« würden.

Karabinski warf den Nazigegnern zudem vor, »Dresden und die Dresdner in Geiselhaft für ihren ideologische Großkampftag im Februar« nehmen zu wollen. »Unter dem moralischen Deckmäntelchen des Antifaschismus nehmen aber auch Linkspartei, SPD und Grüne billigend in Kauf, daß Dresden zum Tummelplatz und Aufmarschgebiet gewaltbereiter Autonomer aus ganz Deutschland wird. Anders ist ihr gemeinsames Engagement unter anderem mit Extremisten und Spinnern von DKP, MLPD oder Antifa im sogenannten Bündnis ›Dresden nazifrei‹ nicht mehr zu erklären«, giftete der Landtagsabgeordnete in einer Erklärung weiter.

Matthias Langer, Pressesprecher von »Dresden nazifrei!« bezeichnete die Ausfälle des FDP-Abgeordneten am Dienstag im Gespräch mit junge Welt als »absurd«. »Wer wie die FDP in Sachsen für ein Versammlungsgesetz votiert hat, das in diesem Jahr vor Gericht als rechtswidrig kassiert wurde, und damit selbst Rechtsbruch begangen hat, sollte erst gar nicht versuchen, gegenüber anderen den Vorwurf des Rechts- und Verfassungsbruches zu erheben«. Außerdem sei es »absolut unverständlich«, wieso die FDP Gewattaten herbeihalluziniere und damit im Endeffekt auch herbeirede, obwohl dies nirgendwo ein Thema sei, da man sich auf einen gemeinsamen Aktionskonsens geeinigt habe, kritisierte Langer weiter.

www.dresden-nazifrei.com

* Aus: junge Welt, 12. Oktober 2011


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