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Indik sicherer machen

Internationales Symposium der Anrainer des Indischen Ozeans in Abu Dhabi

Von Ashok Rajput, Neu-Delhi *

Piraterie im westlichen Teil des Indischen Ozeans, des Indik, war das Hauptthema einer internationalen Konferenz, die in der vorigen Woche in Abu Dhabi stattfand, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). An dem Treffen nahmen Militärs und Sicherheitsexperten aller Anrainerstaaten sowie »Beobachter« aus den USA, Großbritannien und Japan teil.

Indien hatte im Februar 2008 die Initiative für die Einberufung des ersten Indian Ocean Naval Symposium (IONS) ergriffen und die entsprechende Gründungskonferenz in Neu-Delhi organisiert. Admiral Nirmal Verma, Indiens Marinechef, verwies in Abu Dhabi auf die Bedeutung des Indik für den Handel. Zwei Drittel der Erdölverschiffung, ein Drittel des maritimen Frachtverkehrs und die Hälfte des globalen Containertransports werden über dieses Weltmeer abgewickelt. Dessen Rolle für den weltweiten Handel werde noch zunehmen, sagte der Admiral.

Die Piraterie vor der somalischen Küste und in weiten Teilen des Golfes von Aden beeinträchtigt den Seeverkehr spürbar. Gegenwärtig sollen somalische Piraten 25 Schiffe sowie rund 400 Seeleute in ihrer Gewalt haben. Somalische Piraten unternahmen laut Statistik des Internationalen Maritimen Büros im Jahre 2009 mehr als 200 Angriffe und in den ersten drei Monaten dieses Jahres 35 Angriffe auf Handelsschiffe. Seit Ende 2008 patrouillieren Konvois aus rund 28 Ländern im Westteil des Indik, um die Piraterie einzudämmen. Darunter befinden sich Schiffe der Kombinierten Maritimstreitkräfte, die von den USA geführt werden, Schiffsverbände der EU, der NATO sowie aus Rußland, China, Indien und Iran. Aber das Manko, so der Tenor der Beratungen in Abu Dhabi, besteht darin, daß sie unter keinem gemeinsamen Kommando agieren.

Ein weiterer Schwachpunkt: Die wesentlichen Ursachen für die Piraterie liegen nicht auf See, sondern an Land. Besonders betroffen ist das ostafrikanische Somalia, das seit der Entmachtung von Präsident Mohammed Siad Barre im Jahre 1991 von einem Bürgerkrieg heimgesucht wird und wegen seiner scheinbaren Unregierbarkeit als Paradebeispiel für einen »verfehlten Staat« gilt. Das totale innenpolitische Chaos spiegelt sich auch in der Piraterie wider. Um diese auszurotten, müßten zuvor stabile politische Verhältnisse in Somalia geschaffen werden. Darüber bestand auf dem ION-Symposium kein Zweifel. Bislang behandele man auf See nur die »Symptome anstatt den Krebs auf dem Festland«. Dazu gehörten die Unklarheiten, wie mit festgenommenen Piraten umzugehen und welches Gericht für sie zuständig sei.

Admiral Verma bezeichnete neben Maßnahmen gegen die Piraterie als vorrangige Aufgaben im Indik-Raum gemeinsame Aktionen im Fall von humanitären Katastrophen sowie den Schutz der Umwelt. Man brauche eine intensive Koordinierung und ein effektives Netzwerk zum Austausch von Informationen zwischen den beteiligten Marineverbänden. Man könne die Probleme nur gemeinsam bewältigen. Diese Ansicht wurde von allen anderen Sprechern des Symposiums nicht nur geteilt, sondern auch auf den Mißbrauch des Weltmeeres für Drogen- und Menschenhandel sowie für Waffenschmuggel bezogen. Die Herausforderungen seien zu groß, als daß sie von einer Navy allein angenommen werden könnten.

VAE-Marinechef Brigadier Ibrahim Al-Musharak, der für die nächsten zwei Jahre die Geschicke des IONS lenken wird, verwies darauf, daß Instabilität und Gewalt in der Indik-Region zunehmen, ohne dabei Krisenpunkte wie etwa Irak oder Pakistan zu erwähnen. Admiral a.D. Arun Prakash aus Indien betonte in diesem Zusammenhang, daß verschiedene Anrainerstaaten ihre Marine verstärken. So bestehe die Gefahr eines »zügellosen Wettrüstens und regionaler Spannungen«. Auch er vermied jedoch, Pferd und Reiter beim Namen zu nennen. Nur Kapitän Hussein Khanzadi, der Vertreter Irans, schoß eine Breitseite gegen die USA. Er kritisierte in der Golfregion anwesende »Streitkräfte von außerhalb«. Sie hätten in ihrer Mission versagt, Sicherheit zu bringen. Das sollte allein Aufgabe der Staaten dieses Raumes sein.

* Aus: junge Welt, 18. Mai 2010


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