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Tierpark Augsburg: Ein afrikanisches Dorf zwischen Affen und Zebras

"Vier Tage lang afrikanische Kultur, Kunsthandwerk, Kulinarisches" oder eine Beleidigung der Würde schwarzer Menschen?

Im Folgenden berichten wir über einen heiklen Vorgang in Augsburg: Dort möchte die Zoodirektorin ein "African Village" errichten und mit einer Afrikaschau - direkt neben dem Paviangehege - vier Tage lang den Zoobesuchern afrikanische Kultur vermitteln. Dies sei kein geeigneter Beitrag zur Völkerverständigung, befinden dagegen die schwarze deutsche Gemeinschaft sowie andere antirassistische Gruppen.
Wir dokumentieren einen Zeitungsartikel, in dem der Vorgang dargestellt ist, und zwei kritische Stellungnahmen.



Direkt neben den Pavianen*

Eine Afrika-Ausstellung im Augsburger Zoo sorgt für Streit

Von Nils Floreck


Der Augsburger Tierpark will für vier Tage zwischen Affen und Zebras ein afrikanisches Dorf errichten. Die Vorwürfe von Kritikern weisen der Zoo und die beteiligten Künstler zurück.

Ausgerechnet neben dem Paviangehege soll im Augsburger Zoo ein »African Village« errichtet werden. »Vier Tage lang afrikanische Kultur, Kunsthandwerk, Kulinarisches« – mit diesen Worten wirbt der Zoo für sein Projekt. Vom 9. bis 12. Juni soll afrikanische Lebensweise vorgestellt werden. Zoodirektorin Barbara Jantschke findet daran nichts Ungewöhnliches. Sie denkt, »dass der Augsburger Zoo genau der richtige Ort ist, um auch die Atmosphäre von Exotik zu vermitteln«.

Das sehen Organisationen wie die »Initiative Schwarze Menschen in Deutschland« (ISD) und ADEFRA e.V. (»Schwarze deutsche Frauen und Schwarze Frauen in Deutschland«) völlig anders. Sie erheben schwere Vorwürfe gegen den Zoo. Wenn schwarze Menschen als exotische Objekte in trauter Einheit mit der Tierwelt betrachtet werden können, sei das kaum als gleichberechtigte kulturelle Begegnung zu verstehen. Die gesamte Herangehensweise der Veranstalter spreche von einer erschreckend ungebrochenen Verdrängung historischer Kontinuitäten. Im ahistorisch situierten Kontext des Zoos würden in geschmackloser Art die Kolonial- und NS-Opfer verhöhnt. Kritik an dem Projekt übt auch die Initiative Kirche von unten. Für Toleranz und Völkerverständigung sei ein Zoo kein geeigneter Ort, so IKvu-Sprecherin Verena Mosen. In einen Tierpark kämen Menschen, um sich Tiere anzuschauen. Die Afrikaner seien also eher Objekte als Subjekte. Zur Förderung der Völkerverständigung sei ein interkultureller Ansatz notwendig.

Die Berliner Historikerin Nicola Lauré al-Samarai kritisiert, die Veranstalter missachteten die historische Dimension. »Es handelt sich um eine in konzeptioneller wie praktischer Hinsicht direkt in der Tradition der Völkerschauen stehende Veranstaltung.« Nach Erkenntnissen der Ethnologin Hilke Thode-Arora gab es in Deutschland zwischen 1870 und 1940 mehrere hundert »Völkerschauen« als Show-Veranstaltungen. Fast alle Veranstalter organisierten Extravorführungen für Wissenschaftler, die anthropologische Messungen durchführten. In den Völkerschauen der 20er und 30er Jahre traten auch Schwarze auf und zeigten dem Publikum »afrikanisches Leben«, das sie selbst nie erlebt hatten.

Diese Kritik weist Robert Vogl, Integrationsbeauftragter der Stadt Augsburg, zurück. Die Darstellung sei weit entfernt von den früheren Völkerschauen. Es gehe nicht um eine Zurschaustellung. Beteiligt sei u.a. der Augsburger Togo-Verein, der für ein Projekt wirbt, das in Zusammenarbeit mit einer togoischen Hilfsorganisation obdachlosen jungen Müttern und Kindern ein Haus als Anlaufstelle errichten soll. Auch die an dem »African Village« beteiligten Künstler können mit der Kritik nichts anfangen.

Die Kritiker fordern trotz allem, für das »African Village« einen anderen Ort zu wählen. Sollten die Veranstalter an dem Veranstaltungsort Zoo festhalten, wollen sie zu Aktionen vor Ort aufrufen.

Protestschreiben können gerichtet werden an: Zoo Augsburg, Direktorin Dr. Barbara Jantschke, Brehmplatz 1, 86161 Augsburg. Fax: 0821/567149-13, Email: barbara.jantschke@zoo-augsburg.de

* Aus: Neues Deutschland, 2. Juni 2005


Aufruf zur Wahrung der Menschenwürde

Aus guten Gründen hat die schwarze deutsche Gemeinschaft zum Protest gegen das Vorhaben des Augsburger Zoos aufgerufen, vom 9. – 12. Juni 2005 zwischen den Tiergehegen ein AFRICAN VILLAGE aufzustellen.

In Anbetracht der deutschen Kolonialgeschichte, des Genozids an den Herero und der nationalsozialistischen Verbrechen sind Völkerschauen grundsätzlich ungeeignet, gleichberechtigte Kulturkontakte herzustellen. Auch in unseren Augen stellt das geplante Projekt eine Beleidigung der Würde schwarzer Menschen dar.

Den Augsburger Zoo und das Conti-Reise-Unternehmen zu vermarkten ist legitim. Hierfür koloniale und exotische Bildwelten in Anspruch zu nehmen, ist zynisch. Die selbstgefällige Absicht der Veranstalter, der Völkerverständigung durch die Schaustellung schwarzer Menschen im Zoo zu dienen, erscheint uns weder zeitgemäß noch glaubhaft. Wir finden das Vorhaben geist- und gefühllos. Allenfalls lanciert es die stupide Arroganz weißer Menschen. Schlimmstenfalls, so geben wir zu bedenken, provoziert es mittelbar Übergriffe, wie es sie in Deutschland seit dem Mord an Amadeu Antonio im Jahre 1990 immer wieder gegeben hat. Denn Rassisten nehmen schwarze Menschen nicht als solche wahr. Darauf beruht ihr Mangel an Unrechtsbewusstsein.

Wir schließen uns dem Protestaufruf von Peggy Piesche, Nicola Lauré al-Samarai, Tahir Della (Vorstand ISD-Bund e.V.) und Jasmin Eding (Vorstand ADEFRA e.V.) an und fordern ebenfalls die Absage der Veranstaltung im Augsburger Zoo.

Wenn Sie den Aufruf zur Wahrung der Menschenwürde unterzeichnen wollen, senden Sie bitte umgehend, spätestens aber bis zum 4. Juni 2005 eine E-Mail mit dem Vermerk “Menschenwürde” und Ihrem Namen an: info@mbr-berlin.de

Vielen Dank!

Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin(MBR); www.mbr-berlin.de
[(Die MBR ist ein Projekt des Vereins für Demokratische Kultur in Berlin e.V.(VDK)]


Afrikaner im Zoo / Wir protestieren!

Für vier Tage entsteht im Augsburger Tierpark ein afrikanisches Dorf. Um eine einmalige afrikanische Steppenlandschaft gruppieren sich Kunsthandwerker, Silberschmiede, Korbflechter, Zöpfchenflechter. Im Park duftet es nach Spezialitäten vom afrikanischen Kontinent. Informationen über die vielfältige afrikanische Kultur und Natur sowie Reisetipps der Fachleute wecken die Reiselust . . . (Veranstaltungshinweis) Sie können sicher sein, dass es sich nicht um einen Planungsfehler handelt ... ich denke, dass der Augsburger Zoo genau der richtige Ort ist, um auch die Atmosphäre von Exotik zu vermitteln. (aus einem Antwortschreiben der Zoodirektorin Barbara Jantschke)

Mit ausgesprochenem Befremden hat die Schwarze deutsche Gemeinschaft zur Kenntnis genommen, dass vom 9.-12. Juni im Augsburger Zoo eine Art afrikanisches Dorf entstehen soll. "Um eine einmalige afrikanische Steppenlandschaft gruppieren sich Kunsthandwerker, Silberschmiede, Korbflechter, Zöpfchenflechter" - so ein Auszug aus dem Werbetext der VeranstalterInnen. Dass es sich dabei um eine in konzeptioneller wie praktischer Hinsicht direkt in der Tradition der Völkerschauen stehende Veranstaltung handelt, wird aus dem Antwortbrief von Frau Dr. Barbara Jantschke (Zoo Augsburg) ersichtlich, der als Reaktion auf die durchaus berechtigte und besorgte Nachfrage eines schwarzen Schweizer Bürgers verschickt wurde. Demnach handelt es sich beim Augsburger Zoo um den "genau . . . richtige(n) Ort . . ., um auch die Atmosphäre von Exotik zu vermitteln."

Ganz offensichtlich scheinen sich den VeranstalterInnen die historischen Dimensionen ihres Projektes nicht zu erschließen, was vor dem Hintergrund der mittlerweile auch in Deutschland öffentlich stattfindenden Diskussionen zu Implikationen und Folgen der deutschen Kolonialherrschaft auf eine erstaunliche Resistenz verweist. Die Reproduktion kolonialer Blick-Verhältnisse, in denen Schwarze Menschen als exotische Objekte, als Un- oder Untermenschen in trauter Einheit mit der Tierwelt in einer offenbar zeitlosen Dörflichkeit betrachtet werden können und den Mehrheitsdeutschen als Inspiration für künftige touristische Reiseziele dienen, ist wohl kaum als gleichberechtigte kulturelle Begegnung zu verstehen. Abgesehen davon, dass der afrikanische Kontinent nicht nur aus "Savanne" und "Dorf" besteht und sich nicht unter einem singulären Kulturbegriff ("African Village") subsumieren lässt, spricht die gesamte Herangehensweise der VeranstalterInnen von einer erschreckend ungebrochenen Verdrängung historischer Kontinuitäten, mit der die Aneignung und Einverleibung vermeintlich exotischer Orte und Menschen immer wieder neu begründet werden kann.

Wir möchten die VeranstalterInnen daran erinnern, dass in der Geschichte der Völkerschauen nicht nur rassenanthropologische Untersuchungen an den DarstellerInnen vorgenommen worden sind, sondern dass viele von ihnen in Folge der schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen starben.

Wir weisen darüber hinaus mit Nachdruck darauf hin, dass Schwarze Deutsche auch während des Nationalsozialismus, nämlich von der Zwischenkriegszeit bis in die vierziger Jahre, dazu gezwungen waren, in Völkerschauen aufzutreten, weil ihnen andere professionelle Sphären verschlossen wurden.

Viele Schwarze Menschen kamen im Zuge der rassistisch begründeten Herabwürdigung und juristisch legalisierten Verfolgung während des Nationalsozialismus ums Leben.

Im ahistorisch situierten Kontext des Augsburger Zoos werden in geschmackloser Art also nicht nur die (Überlebens)-Geschichten Schwarzer Kolonial- und NS-Opfer verhöhnt, sondern es ist darüber hinaus zu fragen, an wen sich der von den VeranstalterInnen explizit artikulierte unbekümmerte Anspruch, "die Toleranz und Völkerverständigung (zu) fördern", eigentlich richten kann.

Die AdressatInnen sind ganz sicher nicht Schwarze deutsche Menschen oder solche mit Migrationshintergrund. Wie wäre es ansonsten zum Beispiel mit einer - unserer Ansicht nach typisch deutschen - Kulisse des Rotwild- oder Wildschweingeheges, vor der bayerische BergdörflerInnen zu bestaunen und uns mit ihrer Handwerkskunst und ihren kulinarischen Spezialitäten auch gleich die touristischen Weiten deutscher Landstriche authentisch vor Augen führen?

AdressatInnen sind sicherlich auch nicht die vielen weißen Menschen in diesem Land, die sich um ein gleichberechtigtes Miteinander, um Offenheit und Respekt und um Überwindung der geschichtlich bedingten Grenzen in den Köpfen und einer damit einhergehenden Ignoranz bemühen.

Es ist an der Zeit, sowohl Deutschlands mehrere Jahrhunderte andauernde Verstrickung in die koloniale Geschichte als historische Tatsache anzuerkennen und sich damit auseinanderzusetzen als auch mit der geschichtslosen und folkloristischen Darstellung und Behandlung von Menschen afrikanischer Herkunft in diesem Land zu brechen.

Eine kolonialrassistische Zur-Schau-Stellung im Zoo wird keinem Menschen gerecht!

Wir protestieren ausdrücklich gegen ein "Afrikanisches Dorf / African Village" im Zoo!
Wir fordern von den Verantwortlichen, dass sie von ihrem Vorhaben Abstand nehmen und für ihre geplante Veranstaltung einen anderen Ort wählen.

Natürlich richtet sich unser Protest nicht gegen Afrika- Festivals grundsätzlich, sondern dagegen, dass Menschen im Zoo zur Schau gestellt werden.

In der Vergangenheit ging Europa derart menschenverachtend mit afrikanischen und auch mit asiatischen Menschen um, in der Gegenwart hat eine solche Praxis keinen Platz.

Sollten die Veranstalter an dem Veranstaltungsort Zoo festhalten, werden wir zu Aktionen dagegen aufrufen und unsere Sichtweise den BesucherInnen der Veranstaltung deutlich machen.

Die Schwarze deutsche Community ruft zu Protesten gegen die Veranstaltung "African Village" im Augsburger Zoo auf. Wir rufen dazu auf, jetzt und in Zukunft mit kolonialrassistischen Traditionen zu brechen!

Ihren Protest richten Sie bitte direkt an die VeranstalterInnen Frau Dr. Barbara Jantschke (Direktorin Zoo Augsburg) barbara.jantschke@zoo-augsburg.de
und an die Agentur, die für Projektidee und -umsetzung verantwortlich ist: info@maxvita.de.

Bitte senden Sie uns eine Kopie Ihres Protestschreibens oder lassen Sie uns von anderen Protestaktionen wissen.

Mit freundlichen Grüßen
Peggy Piesche (Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Black European Studies Johannes-Gutenberg-Universität Mainz)
Nicola Lauré al-Samarai (Historikerin, TU Berlin)
Tahir Della (Vorstand ISD-Bund e.V./ München)
Jasmin Eding (Vorstand ADEFRA e.V./ München)


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