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"Lagertrennung"

Antifaschistischer Gedenkrundgang in Dresdens Altstadt wegen Nazi-Fackelmarsch verboten. Massenblockaden weiterhin für 19. Februar geplant

Von Claudia Wangerin *

Am 19. Februar wollen Antifaschisten aus dem gesamten Bundesgebiet in Dresden die Großveranstaltung »Recht auf Gedenken« blockieren, mit der Neonazis der »Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland« (JLO) die Opfer der Bombardierung der Stadt am Ende des Zweiten Weltkrieges für ihre Zwecke zu instrumentalisieren versuchen. Doch der Stadt liegt viel am »Gebot der Lagertrennung«: Mit dieser Begründung hat das Ordnungsamt im Vorfeld der geplanten Massenblockaden dem Bündnis »Dresden Nazifrei« einen für Sonntag, den 13. Februar geplanten Gedenkrundgang in der Dresdner Altstadt verboten und in die Neustadt verlegt. Die Neonazis wollen am selben Tag einen Fackelmarsch in der Altstadt durchführen, für den regional mobilisiert wird. Nach Einschätzung des Bündnisses soll »jeglicher Protest in Hör- und Sichtweite gegen den Neonazi-Fackelmarsch verboten werden«. Dies sei während des sogenannten Kooperationsgesprächs deutlich geworden, bei dem Anmelder von Veranstaltungen, Polizei und Ordnungsamt über eventuelle Auflagen verhandeln.

Der Rundgang »Täterspuren«, zu dem die Organisatoren weiterhin aufrufen, da sie auf ein Einlenken der Stadt hoffen, soll um 11 Uhr am Comeniusplatz beginnen und zu mehreren Wohnorten und Wirkungsstätten von Nazi-Größen führen. Zeitzeugen und Schauspieler des Staatsschauspiels sollen vor den einzelnen Stationen Beiträge verlesen und aus ihrer Erinnerung erzählen.

Durch eine räumliche Verlegung in die Neustadt gehe der historische Kontext und der lokale Bezug des Rundganges völlig verloren, erklärte der Pressesprecher von »Dresden Nazifrei«, Stefan Thiele, am Montag der Zeitung Dresdner Neueste Nachrichten und kündigte rechtliche Schritte gegen das Verbot an. »Für uns zeigt sich wieder einmal die absurde Politik der Stadt Dresden im Umgang mit Neonazis: Während sie marschieren sollen dürfen und geschichtsrevisionistische Parolen zur Schau stellen, wird antifaschistisches Engagement verboten«, erklärte das Bündnis.

Planmäßig soll der Rundgang »Täterspuren« um 13:30 Uhr enden. Der »Trauermarsch« der Neonazis soll dagegen nach JLO-Angaben um 15 Uhr am Hauptbahnhof beginnen, würde also nicht durch den Gedenkrundgang behindert. Erst eine halbe Stunde nach dessen Beendigung soll die Aktion »Nicht lange fackeln« beginnen: »Ab 14:00 Uhr rufen wir alle Dresdener und Dresdnerinnen dazu auf, sich gemeinsam den Nazis in den Weg zu stellen«, heißt es auf der Internetseite des Bündnisses »Dresden Nazifrei«.

Zum Fackelmarsch am 13. Februar werden rund 1500 Neonazis aus der Region erwartet. Klarer Schwerpunkt der bundesweiten Mobilisierung antifaschistischer Gruppen bleibt jedoch der 19. Februar. Für diesen Tag sind laut JLO »von mehreren patriotischen Organisationen voneinander unabhängige Veranstaltungen im Innenstadtbereich von Dresden angemeldet«.

Nach den erfolgreichen Massenblockaden im Jahr 2010 wollen die Neonazis offenbar größtmögliche Verwirrung stiften, um die Gegenmobilisierung zu spalten und »das ’Recht auf Gedenken und Versammlungsfreiheit’ durch eine neue Veranstaltungsstrategie auch politisch geltend zu machen«, heißt es auf ihrer »offiziellen Seite zum Trauermarsch«. Für den 13. Februar sprechen sie daher »hauptsächlich regionale Gruppen aus dem mitteldeutschen Raum an. Wer die Anreise aus weiter entfernten Regionen nicht scheut, ist natürlich ebenso herzlich eingeladen.«

Antifaschistische Gruppen gehen weiter davon aus, daß der eigentliche Großaufmarsch am 19. Februar stattfinden soll. Auch in den vergangenen Jahren führten die Neonazis jeweils am Abend des 13. Februar Fackelmärsche durch, wenn dieser auf einen Wochentag fiel – und mobilisierten zusätzlich bundesweit für das jeweils nächste Wochenende.

* Aus: junge Welt, 9. Februar 2011


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