"Man muss kein Pazifist sein ..."
Eine grüne Kriegsgegnerin nimmt Stellung zu Ludger Volmer
Der kriegsgegnerische Flügel der Grünen hat eine deutliche Niederlage
erlitten. Die Mehrheit der Parteidelegierten hat einer militärischen
Beteiligung Deutschlands im Kampf gegen den Terror zugestimmt. In diese
Zustimmung jetzt zu interpretieren, dass die Mehrheit tatsächlich für einen
Militäreinsatz war und nicht etwa ihre Zustimmung der Aufrechterhaltung der
Koalition galt, nenne ich Verdrängungstaktik. Jedem, der die Diskussion
verfolgte
wurde deutlich, in welchem Zwiespalt sich die meisten Delegierten befanden.
Wäre die Abstimmung nicht mit der Koalitionsfrage verbunden worden, hätte
das Abstimmungsergebnis mit großer Sicherheit anders ausgesehen. An dieser
Stelle kann ich an die Adresse von Ludger Volmer nur sagen: Wer als
Politiker ernst genommen werden will, darf auch diese Realität nicht
verdrängen.
Man muss kein Pazifist sein, um eine Strategie der Verbrechensbekämpfung
abzulehnen,die mehr unschuldige Opfer fordert, als Verbrecher dingfest
macht.
Man muss kein Pazifist sein, um das Recht des Bombardieren eines Landes zum
Zwecke der Terrorbekämpfung in Frage zu stellen, besonders wenn keiner der
Attentäter aus diesem Land stammte.
Man muss kein Pazifist sein, um den Abwurf von Streu- und Benzinbomben zu
kritisieren. Der Einsatz solcher Mittel setzt die in Kaufnahme vieler
ziviler
Opfer voraus.
Niemand bestreitet, dass die Täter, Hintermänner und Unterstützer der
Attentate in den USA gefunden und bestraft werden müssen. Der größte Teil
der Kriegsgegner befürwortet auch den Einsatz von Spezialkräften für die
Ermittlung und Ergreifung der Täter, solange dabei unsere eigenen
rechtsstaatlichen Prinzipien nicht verletzt werden. Krieg gegen ein Land hat
allerdings nichts mehr mit Verbrechensbekämpfung zu tun. Der Krieg in
Afghanistan dient nicht der zielgerichteten Bekämpfung terroristischer
Strukturen. Er trifft in besonderem Maß die Zivilbevölkerung. Hier scheint
es, das Recht auf Selbstverteidigung dafür zu missbrauchen, Unrecht mit
Unrecht zu vergelten.
Um zu dieser Erkenntnis zu kommen, muss man weder ein religiöser Mensch,
noch ein Pazifist sein. Die Betrachtung des Menschen als achtungswürdiges
Wesen reicht dafür aus.
Die Kriegsbegründung lag in der Terrorismusbekämpfung und nicht in der
Befreiung des afghanischen Volkes. Vor dem Krieg hat sich keine Politik mit
Nachdruck für die Menschen in Afghanistan eingesetzt. Alle Hilferufe aus dem
Land verhallten im Raum. Man hatte den Eindruck, als interessiere sich
niemand für die Leiden des afghanischen Volkes. Nun wird damit geworben, man
befreie mit dem Krieg das afghanische Volk.
Den Menschen in Afghanistan die den Hunger und den Krieg überleben wünschen
wir, dass das nun vorgegebene Ziel, die eigene Emanzipation, gelingen wird,
und dass dieses geschundene und zerstörte Land auch weiterhin die
Aufmerksamkeit der Welt erfährt, die es braucht um den Menschen ein
menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
Ob nicht doch auch Rohstoffinteressen die Kriegsziele beeinflussten, wird
uns wohl niemand beantworten.
Trifft es zu, dass bei einem Gespräch zwischen
US- und Talibanvertretern im Juni 2001 bereits mit militärischen Maßnahmen
noch vor dem ersten Schnee gedroht wurde?
Wurden nicht bereits im März bei
einem Treffen mit US-Vertretern und Exilkönig die Strategien zur
Machtübernahme in Afghanistan beraten?
Wie ist das Treffen zwischen dem Attentäter Ata und einem Mitglied des
irakischen Geheimdienstes in Prag 14 Tage vor den Anschlägen zu bewerten?
Sind die Hintermänner womöglich gar nicht in Afghanistan zu suchen?
Zu viele Fragen wollen nicht beantwortet werden! Es ist verblüffend, welche
Verdrängungsleistungen manche Politiker aufbringen, um sich gegen neue
Erkenntnisse abzuschotten, die womöglich die eigenen Entscheidungen in Frage
stellen. Man lehnt sich lieber zurück und kritisiert die Kritiker. Dabei ist
es jedoch ein Armutszeugnis, alle Kritik an den Vorgehensweisen als
Antiamerikanismus abzutun. Es zeigt nur ganz deutlich, dass eigene
überzeugende Argumente fehlen, die alle Zweifel ausräumen könnten.
Es stellt sich auch die Frage, warum viele Wissenschaftler, die sich mit
Terrorismus und Fundamentalismus auseinandersetzen, kein Gehör finden. Sie
könnten sehr wohl bessere, vor allem menschenwürdigere Strategien aufzeigen.
Die Entscheidung zum militärischen Einsatz von 3900 Bundeswehrsoldaten -ohne
Anforderung und ohne UN Mandat-, die in erpresserischer Weise durch die
Verknüpfung mit der Koalitionsfrage zustande kam, hat nicht nur unserer
Demokratie einen schweren Faustschlag versetzt, sie ist auch rechtlich sehr
bedenklich, wie in diesem Forum zu lesen ist.
Die Politik zeigt derzeit gegenüber Kritikern ein sehr fragwürdiges Gesicht.
Die Einstellung kritischer Menschen, die Krieg als Mittel zur
Verbrechensbekämpfung ablehnen, wird auf "blinder Pazifismus" reduziert.
Pazifismus selbst scheint zum Schimpfwort des Jahres erklärt. Die
politischen Vertreter schließen einfach die Augen um nicht zu erkennen, dass
diese kritischen Menschen mit ihrer Meinung nicht alleine stehen. Bei ihrem
Agieren wird deutlich, dass alles versucht wird die unbequemen Stimmen zum
Schweigen zu bringen, damit der Politik die Freiheit der Entscheidung, ohne
wenn und aber, offen steht.
Wir müssen froh und dankbar sein, dass es auch heute noch Menschen gibt, die
für die völker- und verfassungsrechtliche Grundsätze eintreten, die nicht
einfach zuschauen wollen, wenn Menschenrechte verletzt, undurchsichtige
politische Ziele verfolgt und die freiheitlichen, demokratischen Grundrechte
ausgehebelt werden.
Es gibt uns die Hoffnung, dass unsere Kinder nicht in eine von Kriegen und
freiheitlichen Einschränkungen geprägte Zukunft sehen müssen.
Doris Hohmann, Friedrichsorf
(Anfang Februar 2002. Danke für die Zusendung!)
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