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Bundespolizisten bald als Piratenjäger?

Reederverband fordert Unterstützung für Marine auf deutschen Handelsschiffen vor Somalia

Von Susann Witt-Stahl, Hamburg *

Ginge es nach den Reedern, könnten schon bald bewaffnete Polizisten an der Reling deutscher Handelsschiffe Ausschau nach Piraten halten und diese in die Flucht schlagen.

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) wünscht sich den Einsatz von je sechs bis zehn Bundespolizisten, die während der Fahrt in dem bei Piraten so beliebtem Gewässer vor der Küste Somalias an Bord wären. Mit einem Schuss vor den Bug sollen die Beamten Seeräuber noch vor der Tat zur Einsicht bewegen und in die Flucht schlagen, forderte der VDR am Freitag in Hamburg. Dazu sei eine Zusammenarbeit zwischen Bundesmarine und -polizei nötig.

Der VDR führe bereits Gespräche mit der Bundesregierung, um eine entsprechende Gesetzesänderung zu erzielen, so Sprecher Max Johns. Bislang dürfen deutsche Marinesoldaten aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht an Bord deutscher Handelsschiffe zur Bewachung eingesetzt werden. Die Bundespolizei sei dazu zwar rechtlich befugt, aber technisch nicht genügend ausgestattet. Um etwa Polizisten während der Fahrt auf See an Bord zu bringen und nach dem Passieren des kritischen Routenabschnitts wieder abzuholen, sei Marine-Hilfe erforderlich. Johns rechnet damit, dass in Berlin in Kürze ein rechtlicher Lösungsweg geschaffen wird.

Der Einsatz der Beamten an Bord würde nach Angaben des VDR jeweils zwei bis drei Tage dauern. Der Verband »steht zu Gesprächen bereit«, wenn es um die Beteiligung der Reeder an den Kosten gehe, so Johns. Bislang sei es nur möglich, deutsche Handelsschiffe von privaten Sicherheitsdiensten beschützen zu lassen, wenn die Schiffe zuvor ausgeflaggt wurden. Dies führe dazu, dass die deutsche Flagge weniger Sicherheit versprechen könne, kritisierte Johns: »Wir wollen es genau andersherum, dass Schiffe unter deutscher Flagge als besonders sicher gelten.«

Am Donnerstag (10. Juni) wurden unterdessen zehn mutmaßliche Seeräuber von den Niederlanden nach Deutschland ausgeliefert, die beim Überfall auf das deutsche Containerschiff Taipan am Ostermontag von einem niederländischen Marinekommando festgenommen worden waren. Vor dem Hamburger Landgericht soll den mutmaßlichen Tätern der Prozess gemacht werden. Ihnen drohen Freiheitsstrafen von bis 15 Jahren.

Die betroffene Reederei Komrowski aus Hamburg meidet seit dem Angriff auf ihr Schiff die Gewässer vor Somalias Küste. Der bewaffnete Überfall konnte bereits nach wenigen Stunden unblutig beendet werden, nicht zuletzt deshalb, weil die Taipan mit einem »sicheren Raum« ausgestattet war, in dem sich die Besatzung verschanzen konnte. »Im sicheren Raum hat die Besatzung technisch die Möglichkeit, einen Blackout auszulösen«, erläuterte der Geschäftsführer der Reederei, Roland F. Höger. Das Schiff sei dann nicht mehr steuerungsfähig. »Die Piraten waren mit dieser Situation offenbar überfordert«, so Höger. Nach den Bestimmungen des »International Ship and Port Facility Security Code« ist die Einrichtung eines Sicherheitsraumes bereits seit 2004 Vorschrift.

* Aus: Neues Deutschland, 12. Juni 2010


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