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Krieg ist ihr Beruf

Elitär, flexibel, mörderisch: Die Söldner von Blackwater sind die Prätorianergarde des US-Kapitals. Im Irak entlasten sie Washingtons Besatzungstruppen

Von Sebastian Gerhardt *

Nach neuen irakischen Angaben hat die Blackwater-Eskorte eines Diplomatenkonvois in Bagdad am 16. September 17 Zivilisten erschossen. Die öffentliche Kritik an der Privatarmee reißt nicht mehr ab. Am Dienstag dieser Woche hatte der Kontrollausschuß des US-Repräsentantenhauses zu einem öffentlichen Hearing eingeladen. Die Republikaner verteidigten die Notwendigkeit privater Sicherheitsfirmen und lobten deren mutigen und erfolgreichen Einsatz. Die Demokraten kritisierten die fehlende öffentliche Kontrolle und die hohen Kosten. Sie sahen zudem durch die Zahl der irakischen Opfer von Blackwater-Mitarbeitern das Ansehen der USA und ihre Mission im Lande gefährdet. Die Zeugen zogen sich aus der Affäre. Sinn und Zweck des Krieges und die zivilen Opfer des US-Militärs standen nicht zur Debatte.

Eine Woche zuvor hatte das irakische Innenministerium den Entwurf eines Gesetzes vorgelegt, das die Tätigkeit ausländischer Sicherheitsfirmen im Land unter nationale Kontrolle stellen soll. Die »Order 17« soll außer Kraft gesetzt werden, mit welcher der Chef der US-amerikanischen Besatzungsverwaltung, Paul L. Bremer, am 27. Juni 2004, kurz vor der Übergabe der sogenannten Souveränität an die irakische »Regierung« die Unantastbarkeit ausländischer Firmen durch die irakische Justiz festgeschrieben hatte. Mitarbeiter von Blackwater hatten ihn während seiner Amtszeit bewacht. Nur deshalb konnte der verhaßteste US-Amerikaner am 28. Juni 2004 das Land gesund und munter verlassen.

US-Botschaft bewacht

Bis heute liegt die Sicherung der US-Botschaft in Bagdad in den Händen von Blackwater. Die Firma genießt weiterhin hohes Ansehen. Mit welchen Mitteln die Söldner vorgehen, interessierte die Auftraggeber bisher kaum. Proteste von irakischer Seite angesichts von offensichtlich unschuldigen Toten und Verletzten wurden ignoriert. Zwar wurden in den USA Verfahren wegen unrechtmäßiger Tötung eingeleitet. Sie beruhen aber sämtlich auf dem Vorwurf, daß Blackwater unzureichend für die Sicherheit der eigenen Angestellten sowie von Passagieren der firmeneigenen Flugzeugstaffel gesorgt habe. Auch gegenüber solchen Klagen beansprucht die private Firma allerdings Immunität: Sie handele im Auftrag des Verteidigungs- bzw. Außenministeriums, letztlich also des US-Präsidenten als des Obersten Befehlshabers. In dessen Zuständigkeiten hätten Gerichte sich nicht einzumischen. Was aber die irakischen Opfer betrifft, so hat sich in den USA noch kein Gericht um die Zuständigkeit für die Verfolgung ihrer Mörder bemüht.

Seit aber die Blackwater-Eskorte eines Diplomatenkonvois in Bagdad am 16. September Zivilisten erschoß, reißt die öffentliche Kritik an der Privatarmee nicht mehr ab. Das liegt nicht allein an der in diesem Falle besonders hohen Zahl von Toten, sondern ergibt sich aus der veränderten politischen Situation in den USA: Die Administration von George W. Bush besitzt seit dem letzten Herbst keine Mehrheit mehr im US-Repräsentantenhaus. Eine Reihe von Anhörungen im ersten Halbjahr hat die Irak-Politik, gerade auch die Aktivitäten privater Firmen, zum Thema gemacht. Und schließlich liegt seit dem Frühjahr das Buch von Jeremy Scahill vor, in dem der Journalist für das linksliberale »Nation Institute« ausführlich und mit nachvollziehbaren Quellen den »Aufstieg der weltweit mächtigsten Söldnerarmee« schildert. (Blackwater. The rise of the most powerfull mercenary army. New York, 2007)

Bei der Gründung von Blackwater Mitte der neunziger Jahre ging es noch nicht um die Schaffung einer Söldnerarmee für weltweite Einsätze, sondern zunächst um Outsourcing, konkret den Bau und den Betrieb eines privaten Trainingsfeldes für militärische und polizeiliche Spezialeinheiten in Moyhock, North Carolina. Von Anfang an war aber mehr geplant. Der junge Firmengründer Erik Prince hatte nicht nur aus seiner Zeit als Navy-SEAL beste Kontakte zu Ausbildern und alten Kameraden mitgebracht. Erik Prince hatte von seinem Vater auch ein riesiges Vermögen und eine herausgehobene Position in der elitären, religiösen Rechten der USA geerbt. Und diese religiöse Rechte fühlte sich unter der Präsidentschaft des populären William Clinton geradezu als verfolgte Minderheit, die alle Mittel für die Rückkehr in das Weiße Haus einzusetzen bereit war: Nichtverabschiedung des Staatshaushaltes, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten – nur geschossen wurde nicht.

Gute Beziehungen

Mit dem Amtsantritt des mehrheitlich »nicht gewählten« Präsidenten George W. Bush verbesserten sich die Beziehungen von Blackwater zur Regierung in Washington schlagartig. Die Firma war für das Programm von Privatisierungen und Deregulierung der Neokonservativen wie geschaffen. Der Boom des Sicherheitsgewerbes nach dem 11.September 2001, die ersten Auslandseinsätze mit eigenen Söldnern in Afghanistan bereiteten nur die umfangreichen Aufträge vor, mit denen Blackwater in das Besatzungsregime im Irak einsteigen sollte. Heute kommt auf einen US-Soldaten im Irak ein Mitarbeiter privater Firmen im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums. Davon sind ein Viertel, etwa 30000 Mann, private Söldner allein im öffentlichen Auftrag. Wie viele Söldner überdies von privaten Firmen gemietet werden, weiß niemand. Blackwater ist mit 1000 bis 1500 Mann dabei. Die sind auch den irakischen Kollaborateuren so wichtig, daß anfängliche Drohungen, man wolle der Firma die Lizenz entziehen, rasch relativiert worden sind.

Doch nicht nur in Übersee mögen die US-Regierung und das Kapital die privaten Söldner nicht missen. Noch bevor die zivilen Hilfsmaßnahmen für die Hurrikan-Opfer in New Orleans anliefen, war Blackwater wie andere Firmen schon mit schwerbewaffneten Männern vor Ort: Eigentum mußte geschützt und die Armen der Stadt, die Schwarzen, sollten unter Kontrolle gehalten und abgeschoben werden. Für diese ethnische »Säuberung« brachten die Söldner von ihren Auslandseinsätzen die nötigen Erfahrungen und das nötige Verständnis mit.

* Aus: junge Welt, 4. Oktober 2007

Ergänzung, kein Ersatz. Private Firmen im Irak-Krieg *

Mit der Berichterstattung über den tödlichen Blackwater-Einsatz am 16.September gelangen schrittweise genauere Nachrichten über die Irak-Präsenz privater Militärunternehmen in eine breitere Öffentlichkeit. Schon Anfang dieses Jahres hatte das Committee on Oversight and Government Reform des US-Repräsentantenhauses unter dem Demokraten Henry A. Waxman (Kalifornien) eine Untersuchung der Blackwater-Aktivitäten im Irak begonnen, sich aber immer wieder über Behinderungen durch die Regierung von US-Präsident ­George W. Bush und das Unternehmen beschweren müssen. Blackwater ist Marktführer im Hochpreissegment, in dem fast ausschließlich US-Bürger eingesetzt sind. Andere »Sicherheitsfirmen« arbeiten mit billigeren Fremdenlegionären aus Lateinamerika und asiatischen Ländern. Das Unternehmen hat gerade erst einen neuen Vertrag mit dem US-Außenministerium über Hubschraubereinsätze abgeschlossen. Es setzt mit 850 Söldnern die Mehrheit seiner Beschäftigten im Irak für die Sicherheit von US-Diplomaten ein und rangiert in diesem Feld deutlich vor den Konkurrenten Triple Canopy und DynCorp mit ca. 250 bzw. 160 Mann.

Beim Einstieg ins Geschäft hat Blackwater aber auch ganz andere Verträge angenommen. Die vier Söld­ner, die am 31. März 2004 in Falludscha getötet wurden, eskortierten einen Transport von Küchengerät für das US-Militär. Ihr Tod war die Legitimation für die mehrfache Belagerung der Stadt am Euphrat – und für die Untersuchungen gegen die Führung von Blackwater wegen deren Verantwortung für die Angestellten. Als profitorientiertes Unternehmen spart die Firma selbstverständlich gern an Kosten für teure Panzerfahrzeuge und schickt ihre Profis lieber mit normalen Jeeps in den Krieg.

Nicht nur deshalb können die privaten Sicherheitsfirmen das US-Militär nur ergänzen, nicht ersetzen. Denn auch die teure Ausbildung zu einem qualifizierten Killer sparen sich die Unternehmen: Sie werben gezielt ehemalige Soldaten der Spezialeinheiten von Militär und Polizei. (sg)


Soldaten dringend gesucht

Der US-Army fehlt es an Freiwilligen für den Kolonialkrieg im Irak

Von Sebastian Gerhardt *


Als dieser Tage der Senator John McCain (Arizona) seine Erfahrungen als Pilot im Vietnamkrieg als Beweis für seine besonderen Führungsqualitäten im Wettrennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bemühte, reagierte im Newsblog von ABC ein Veteran aus den Landstreitkräften, der Army: »Er hat nicht genug vom Chaos am Boden gesehen, um zu wissen, worum es im Vietnamkrieg überhaupt ging. Er hat nicht genug Kriegserfahrung, um den Unterschied zwischen einem gerechten Kriegseinsatz (z.B. im Zweiten Weltkrieg) und einem schlechten Krieg (z.B. in Vietnam und/oder Irak) zu benennen, noch weniger, um unser Land im Krieg zu führen.« Ein weiterer Blogger stimmte zu: »Es ist eine andere Sache, über einem Kampfgebiet zu fliegen, als mittendrin zu sein.«

Tatsächlich reichen weder das ungehinderte Agieren der US-Navy auf allen Weltmeeren noch die Übermacht der US-Airforce hin, um die Position der USA im Irak zu halten: Ohne Landstreitkräfte keine Okkupation. Die US-Army hatte vor Beginn des Irak-Kriegs 482000 Männer und Frauen im aktiven Dienst, das Marine-Corps mit seinen Einheiten der Land-, Luft- und Seestreitkräfte hatte 175000. Geplant vor gut vier Jahren war, einen kurzen Krieg mit den vorhandenen Truppen zu gewinnen. Im Januar 2007 verkündete der US- Präsident George W. Bush nicht nur die Absicht, die Truppenpräsenz um über 20000 auf etwa 170000 Besatzungssoldaten zu erhöhen. Zugleich kündigte er eine dauerhafte Verstärkung von Army und Marine-Corps an: Bis 2012 sollen sie zusammen fast 750000 Mann zählen.

Der Bedarf an Besatzungssoldaten hat dazu geführt, daß die Kampfeinsätze der aktiven Truppe immer länger dauern. Die Army hat sie von anfangs zwölf auf 15 bis 16 Monate ausgeweitet, die Einheiten des Marine Corps werden statt sieben Monaten für ein ganzes Jahr in den Irak geschickt. Zu halten sind die Truppenstärken trotzdem nur durch massive Einsätze von Reserveeinheiten und Truppenteilen der Nationalgarde, die zeitweise schon mehr als die Hälfte der eingesetzten Kampfbrigaden im Irak stellen. Die alte Praxis, Reservisten und Angehörige der Nationalgarde für nicht mehr als 24 Monate einzuziehen, mußte aufgegeben werden. Je belastender aber die Einsätze, um so schwieriger ist die Werbung neuer Soldaten. Wie immer, wenn Kanonenfutter gebraucht wird, senkt man die Anforderungen: auch schlechter qualifizierte und ältere Bewerber bekommen seit 2006 ihre »Chance«. Der neue Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs der US-Streitkräfte, Admiral Mike Mullen, bezeichnete nicht umsonst die Army als seine größte Sorge im neuen Job.

* Aus: junge Welt, 4. Oktober 2007




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