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Friedensbewegung nach Dresden

Aufmarsch der Nazis verhindern - Blockieren ist ein Menschenrecht

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag

Kassel/Dresden, 16. Februar 2011 - Zu den bevorstehenden Protesten gegen den Aufmarsch der Nazis am kommenden Samstag (19. Feb.) in Dresden erklärte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag:

Es bleibt für uns eine unerträgliche Situation, dass den Alt- und Neonazis erlaubt wird, das Gedenken an die Toten der Bombenangriffe von Dresden 1945 für ihre geschichtsrevisionistischen "Botschaften" zu missbrauchen. Es ist für uns unerträglich, dass sächsische Gerichte die Polizei auffordern, den Nazi-Aufmarsch dieses Mal besser zu schützen um den Geschichtsleugnern den Weg für ihren gruseligen Umzug frei zu kämpfen. Und es war unerträglich, dass am vergangenen Wochenende ein erster "Gedenk"-Marsch der Nazis genehmigt, ein antifaschistischer Stadtrundgang in der Dresdener Altstadt indessen verboten wurde.

Wer heute der deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs (der Gefallenen und bei der Offensive der Alliierten getöteten Zivilpersonen) und der kriegsbedingten Umsiedlung von Millionen Menschen gedenkt, muss die deutsche Verantwortung dafür und die deutsche Täterschaft benennen. Wir wollen nur an drei Wahrheiten erinnern:
  1. Das Unglück des Zweiten Weltkriegs begann nicht erst mit den Angriffen der Antihitlerkoalition auf Ziele in Deutschland. Es begann am 1. September 1939 mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen, setzte sich fort mit dem Feldzug im Westen und den Luftangriffen gegen Städte in Großbritannien (z.B. Coventry) und fand seinen Höhepunkt im Angriff auf die Sowjetunion 1941 und den Vernichtungskrieg im Osten. Allein in der Sowjetunion starben 20 Millionen Menschen. Während des Krieges wurden sechs Millionen Juden in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern von Auschwitz, Treblinka, Buchenwald, Sachsenhausen, Dachau, Majdanek u.a. systematisch ermordet - das größte Verbrechen, das die Menschheit bisher gesehen hat.
  2. Zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs gehört die Machtübernahme Hitlers und der NSDAP am 30. Januar 1933. Innerhalb weniger Monate wurden die freien Gewerkschaften, alle oppositionellen Parteien verboten, Kommunisten, Sozialdemokraten, antifaschistisch und liberal gesinnte Demokraten aller Couleur verfolgt und ein autoritäres, verbrecherisches und aggressives Regime errichtet, das sich anschickte, nach der Wiedereingliederung des Saarlands, des „Anschlusses“ Österreichs und der Einverleibung des „Protektorats“ Böhmen und Mähren die „Kornkammern“ Osteuropas zu erobern, die slawischen „Untermenschen“ zu versklaven und ein „tausendjähriges“ Weltreich zu errichten.
  3. Dass sich dagegen die Völker Europas und der Welt zur Wehr setzten und dass schließlich die Anti-Hitler-Koalition Nazi-Deutschland in einem verlustreichen Krieg niederrang, war ein Akt der Selbstverteidigung. Der Anti-Hitler-Koalition haben wir die Befreiung der noch überlebenden Häftlinge des KZ Auschwitz (27. Januar 1945) zu verdanken, ihr haben wir schließlich – am 8. Mai 1945 - die endgültige Befreiung Deutschlands von dem terroristischen Nazi-System zu verdanken.
Vor einem Jahr war es einem breiten demokratisch-antifaschistischen Bündnis gelungen, den Aufmarsch der Rechten zu stoppen. Neofaschisten mobilisieren europaweit, diese "Schmach" wieder auszuwetzen und wollen Dresden am Samstag wieder ihren braunen Stempel aufdrücken. Dem wollen wir uns entgegen stellen.

Die Friedensbewegung ist bekannt für ihre Gewaltlosigkeit. Sich den alten und neuen Nazis in den Weg zu stellen, ist ein Akt präventiven Selbstschutzes, weil es den Aufmarsch der organisierten Nazi-Gewalt verhindern will. Eigentlich wäre das die Aufgabe der staatlichen Organe. Vor einem Jahr, am 13. Februar 2010, war es den Demokraten gelungen, den Naziaufmarsch zu verhindern. Auch diesmal stellen wir uns quer.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag hat in einem Appell an die Friedensbewegung dazu aufgerufen, am 19. Februar nach Dresden zu kommen und sich dem Aufmarsch der Rechtsradikalen entschlossen entgegen zu stellen. (Den Aufruf "Nie wieder Faschismus - Nie wieder Krieg!" können Sie hier herunterladen: [pdf-Datei].)

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)


Aufruf des Auschwitz-Komitees zum Februar 2011 in Dresden

Wir, die letzten Zeugen des faschistischen Terrors, rufen auf: [...]
Aus der Erfahrung unseres Lebens sagen wir: Nie mehr schweigen, wegsehen, wie und wo auch immer Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit hervortreten! Erinnern heißt handeln!

(Esther Bejarano, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees)

Vor der Bombardierung war Auschwitz

Das war den mehr als zwölftausend Menschen im Februar 2010 bewusst, die durch Blockaden das Trauermarsch-Ritual der Neonazis in Dresden verhindert haben. Erstmalig nach Jahren des bereits von der Nazipropaganda kultivierten Dresden-Mythos, des "sinnlosen Angriffs alliierter Bomber auf eine unschuldige Kulturstadt". Auch in diesem Jahr rufen wir wieder auf: Fahrt nach Dresden. Unterstützt die Menschen, die dem Aufruf der Bündnisse no pasarán und Dresden nazifrei! folgen und sich auf den Weg machen, um diesen unsäglichen Aufmarsch zu stoppen. Setzt euch auf die Straßen. Blockiert die Wege. Macht das so breit und entschlossen und massenhaft, dass dieser Neonazi-Aufmarsch Geschichte wird. Endgültig.

Solidarisch und gemeinsam Alt- und Neonazis am 19. Februar 2011 in Dresden stoppen.

Erinnern heißt handeln!

Notfalls auch mit Mitteln des zivilen Ungehorsams.

Auschwitz darf sich nie mehr wiederholen – das ist unsere Verpflichtung für die Zukunft.

Und die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin Merkel fordern wir wiederum auf: Verbieten Sie endlich nach Artikel 139 Grundgesetz und entsprechend dem Potsdamer Abkommen alle faschistischen Nachfolgeorganisationen, ihre Schriften, ihre Embleme, ihre Aktivitäten! Das sind wir den Millionen Opfern der faschistischen Verbrechen schuldig.

Kontakt: AuschwitzKomitee@t-online.de


"Dresden – Nazifrei!"

Der VVN – BdA e.V. Sachsen und die Ceský Svaz Bojovniku za Svobodu (Tschechische Gemeinschaft der Kämpfer für die Freiheit) verbreiteten am Mittwoch (16. Feb.) eine gemeinsame Erklärung deutscher und tschechischer Widerstandskämpfer gegen den geplanten Neonaziaufmarsch am 19. Februar in Dresden:

Mit großer Sorge verfolgen wir das Wiedererstarken des Rechtsradikalismus und insbesondere des Neofaschismus in Deutschland. Es ist besorgniserregend, daß Neonazis offen und vielfältig ihre menschenverachtenden Ideen und Auffassungen unter dem Mantel der Demokratie zur Schau stellen können, während Antifaschisten, die sich diesem braunen Spuk in den Weg stellen, kriminalisiert werden.

Daß dabei das Gedenken an die barbarischen Bombenangriffe vom 13. Februar 1945 auf Dresden mißbraucht wird, macht uns besonders nachdenklich. Dafür sind Millionen Kameraden nicht in den faschistischen Konzentrationslagern in den Tod gegangen, haben unzählige Widerstandskämpfer während der braunen Barbarei nicht Folter und Torturen überstanden, ohne ihren Glauben an Demokratie und Menschlichkeit, an eine bessere Zukunft, ein friedliches Miteinander, zu verlieren!

Getreu dem Schwur unserer Kameraden von Buchenwald werden wir nicht eher ruhen, bis der Faschismus mit seinen Wurzeln ausgerottet und eine neue Welt des Friedens und der Freiheit errichtet ist. Wir rufen deshalb alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, sich den Neonazis in Dresden entschlossen entgegenzustellen.

Verhindert mit allen demokratisch legitimierten Mitteln den Naziaufmarsch am 19. Februar 2011 durch Dresden! Dresden soll nazifrei werden! Protest ist das Gebot der Stunde. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

Prof. Hans Lauter (Ehrenvorsitzender der VVN-BdA, Zuchthaus, Moorsoldat), Andela Dvoráková (Präsidentin CSBS), Frido Seydewitz (Ehrenvorsitzender des VVN-BdA Sachsen, Emigration, GULAG), Libuse Nachtmannová (Überlebende KZ Ravensbrück), Ruth Burse (Überlebende KZ Theresienstadt), Vojmir Srdecny (Überlebender KZ Sachsenhausen), Justin Sonder (Überlebender KZ Auschwitz), Antonín Hnilicka (Überlebender KZ Mauthausen)

** Quelle: junge Welt, 17. Februar 2011




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