Von Navajos und Rongelap
Frauenversammlungen am Rande der Anti-Atom-Konferenz in New York
Von Christiane Reymann, New York *
Friedenskampf, das Ringen um atomare Abrüstung haben viele Erscheinungsformen und Gesichter. Darauf machen auch die Zusammenkünfte von Frauen in New York aufmerksam, während gleichzeitig die Nachfolgekonferenz zum Atomwaffensperrvertrag (NPT) tagt.
Eingeladen hatten die japanischen Frauen zu einer »Frauenversammlung für eine atomwaffenfreie Welt« am Rande der NPT-Konferenz in New York und viele, viele kamen. Der große Versammlungsraum im Gewerkschaftshaus der Beschäftigten des Gesundheitswesens war überfüllt. Ist eine Frauenversammlung anders als eine gemischt geschlechtliche? Und wo sehen Frauen ihren Beitrag für eine atomwaffenfreie Welt?
Frauenversammlungen haben ihre Eigenarten, so auch die in New York. Die Zusammenkunft dort war zunächst einmal bunt. Die Teilnehmerinnen hatten ihre Banner, ihre handbemalten, bestickten, mit Bildern benähten Spruchbänder mitgebracht und überall aufgehängt, wo nur ein Stückchen Wand frei war. Sie haben miteinander gelacht, freigiebig und herzlich applaudiert. Und, auch das ist typisch, ihre Diskussionen bewegten sich im wirklichen Leben, ganz nah an der Praxis.
Einige Beispiele: In Frankreich verweben sich Kampf gegen Armut und für Entmilitarisierung, wenn dort Frauen an sozialen Brennpunkten an einer Kultur des Friedens arbeiten. In Kanada konzentrieren sich die Frauen auf Friedenserziehung, die unbedingt auch ein Schulfach werden müsse. In den USA mahnen indigene Frauen eindringlich, dass Urangewinnung und Atomindustrie schon längst im eigenen Land Menschenleben, Flüsse, Landstriche vernichten und verwüsten. Davon betroffen sind nicht nur die Navajos in New Mexico, sondern auch von den Pueblos die Acoma, Laguna und Zuni. Die meisten Uranbergwerke und Atomfabriken befinden sich auf dem Land indigener Völker.
Endlich, auch das zeichnet Frauenversammlungen aus: Frauen reden weniger unpersönlich, sie nennen eher die Subjekte, sie sprechen nicht zuletzt über sich, sie erzählen ihre Geschichten.
Das ist die Geschichte von Yuriko Sadakiyo, einer Überlebenden aus Hiroshima: »Am 6. August 1945 war ich in einem Tempel, nur eine Meile entfernt vom Zentrum dessen, was an diesem Morgen geschehen sollte. Nachdem etwas geblitzt und gestrahlt hatte, bin ich in Ohnmacht gefallen. Als ich aufwachte, lag die Frau des Mönchs neben mir in einem Meer von Blut. Ich war doch erst sieben Jahre alt. Meine Eltern starben an Krebs als ich 14 Jahre alt war. Obwohl ich gesund aussehe, bin ich auf einem Ohr taub, vielfach operiert, eine Hälfte meines Körpers fühlt nichts mehr.«
Oder die Geschichte von Abbaca Anjain vom Volk der Rongelap, Marshall-Islands: »Es ist jetzt 56 Jahre her, dass eine Bombe über dem Bikini-Atoll zur Explosion gebracht wurde, doch wir spüren die Folgen jeden Tag. Krebs ist eine weit verbreitete Krankheit, viele meiner Leute sind blind, wir haben aber kein Geld für Ärzte oder Medizin. Viele meiner Leute leben Zuhause im Exil, weil das Land, das ihnen gehört, verseucht ist, unbewohnbar. Ich komme aus einer matriarchalen Gesellschaft, im Zusammensein mit euch fühle ich eine große Energie.«
Die meisten Frauen kommen aus patriarchalen Gesellschaften, aber auch für sie sind die Erfahrungen der anderen Inspiration und Kraftquelle. Und ihre Beitrag zur atomwaffenfreien Welt? Zeugnis ablegen, sich berühren lassen, aufbegehren, aufklären, einklagen, mobilisieren, umwälzen.
* Aus: Neues Deutschland, 7. Mai 2010
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