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Piratenjagd – von der Küste bis in die Wüste

Nach US-Befreiungsaktion werden offenbar US-Landungsoperationen in Somalia erwogen

Von René Heilig *

Nur wenige Tage nach zwei Aktionen von westlichen Staaten gegen vermutlich somalische Piraten haben Seeräuber erneut zugeschlagen. Sie überfielen in der Nacht zum Dienstag das Frachtschiff »MV Irene« . Tatort war der Golf von Aden.

Die Nachrichten waren anfangs widersprüchlich. So war unklar, welches Schiff die Piraten jüngst in ihre Gewalt gebracht haben. Es handelt sich offenbar um ein 35 000-Tonnen-Schiff, das für eine griechische Reederei unterwegs ist und unter der Flagge des karibischen Inselstaats St. Vincent fährt. Die 22 Mann starke Besatzung ist – so die Informationen der EU-Operation für Maritime Sicherheit in Northwood – unverletzt. Erst am Sonntag hatten US-Elitesoldaten den US-Kapitän Richard Phillips befreit und dabei drei Seeräuber getötet. Am Karfreitag waren zwei Piraten und der französische Bootseigner bei der Befreiung einer Jacht ums Leben gekommen.

Derzeit halten somalische Piraten mehr als ein Dutzend Schiffe in ihrer Gewalt, darunter die deutsche »Hansa Stavanger« mit fünf Deutschen an Bord. Zehn Tage nach der Kaperung des Frachters bemüht sich der Krisenstab des Auswärtigen Amtes weiter um die Freilassung der Besatzung. An Bord werden neben den fünf Deutsche 19 Seeleute anderer Nationen festgehalten.

Unmittelbar nach der erfolgreichen Befreiungsaktion des von Piraten verschleppten US-Kapitäns Richard Phillips durch die US-Marine hat US-Präsident Barack Obama betont, auch weiterhin gegen die wachsende Piraterie vor der Küste Somalias ankämpfen zu wollen.

Während Obama zunächst auf internationale Kooperationen wie die derzeit laufenden EU-, NATO- und US-Schiffpatrouillen im Golf von Aden verwies, könnte sich der Kampf gegen Piraten künftig auf das somalische Festland verlagern. Das klingt unklar und gefährlich. Man müsse das Problem an der Wurzel packen, gibt James Carafano vom Washingtoner Forschungsinstitut Heritage Foundation Pläne von US-Militärs wieder. Angeblich, so andere US-Quellen, gebe es Pläne für Angriffe auf Piratenstützpunkte im somalischen Küstengebiet. Trotz der Machtlosigkeit somalischer Behörden hofft man in Washington weiter darauf, dass auch einheimische Sicherheitskräfte mit internationaler Hilfe besser ausgebildet werden und eine funktionierende Küstenwache aufbauen können.

Doch für die Öffentlichkeit in den USA ist Somalia ein auch medial transportiertes Reizwort. Noch immer ist die unter US-Präsident George H. W. Bush gestartete Operation »Restore Hope« im Jahr 1992 schmerzhaft in Erinnerung. Nachdem die US-Truppen zunächst mit offenen Armen empfangen worden waren, standen sie bald selbst als Zielscheibe mitten in einem tobenden Bürgerkrieg, in dem 42 GIs ihr Leben verloren. Hollywood drehte einen viel beachteten Film über die blutige Blamage. 1994 zog Bill Clinton die Truppen unverrichteter Dinge zurück.

Nach der blutigen Befreiung der US-Geisel haben somalische Piraten den USA abermals mit Vergeltung gedroht.

* Aus: Neues Deutschland, 15. April 2009

GSG 9 als Wasserpolizei?

Von René Heilig **

Sie weht bisweilen über heimischen Laubenpieper-Anlagen, mancher klebt die Fahne mit Totenschädel und Knochen ans Autoheck. Lustig, wenn die lieben Kleinen mit Augenklappe und Pappsäbel zum Faschingziehen. Man hat sogar ein Bier nach Störtebeker benannt und rüstet auf Rügen Jahr für Jahr zu Festspielen, um den Hanse-Jäger zu beklatschen.

Das alles schwimmt neben der aktuellen Wirklichkeit. Nein, es gibt – wie früher sicher auch – keinen Grund, Piratenunwesen zu romantisieren. Weder war das Leben der Piraten so ungezwungen, wie wir es gern glauben, noch ist das Dasein als ihr Opfer erstrebenswert. Menschen nehmen Menschen für etwas in persönliche Haftung, das beide nicht verantworten können und müssen. Kurzum, wir reden über Verbrechen.

Und wie reagieren wir »Westler«, deren Lebensweise empfindlich gestört wird durch aktuelle Angriffe aus der dritten und damit vergessenen oder verdrängten Welt? Wir schicken – wie schon früher – Kriegsschiffe, ganze Flotten gegen Fischerboote. Doch die Geschwader von NATO, EU und USA sind offenbar untauglich, Freibeuter von der Beute fernzuhalten. So wie Luftwaffengeschwader nicht helfen gegen aufständische Taliban. Den Begriff für solche Paarungen, die wir nicht beherrschen können, haben wir: »asymmetrische Kriegsführung«. Einen Ausweg aus diesem Krieg haben wir nicht. Das hat nicht nur damit zu tun, dass unsere Marine – grundgesetzgemäß – nicht »richtig zupacken darf«. Wer deshalb glaubt, dass man daher die GSG 9-Elite der Bundespolizei zum maritimen Einsatz bringen muss, hat zu viele Action-Filme gesehen. Die gehen zwar gut aus, haben mit dem realen Leben aber wenig zu tun.

** Aus: Neues Deutschland, 15. April 2009




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