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Zweifel an Kenias Rechtswesen

UNO fordert unabhängige Untersuchung nach Mord an Menschenrechtlern

Von Marc Engelhardt, Nairob *

Deutschland hat Kenia gestern (9. März) das Gesuch auf Übernahme von neun Piraten überreicht. Sie sollen dort verurteilt werden, nachdem die EU am Freitag (6. März) mit Nairobi ein Abkommen zur Strafverfolgung von Piraten geschlossen hat. Es ist umstritten, da die Einhaltung von Rechtsstandards in Kenia »zweifelhaft« sei, so Amnesty International. Gerade sind zwei bekannte Menschenrechtler auf offener Straße erschossen worden und die Polizei wird verdächtigt, für den Mord verantwortlich zu sein.

Regierungssprecher Alfred Mutua ist dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. So dachte sich kaum jemand etwas dabei, als er am Donnerstag (5. März) bei einer Pressekonferenz über den renommierten Menschenrechtler Oscar Kamau Kingara und die von ihm gegründete Organisation herzog. »Die Oscar-Stiftung ist eine Fassade, über die die Mungiki-Sekte sich Geld und Unterstützung aus dem Ausland beschafft«, schäumte Mutua. Gleichzeitig demonstrierten Mungiki- Anhänger in den Straßen Nairobis und andernorts gegen die Polizei und ihre systematischen Erschießungen mutmaßlicher Sektenmitglieder, die Kingara vor einem Jahr aufgedeckt hatte.

Einige Stunden nach Mutuas Pressekonferenz gab es zwei weitere Opfer: Kingera und einer seiner Kollegen, John Paul Oulu, wurden in ihrem Wagen erschossen, als sie am helllichten Tag mitten in der Innenstadt von Nairobi im Stau standen. »Unter den gegebenen Umständen muss man Kenias Polizei wegen der Morde verdächtigen«, ließ der entsetzte UN-Sonderberichterstatter Philip Alston wenige Stunden später in einer Erklärung mitteilen. Er fordert eine unabhängige Aufklärung mit Hilfe südafrikanischer oder britischer Spezialisten, denn in Kenia gebe es keinerlei Mechanismen dafür.

Dem Australier war schon am Tag, als er seinen Kenia-Bericht vorstellte, bange um seine Zeugen gewesen, zu denen auch die beiden Opfer gehörten. »Man hat uns überwachen lassen und Zeugen bedroht, in einem Fall wurde den Bewohnern eines ganzen Vertriebenenlagers der Entzug von Essen für den Fall angedroht, dass man mit uns redet.« Alston sprach damals zudem von einem Brief von Präsident Mwai Kibaki, der ihn sehr beunruhigt habe. »Ich kann nicht sicher sein, dass unsere Zeugen unbehelligt bleiben werden.«

Polizeisprecher Eric Kiraithe freilich wies jetzt den Vorwurf zurück, die Polizei habe mit dem Mord an Kingara zu tun. »Das waren Kriminelle, die Studentenunruhen anfachen wollten.« Nach Kingaras Tod lieferten sich Studenten und Sicherheitskräfte Straßenschlachten. Ein Student wurde erschossen. Am Wochenende war die Lage in Nairobi und in mehreren anderen Städten des Landes immer noch angespannt.

Was Kingera und Alston in ihren Berichten aufdecken, ist ein mafiöses System innerhalb von Kenias Polizei. Mit Kopfschüssen wurden vor zwei Jahren binnen weniger Monate mehr als 500 junge Männer erschossen. Hinter den meisten Morden steckt eine Kwe Kwe genannte Todesschwadron, die ohne Rücksicht auf Recht und Gesetz und in direkter Absprache mit der Polizeiführung jeden ermordete, der womöglich ein Mitglied der Mungiki sein könnte. Die Mungiki, die Kingera verteidigte, sind keine angenehmen Zeitgenossen: Die zersplitterte mafiöse Bande, die sich auf einen mythischen Hintergrund beruft, Schutzgelder erpresst und für Geld ganze Landstriche in Angst und Schrecken versetzt, schlägt säumigen Schuldnern schon mal die Köpfe ab. Und doch, so betonte der Menschenrechtler Kingera stets, haben auch sie das Recht auf einen fairen Prozess.

* Aus: Neues Deutschland, 10. März 2009

L e t z t e M e l d u n g

Riots break out in Kenyan capital

10/03/09

Riots have broken out in Kenya's capital Nairobi at a rally involving hundreds of students against alleged extra-judicial killings by police.

Police used tear gas to disperse university protesters who were hurling stones and looting shops.

The rally was held to protest against last week's killing of a student by police and also alleged shootings of two human rights activists.

Police deny any involvement in the killings of the two activists.

Oscar Kamau Kingara and John Paul Oulo were shot dead in their car in central Nairobi last Thursday (5 March).

They were attacked just hours after a government spokesman accused their group of aiding the Mungiki criminal gang.

'Assassinations'

Kenyan human rights groups have blamed the government for the "assassinations" of the two rights activists.

The twin killings sparked a riot in which a student was shot dead. Three policemen were later arrested in connection with the student's death.

Protesters on Tuesday carried banners and chanted slogans demanding the resignation of the police commissioner, Hussein Ali, because of what they described as excessive police force.

UN investigator Philip Alston, who has also called on Mr Hussein to quit, said after the shootings that suspicion was bound to fall on Kenya's police in the circumstances.

"It is extremely troubling when those working to defend human rights in Kenya can be assassinated in broad daylight in the middle of Nairobi," said Mr Alston, who last month released a report accusing Kenya's police of running death squads.

Last year, Mr Kingara's Oscar Foundation Free Legal Aid Clinic published a report, which said that 8,040 young Kenyans have been executed or tortured to death since 2002 in a police crackdown on the Mungiki gang.

BBC NEWS, 10/03/2009


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