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Leidenschaftliche Hoffnung

Tariq Ali über die Piraten der Karibik

Von Helge Buttkereit *

Linke Intellektuelle vom Schlage eines Tariq Ali gibt es in Deutschland kaum noch. Wer sich nicht in den vergangenen Jahren zu einem Diener des Neoliberalismus umgepolt hat, der scheint hierzulande nur noch auf abseitigen Feldern unterwegs zu seine. Eine solch beeindruckende Streitschrift für die neuen linken Regierungen in Lateinamerika, wie sie Tariq Ali vorgelegt hat, ist zumindest von kaum einem der noch aktiven Publizisten zu erwarten. Und so ist es gut, dass Alis Schrift, die als Hardcover wenig Widerhall in Deutschland gefunden hat, nun als aktualisierte erweiterte und für jeden erschwingliche Taschenbuchausgabe vorliegt.

Ali schreibt über die »Piraten der Karibik«, die mit Kuba, Venezuela, Bolivien und Ecuador für den Autor mittlerweile eine Achse der Hoffnung darstellen. Ali beschreibt die Entwicklung ebenso fundiert wie parteiisch und beweist damit, dass es auch noch Aktivisten der Studentenbewegung der 60er Jahre gibt, die immer noch mit dem Herzen für eine fundamentale Veränderung der Welt eintreten und vor allem offen für neue Entwicklungen und damit letztlich selbstkritisch sind.

Der pakistanischstämmige Schriftsteller kam Anfang der 60er Jahre nach London, wurde Redakteur der »New Left Review« und seine Arbeit hat bis heute nichts von ihrer polemischen Schärfe eingebüßt. In seinem Buch über Lateinamerika liefert er nicht nur eine kundige Zusammenfassung der Geschichte Venezuelas, Boliviens und Kubas, sondern er leistet zunächst einmal wichtige Medienkritik. So wird deutlich, wie sehr der Mainstream -- oft unter Führung ehemaliger Linksradikaler -- gegen Hugo Chávez Partei ergreift, weil er sich gegen den neoliberalen Zeitgeist stellt. Dabei bleibt das Buch aber nicht stehen. Ali beschreibt die gegenwärtigen bolivarischen Strömungen als einen neuen hoffnungsvollen Aufbruch, der gestützt auf eine breite Basis -- und das Öl -- ein wirkliches Gegengewicht zur scheinbar alternativlosen kapitalistischen Politik der Metropolen bildet und gleichzeitig zum Erhalt des Sozialismus auf Kuba beiträgt. »Südamerika hat sich wieder auf den Marsch begeben und kann endlich wieder einer Welt Hoffnung bieten, die entweder tief in einer neoliberalen Starre versunken ist oder Tag für Tag unter den militärischen und wirtschaftlichen Räubereien der neuen Ordnung zu leiden hat«, heißt es.

Ali schreibt aus der Perspektive eines Hoffenden. Und da mag man verschmerzen, dass der Blick ein wenig zu sehr auf dem Zentrum der Macht verharrt. Das, was den »Sozialismus des 21. Jahrhunderts« ausmacht, die Verankerung an der Basis, die Alternative zum starren stalinistischen Zentralismus und der Versuch, parallele Strukturen in Staat und Wirtschaft aufzubauen, um die neue Ordnung zu sichern, kommt in Alis Werk zu kurz. Auch wäre eine längere Analyse der Entwicklung in Ecudor im »Piraten-Update« wünschenswert gewesen. Hingegen ist der Anhang unter anderem mit zwei ausführlichen Interviews von Weggefährten Chávez' und je einer Rede von Evo Morales und Hugo Chávez eine vorzügliche Beigabe, denn Originalquellen zur gegenwärtigen Entwicklung in Südamerika sind hierzulande kaum zu finden.

Tariq Ali: Piraten der Karibik. Die Achse der Hoffnung. Heyne, München 2008, 350 S., br., 8,95 EUR., ISBN: 9783453620261

* Aus: Neues Deutschland, 12. Januar 2009


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