Obama weicht aus
US-Präsident: "Keine unmittelbaren Pläne" für Aufnahme neuer Mitglieder in die NATO
Von Knut Mellenthin *
US-Präsident Barack Obama hat vor einigen Tagen bestritten, daß es derzeit »unmittelbare« Pläne für eine weitere Ausdehnung der NATO nach Osten gebe. Diese erstaunliche, bekannten Tatsachen widersprechende Äußerung, die offenbar nur dazu dienen sollte, russische Sorgen als unglaubwürdig darzustellen, ist eine genaue Betrachtung wert. Der Schlüssel zum Verständnis ist die Einschränkung durch das Wort »unmittelbar«.
Obamas Äußerung fiel am Mittwoch während einer Pressekonferenz anläßlich des Brüsseler USA-EU-Gipfeltreffens zur Lage in der Ukraine. Der US-Präsident war vom Vertreter der Nachrichtenagentur Reuters, Jeff Mason, gefragt worden: »Glauben Sie, daß die derzeitige Krise in der Region es wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher macht, daß die NATO sich auf die Ukraine und Georgien ausweitet?«
Im ersten Anlauf machte Obama ellenlange Ausführungen, ohne auf die konkrete Frage überhaupt einzugehen. Erst als diese daraufhin wiederholt wurde, sagte er: »Ich denke, daß zur Zeit weder die Ukraine noch Georgien auf dem Weg zur NATO-Mitgliedschaft sind. Es gibt keine unmittelbaren Pläne für eine Erweiterung der NATO-Mitgliedschaft. Ich weiß, daß Rußland (…) damit argumentiert, daß einer der Gründe für ihre Sorgen hinsichtlich der Ukraine deren mögliche NATO-Mitgliedschaft ist. Andererseits liegt ein Teil der Gründe dafür, daß die Ukraine nicht förmlich die Aufnahme in der NATO beantragt hat, in ihrem komplexen Verhältnis zu Rußland. Ich glaube nicht, daß sich das in nächster Zeit ändern wird.«
Das bedeutet, auch wenn georgische Politiker die Aussagen des US-Präsidenten hauptsächlich auf ihr eigenes Land bezogen, daß Obama in Wirklichkeit vor allem die Ukraine im Blick hatte. Für diese trifft das Gesagte im wesentlichen zu. Noch bis vor wenigen Jahren war zudem die ukrainische Bevölkerung, allen Umfragen zufolge, mehrheitlich gegen einen Anschluß an die westliche Militärallianz. Wie weit sich das inzwischen nachhaltig geändert hat und wie sich das Ergebnis heute regional ausdifferenziert darstellen würde, ist ungewiß.
Obamas über die Ukraine hinausgehende Behauptung, es gebe »keine unmittelbaren Pläne« für eine NATO-Erweiterung, war entweder unbedacht oder stellt reine Haarspalterei dar. Gegenwärtig befinden sich drei Staaten auf der allerletzten Vorstufe zur Aufnahme in das Bündnis. Es sind dies die früheren jugoslawischen Teilrepubliken Montenegro, Bosnien und Herzegowina sowie Mazedonien. Für ersteres besteht seit Dezember 2009 ohne alle Einschränkungen ein sogenannter Membership Action Plan (MAP). Im Prinzip gibt es solche Vereinbarungen, die die konkreten Maßnahmen zum Beitritt regeln, auch schon für die beiden anderen Staaten. Um deren MAP wirklich umsetzen zu können, müssen allerdings noch Probleme gelöst werden. Im Fall Mazedoniens, das sogar schon seit 1999 im MAP-Status ist, geht es nur um den Streit mit Griechenland wegen des Staatsnamens. Der Republik Bosnien und Herzegowina, der im April 2010 ein MAP versprochen wurde, soll zuvor das staatliche Eigentum an allen militärischen Immobilien sicherstellen.
Georgien macht sich begründete Hoffnungen, daß es beim nächsten NATO-Gipfeltreffen, das im September im südwalisischen Newport stattfinden soll, gleichfalls auf die MAP-Stufe befördert wird. Regierungspolitiker in Tbilissi weisen richtig darauf hin, daß Obama in Brüssel nichts Gegenteiliges gesagt hat. Beim Besuch von Premier Irakli Garibaschwili in Washington im Februar versprach US-Außenminister John Kerry, seine Regierung werde dafür sorgen, »daß Georgiens Fortschritte beim diesjährigen NATO-Gipfel von allen Mitgliedern anerkannt werden«.
* Aus: junge welt, Montag, 31. März 2014
Seitenwechsel
Von Olaf Standke **
Die Gerüchte waberten schon einige Tage durch die Medienwelt, aber es wurde ja so mancher Name als potenzieller neuer NATO-Generalsekretär gehandelt. Seit dem Wochenende ist amtlich, dass sich die 28 Mitgliedstaaten des größten Militärbündnisses der Welt auf den Norweger Jens Stoltenberg als Nachfolger des Dänen Anders Fogh Rasmussen geeinigt haben. Dessen Mandat endet am 30. September 2014. Da in dieser wichtigen Personalfrage Konsenspflicht herrscht, ist die Suche nach dem Gesicht der Allianz in der Vergangenheit nicht immer so geräuschlos über die Bühne gegangen wie dieses Mal. Als der NATO-Rat am Freitagnachmittag in Brüssel zusammentrat, war Stoltenberg der einzige Kandidat.
Mit dem 55-Jährigen wird ein Sozialdemokrat an die politische Spitze des Nordatlantik-Paktes rücken. Stoltenberg stammt aus einer Politikerfamilie, deren Wurzeln in Norddeutschland liegen (in Holstein gibt es einen gleichnamigen Ort). Er engagierte sich in der Jugendorganisation der Arbeiderpartiet und war Vizepräsident der Sozialistischen Jugendinternationale.
Seit 1993 sitzt der studierte Wirtschaftswissenschaftler, der nach seinem Abschluss an der Universität Oslo eine Zeit lang auch als Journalist arbeitete, für die Arbeiterpartei im Storting, dem norwegischen Parlament. Schon als 31-Jähriger war der mit der Diplomatin Ingrid Schulerud verheiratete zweifache Vater erstmals Kabinettsmitglied. Stoltenberg wurde in den 1990er Jahren Wirtschafts-, Energie- und Finanzminister, ehe er seit dem Jahr 2000 Norwegen zwei Mal als Ministerpräsident regierte. Bei der Parlamentswahl im September vergangenen Jahres wurde die Arbeiterpartei unter seiner Führung zwar erneut stärkste Kraft, doch für eine rot-rot-grüne Koalition reichte es nicht mehr. Als Student und designierter Juso-Vorsitzender hatte sich Stoltenberg noch für den Austritt seines Landes aus der NATO stark gemacht, um den Weltfrieden zu stärken. Ab 1. Oktober wird er nun als 13. Generalsekretär und erster Norweger an der Spitze des Militärpaktes stehen.
** Aus: neues deutschland, Montag, 31. März 2014
Dokumentiert: Die NATO feiert sich
Im Folgenden dokumentieren wir eine Erklärung der NATO anlässlich der Osterweiterung vor 15, 10 und 5 Jahren:
Statement by the North Atlantic Council celebrating the enlargement anniversaries
The North Atlantic Council today celebrates the anniversaries of the latest three rounds of NATO enlargement: the fifteenth anniversary of the accession of the Czech Republic, Hungary and Poland; the tenth anniversary of the accession of Bulgaria, Estonia, Latvia, Lithuania, Romania, Slovakia and Slovenia; and the fifth anniversary of the accession of Albania and Croatia.
By choosing to join NATO, Allies have shown their commitment to freedom, security, and the values and principles which are the foundation of the Euro-Atlantic community. Through their accession and contributions, NATO has become stronger and more inclusive.
The Open Door policy under Article 10 of the Washington Treaty is one of the Alliance’s great successes. Through this historic process of Euro-Atlantic integration, peace, cooperation, and stability in Europe have been strengthened and democracy and the rule of law have been firmly anchored. Today we stand together in strong solidarity and in defence of our indivisible security and shared values, as envisaged in the Washington Treaty.
In celebrating these anniversaries we reaffirm that, in accordance with our policy, the Alliance’s door remains open to new members in the future.
NATO Press Office, Tuesday, 1 April 2014
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