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Statt NATO ein kollektives Sicherheitssystem zur Demokratisierung internationaler Beziehungen

Von Wolfgang Triebel


GLOBALE PROBLEME – GLOBALE BEDROHUNGEN – INTERNATIONALES KRÄFTEVERHÄLTNIS

Der britische Wissenschaftler John D. Bernal hat bereits in den fünfziger Jahren in seinem Buch «Welt ohne Krieg» auf universell bestehende Gefahren für die Menschheit aufmerksam gemacht. Ohne den Begriff globale Probleme zu verwenden, müssten alle für die Welt bedrohlichen Sachverhalte als Ganzes untersucht werden. Dabei wären aber «...die großen Unterschiede (zu) berücksichtigen..., die zwischen dem einen und anderen Lande ... bestehen. Diese Ungleichheit...erzeugt nicht nur Spannungen, sondern ist auch ... Kriegsgefahr».[1] Am Ende seiner Betrachtung der Probleme der Menschheit kam er zu folgender Erkenntnis: «Wenn wir die Weltwirtschaft nicht umwandeln, wird ein sehr großer Teil der Menschheit vorzeitig sterben... Wenn wir so fortfahren wie jetzt, wird dadurch, dass die verfügbaren Naturschätze unseres Planeten aufgebraucht werden, das Verderben in Form der Bodenerosion, des Brennstoffmangels und der allgemeinen Verarmung, am direktesten aber in Form von Hungersnöten und Krankheiten herannahen.... Wir stehen vor der Alternative: Krieg oder Frieden... Der Krieg, der immer unmoralisch war, hat heute jeden Sinn verloren... Ein Krieg wäre ein Selbstmord aus Tollheit.»[2] Dieser letzte Satz Bernals, konsequent zu Ende gedacht, bedeutet: Bei allen die Völker bewegenden ökonomischen, ökologischen, sozialen u. a. Problemen ist die Verhütung von Kriegen und die Sicherung des Friedens das globale Problem Nummer eins. Dient die NATO wirklich diesem Ziel?

Ich greife zu Beginn diese Gedanken Bernals auf, um zu zeigen, wie viel Zeit vergangen ist, ohne dass eines der genannten Probleme entschärft worden ist, obgleich Regierungen von Großmächten die Brisanz dieser offenen Fragen bekannt war. Das belegen z.B. der sowjetische Vorschlag zum Verbot von Atomwaffen von 1946 und mehrere Angebote auch aus der DDR über atomwaffenfreie Zonen in Europa, sowie der vom ehemaligen USA-Präsidenten Carter in Auftrag gegebene und 1980 vorgelegte Bericht «Global 2000»[3]. Er enthielt Strategien der USA auch zur Entwicklung der Weltbevölkerung, zu Luft- und Klimaverschmutzung, Hunger, Rohstoffverknappungen, Ressourcenmangel u.a.m. Die militärpolitische Ost-West- Konfrontation, NATO und Warschauer Pakt, behinderten die Hinwendung auf die Interessen der gesamten Menschheit. Präsident Carter hat im Interview nach seiner Amtseinführung 1977 die Abschaffung aller Atomwaffen als Ziel seiner Politik bezeichnet.[4] Daraus wurde nichts. Der jetzige USA-Präsident Barak Obama hat ebenfalls diesen Willen bekundet, hoffentlich mit mehr Erfolg.

Seit dem Ende des Kalten Krieges 1990 sind zwei Jahrzehnte vergangen. Die Völker Europas hofften, dass sich vor allem die Regierungen der Großmächte nunmehr den globalen Menschheitsfragen - Energie, Wasser, Umwelt, Eindämmung von Not, Armut, Hunger, Überwindung von Analphabetismus, Kindersterblichkeit usw. sowie den Ursachen von Arbeitslosigkeit - widmen würden. Die Nöte von Menschen in armen Ländern der Dritten Welt haben in den letzten Jahren wahre Völkerwanderungen bewirkt. Das bedeutet politische und soziale Krisen in globalen Dimensionen, die Kriegsgefahren in sich bergen. Statt endlich Hoffnungen der Völker zu erfüllen, führen Regierungen aus Tollheit neue Kriege um geopolitische Interessen. Es ist ein Teufelskreis: Wenn Menschen sich und ihre Kinder nicht mehr ernähren können, besteht die Gefahr, dass sie zu Mitteln der Gewalt greifen, die Gegengewalt der Herrschenden provoziert. In wessen Auftrag handelte die NATO, wenn Kriege und Konflikte seit 1990 mehr geworden sind?

Die USA dominieren die internationale Politik, um das internationale Kräfteverhältnis einseitig für sich zu stabilisieren. Weltweit agierende Wirtschafts- und Finanzgiganten verfolgen eigene außenpolitische Strategien zur globalen Marktbeherrschung in von ihnen bestimmter Weltwirtschaftsordnung. Das von den USA beherrschte Militärbündnis NATO, 1949 angeblich zur Abwehr sowjetischer Expansion gegründet, wurde nach Aufhebung der militärischen Konfrontation zwischen Ost und West Instrument der NATO-Großmächte zur Durchsetzung ihrer wirtschaftspolitischen Ziele. Seit 1945 gab es in Europa keinen «heißen» Krieg, mit NATO-Bomben auf Bosnien 1995 kehrte er zurück. Statt Krieg in Europa abzuschaffen, haben NATO-Staaten ihn unter Bruch des Völkerrechts gegen Jugoslawien wieder zum legitimen Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele gemacht. 14 deutsche Tornados gehörten zu den 400 Flugzeugen und 60 000 NATO-Soldaten. Inzwischen beteiligen sich NATO-Staaten an Kriegen im Kaukasus, in Afghanistan, im Irak, in der Golfregion und Dutzenden anderen Konfliktherden auf allen Kontinenten. Deutschland mischt eifrig mit, angeblich zu unseres Volkes Sicherheit. Deutsche Wirtschafts- und Finanzkreise beanspruchen eine stärkere Stellung in der Weltpolitik und Weltwirtschaft.

Für die Bundeswehr gibt es das «Magazin für Sicherheitspolitik». Im Septemberheft 2009 schrieb der Chefredakteur im Hauptartikel von «außerordentlich komplexen Herausforderungen für die Sicherheit und Stabilität Deutschlands... Die globalen Folgen der Weltwirtschaftskrise werden die Politiker zwingen, endlich die Interessen des Landes eindeutig und präzise zu definieren und die Bürger auf eine harte Konkurrenz um den künftigen Platz der Bundesrepublik in der neuen Weltordnung einzustellen.» Bundesdeutsch heißt das: Das Debakel in Afghanistan stellt die militärstrategische Führungsfähigkeit der USA und die in den USA ausgelöste Finanzkrise ihre wirtschaftspolitische Kompetenz infrage. Deutsches Kapital will abermals deutsche «Politiker zwingen», seinen Interessen zu dienen. Am Ende des Artikels werden sieben «Risiken und Gefahren für Deutschlands Sicherheit» genannt: 2. Einsatz von Nuklearwaffen, 3. Weiterverbreitung von ABC-Waffen, 4. Destabilisierung ganzer Regionen, 5. Islamistischer Terror, 6. Unterbrechung der Energieversorgung, 7. Drogenhandel. An erster Stelle aller Gefahren steht: «Klassische militärische Bedrohungen: Russische Revisionsgelüste in seinem strategischen ,Vorhof' (Baltikum, Ukraine); iranische Raketen- und Nuklearprogramme (Welche Verteidigungsoptionen hat Europa?)»[5]

Antisowjetismus aus dem Kalten Krieg wird mit heutiger Russophobie verbunden und bewusst zur Fehldeutung der internationalen Lage verbreitet. Wäre Russland tatsächlich eine Gefahr für Deutschland und Europa, sollte es - wie in der KSZE - in ein kollektives europäisches Sicherheitssystem einbezogen werden, anstatt die NATO-Osterweiterung bis an Russlands Grenzen zu treiben. Seit 1949 behaupten Repräsentanten der NATO, dieses Militärbündnis verteidige Frieden und Sicherheit der europäischen Zivilisation gegen unberechenbare Angreifer. Vielleicht muss ins Gedächtnis zurückgerufen werden: Die UdSSR hatte sich am 31. März und am 19. Juli 1949 in Memoranden gegen die Errichtung der NATO gewendet. Wenn es aber, wie behauptet, ein Friedensbündnis ist, dann möchte die UdSSR Mitglied der NATO werden. Das haben die NATO-Staaten zurückgewiesen. Noch anregender für heutiges Nachdenken könnte der Vorschlag der UdSSR vom 23. September 1949 vor der IV. UNO-Vollversammlung sein, dass die laut UN-Charta «Hauptverantwortlichen für die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der Sicherheit fünf.... ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates ... zu diesem Ziel ihre Bemühungen vereinen und untereinander einen Pakt zur Festigung des Friedens abschließen.»[6] Ein solches Bündnis entsprach aber nicht den Interessen der NATO-Gründerstaaten, beim damaligen Kräfteverhältnis konnten sie die Annahme dieses Vorschlags in der UNO verhindern.

Seit dem Jahrhundertwechsel sind z.T. erhebliche Veränderungen im internationalen Kräfteverhältnis zu erkennen, auch wenn viele Wandlungen noch in Bewegung und nicht abgeschlossen sind. Neben Russland sind die Volksrepublik China und Indien als Großmächte in die Weltpolitik eingetreten. Die Staaten Lateinamerikas organisieren sich, sie wollen nicht länger Hinterhof der USA sein. Die afrikanischen Staaten beginnen sich als Kontinent mit eigenen Interessen zu definieren. So konnten die USA in keinem afrikanischen Staat einen zentralen Standort für das Oberkommando der US-Army für Afrika finden. Die transatlantischen Beziehungen sind durch den in der NATO bestehenden Führungsanspruch der USA nicht ungestört. Die sicherheitspolitischen Prioritäten der USA und Westeuropas sind nicht unbedingt identisch. Das gilt ähnlich für Interessen der USA und der europäischen NATO-Staaten im Kaukasus, gegenüber den GUS-Staaten, Zentralasien, Nahost, Nordafrika, der Golfregion sowie China und Ostasien.

Auf Veränderungen im internationalen Kräfteverhältnis wirken weiterhin Nichtregierungsorganisationen (NGO) wie Attac [7], amnesty international mit fast 2 Millionen Mitgliedern in 150 Ländern, Greenpeace mit ca. 3 Millionen Mitgliedern in 40 Ländern. Mit dem ersten Weltsozialforum im Januar 2001 in Porto Alegre in Brasilien entstand unabhängig von politischen Parteien und Regierungen eine neue Kraft, die als ihr Ziel nur mit zivilen Mitteln erklärt: «Eine andere Welt ist möglich!» Unterschiedliche Haltungen europäischer Staaten zum Irakkrieg und zur Einbeziehung der NATO in den Krieg gegen Afghanistan weisen auf Widersprüche in der NATO hin. Damit deutet sich an, dass dieses transatlantische Bündnis kaum eine Zukunft haben wird.

Dennoch halten CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in ihren Programmen zur Bundestagswahl 2009 und CDU, CSU und FDP in ihrem Koalitionsvertrag an der NATO fest. Nur DIE LINKE hat im Wahlprogramm vorgeschlagen, die NATO durch «... ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands» zu ersetzen. Dieses Konzept geht von den politischen und ökonomischen Realitäten am Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts aus. Für die anderen Bundestagsparteien ist dieser Vorschlag ein Zeichen außenpolitischer Führungsunfähigkeit. Es ist schon makaber, wenn für sie eine Partei nur dann außenpolitisch führungsfähig ist, wenn sie für NATO und Aufrüstung eintritt, Militarisierung der EU unterstützt und Truppen out of area in alle Welt schickt. Die Linken lehnen generell alle aggressiven Militärbündnisse ab.

Man kann also festhalten: Die internationalen Bedingungen haben sich verändert, und es melden sich zivile Kräfte, die auf eine Welt des Friedens und des sozialen Fortschritts hinsteuern, in der die Völker globale Probleme gemeinsam und ohne Waffengewalt lösen wollen. Auf welche Seite stellen wir uns als Deutsche?

DIE GRÜNDUNG DER NATO IM BUNDESDEUTSCHEN GESCHICHTSVERSTÄNDNIS

Zum Verstehen der Rolle der NATO in den internationalen Beziehungen nach 1949 ist ein Blick in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts erforderlich. Sechzig Jahre NATO standen am Anfang der offiziellen Jubiläen des Jahres 2009, es folgten sechzig Jahre BRD und zwanzig Jahre Fall der Berliner Mauer. Diese Feste sollen die sechzig Jahre Bundesrepublik Deutschland im schönsten Glanz erscheinen lassen. Der 260. Geburtstag Goethes am 28. August 1749 und der 250. Geburtstag von Friedrich Schiller am 10. November 1759 [8] wurden vielfach übersehen. Gerade Schillers Denkansätze sind zur Deutung historischer Tatsachen bis heute hoch aktuell. In seiner Antrittsrede als Geschichtsprofessor in Jena «Was und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte» am 26. Mai 1789 - vor 220 Jahren, wahrhaft jubiläumswürdig -, unterschied Schiller bei Historikern - anwendbar auch auf Politikwissenschaftler - zwischen dem «Brodgelehrten», den jede Neuerung abschreckt, «denn sie zerbricht die alte Schulform, die er sich so mühsam zu eigen machte» [9], und dem «philosophischen Kopf», dessen «Bestrebungen auf Vollendung seines Wissens gerichtet sind... [den] neue Entdeckungen im Kreise seiner Tätigkeit...entzücken... der die Wahrheit immer mehr geliebt hat als sein System, und gerne...selbst der Erste ist, der es unbefriedigt aus einander legt, um es vollkommener wieder herzustellen...».

Im heutigen Deutschland muss es viele «Brodgelehrte» geben, die beim Rückblick ins 20. Jahrhundert nicht wahr haben wollen, dass Politik und Geschichte inhaltlich durch die Oktoberrevolution 1917 in Russland geprägt wurden. In der fünfbändigen Propyläen-Geschichte Europas ist der Band «1917 bis zur Gegenwart» mit «Die Krise Europas» überschrieben. Aber nicht Europa war in die Krise geraten, sondern das kapitalistische System, als im Ausgang des 19. Jahrhunderts einige Großmächte ihre nationalen Grenzen zwecks Neuaufteilung der Welt überschritten. Bei Ausbruch des ersten Weltkrieges forderten Albert Einstein, Wilhelm Foerster und andere im Oktober 1914 in einem «Aufruf an die Europäer», neue wissenschaftlich-technische Entdeckungen nur für den Frieden zu nutzen. Dieser Aufruf ist heute noch aktueller als damals.[10]

Im dritten Jahr des Weltkrieges erschütterte die russische Oktoberevolution 1917 Europas morsches kapitalistisches System. Aus Furcht vor europaweiter Ausstrahlung Sowjetrusslands und Lenins «Dekret über den Frieden» überfielen kaiserliche deutsche Truppen am 23. Februar 1918 das im Aufbruch befindliche Rußland. Ab März 1918 wollte die deutsche Regierung in Brest-Litowsk Sowjetrussland durch erniedrigende Friedensbedingungen aus der Geschichte vertreiben.[11] In antibolschewistischer Kumpanei marschierten am 9. März 1918 britische Truppen in Murmansk ein, am 5. April 1918 Japaner in Wladiwostok, deutsche Truppen in die Ukraine, Belorussland und ins Baltikum. Zaristische Generale sammelten Kräfte im Kaukasus. An drei blutigen Feldzügen gegen Sowjetrussland beteiligten sich 14 kapitalistische Länder, im Januar 1922 wurden in Fernost die letzten Okkupanten aus Sowjetrussland vertrieben. Winston Churchill schrieb: «Der Bürgerkrieg in Russland endete mit dem absoluten Sieg der bolschewistischen Revolution... Deutschland und Italien erlagen beinahe der Propaganda und den Plänen der Kommunisten. Ungarn geriet ... einige Zeit unter die Herrschaft des kommunistischen Diktators Béla Kun. Obwohl Marschall Foch [12] richtig bemerkte, dass 'der Bolschewismus nie die Grenzen des Sieges überschritten' habe, bebten die Grundfesten der europäischen Zivilisation in den ersten Nachkriegsjahren.»[13] Die Oktoberrevolution beförderte in vielen Ländern die Gründung kommunistischer Parteien.[14]

Sozialistische und Kommunistische Ideen weckten überall Hoffnungen. In Unkenntnis dieser Tatsachen schrieb im 90. Jahr der Oktoberevolution ein Geschichtsprofessor der Humboldt-Universität in Berlin, die Bolschewiki «vertraten ein Programm, dessen Sinn kaum jemand verstand.»[15]

Der Sturz des russischen Zarismus im Februar und die Eroberung der politischen Macht durch die Partei der Bolschewiki im Oktober 1917 bewirkten auch in anderen Ländern auf allen Kontinenten revolutionäre soziale Erhebungen. Das zwanzigste Jahrhundert wird in der Geschichtsschreibung auch künftiger Generationen das Jahrhundert der ersten großen Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Kapitalismus bleiben, die 1917 mit den Schüssen des Kreuzers Aurora in Petrograd begann und - bezogen auf Europa - nach vielen erfolgreichen Jahren in selbst verschuldete und von außen forcierte politische Krisen gerieten und 1991 mit dem Zerfall der Sowjetunion und ihrer europäischen Verbündeten in einer Niederlage endete.

Trotz hoffnungsvoller Friedensansätze nach dem Ersten Weltkrieg [16] kam es zum mörderischen Zweiten Weltkrieg. Churchill schrieb 1948 in seinem Buch «Der Zweite Weltkrieg» rückblickend auf noch 1939 vorhandene Möglichkeiten für die Verhinderung des Weltkrieges: «Niemals hätte sich ein Krieg leichter verhindern lassen als dieser, der eben alles vernichtet hat, was von der Welt nach dem vorangegangenen Kampf noch übriggeblieben war.»[17] Eine späte Einsicht.

Nach dem Sieg über Hitlerdeutschland 1945 - Europas Völker hatten 1945 genug von Krieg und Völkermord - gab es überall in Europa, in Asien und Mittelamerika günstige Bedingungen für gesellschaftliche Machtwechsel und sozialpolitische Umgestaltungen. Das Kriegsende und die Gründung der Vereinten Nationen waren die wichtigsten Ergebnisse und historisch-politisch hoffnungsvollsten Ereignisse in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Ziele der Vereinten Nationen (United Nations - UN) sind in Art. 11 (1) ihrer Charta formuliert: «Den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aufrechtzuerhalten und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu ergreifen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen und Angriffshandlungen oder andere Friedensbrüche zu unterdrücken sowie durch friedliche Mittel, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts, internationale Streitfälle und Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, zu regeln oder beizulegen.»[18] Die UNO ist die demokratischste internationale Organisation, alle 192 Staaten sind gleichberechtig.[19]

Die Nachkriegsentwicklung verlief jedoch anders. Die Gründung der NATO im 4. April 1949 war erster Höhepunkt des Kalten Krieges. Bis heute wird sie mit sowjetischer Bedrohung begründet, Stalin hätte Westeuropa erobern wollen. Im Buch «Das atlantische Bündnis - Tatsachen und Dokumente» heißt es noch 1990: «Die Niederlage der beiden großen Militär- und Industriemächte Deutschland und Japan hatten ostwärts und westwärts der Sowjetunion ein gewaltiges Vakuum entstehen lassen. Unter Ausnutzung dieser ungewöhnlich günstigen Umstände brachte die Sowjetunion die Stärke der Roten Armee voll zum Tragen, um eine expansionistische Politik zu betreiben, die bald den Frieden und die kollektive Sicherheit bedrohen sollte.»[20] Historische Tatsachen werden verfälscht und Lügen wider besseres Wissen aufrechterhalten.

Wer die Kriegszerstörungen in der Sowjetunion und den Zustand der Roten Armee 1945/1946 kannte, wusste um die fehlenden Voraussetzungen für einen Feldzug gen Westeuropa.[21] Es ist absurd, Stalin bzw. seine Nachfolger eines Krieges gegen die ehemaligen Verbündeten zu verdächtigen. Stalins strategisches Ziel war ein entmilitarisiertes politisch neutrales Deutschland, das seine Fähigkeiten nur noch in friedliche Beziehungen mit anderen Staaten einbringt.

Die westlichen Siegermächte stießen 1945 überall in Europa auf ein im antifaschistischen Befreiungskampf gehärtetes neues Selbstbewusstsein der Völker, die ihren alten Machthabern trotzten. Dazu haben der Befreiungskampf der Völker der Sowjetunion, der Siegeszug der Roten Armee, das politische Ansehen Stalins und der antifaschistische Widerstand gegen die Naziokkupanten überall in Europa beigetragen. Im ersten Nachkriegsparlament Frankreichs war die Kommunistische Partei stärkste Partei, ähnliche Entwicklungen gab es in Italien, Griechenland u. a. Staaten. Sowjetfreundliche und prokommunistische politische Bewegungen interpretierten bestimmte westliche politische Eliten als Bedrohung ihrer Freiheit. Churchill beschrieb diesen nicht erwarteten Trend aus der Sicht seiner politischen Klientel zutreffend: «Das Ringen in Russland übertraf an Umfang bei weitem alle Operationen, über die ich bisher zu berichten hatte... Das Ausmaß dieser Siege [der Roten Armee über die Hitlerwehrmacht. W.T.] warf Fragen größter Reichweite auf... Hinter dem Donner der russischen Kampffront erhob der Kommunismus sein Haupt. Russland war der Befreier, und Kommunismus das Credo, das es brachte.»[22]

In diesem Credo bestand tatsächlich für imperialistische Herrschaftsformen und Herrschaftsziele eine soziale Gefahr. Viele Menschen hatten die Kriegsziele der Nazis nicht als völkerrechtswidrige Verbrechen erkannt.[23] Nach dem Krieg erinnerten sie sich an frühzeitige Warnungen vor dem Faschismus besonders durch Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern. Die bürgerlichen Oberschichten hatten durch ihre Unterstützung des Hitlerfaschismus das Recht auf Führung der deutschen Nation verspielt. Jetzt vertrauten viele auf die politische Führungsfähigkeit der Arbeiterparteien und ihren aus Konzentrationslagern, Zuchthäusern und der Emigration zurückgekehrten Wortführern. Das spiegelte sich in den meisten Parteiprogrammen 1945 bis 1947 wider. Selbst wenn es heute kaum glaubhaft ist, in den «Kölner Leitsätzen» 1945 der Adenauer-CDU heißt es unter Punkt 16: «Das Ziel der Wirtschaft ist die Bedarfsdeckung des Volkes... Die Vorherrschaft des Großkapitals, der privaten Monopole und Konzerne wird beseitigt...»[24]

Deutsche Widerstandskämpfer strebten nach ihrer Befreiung eine einheitliche sozialistische Arbeiterpartei an. Die sowjetische Besatzungsmacht unterstützte die Vereinigung von KPD und SPD zur SED, die westlichen Besatzungsbehörden unterstützten in ihren Zonen die Einheitsgegner aus Furcht vor kommunistischer Unterwanderung. Eine geeinte Arbeiterpartei passt nicht in bürgerliches Demokratieverständnis. Die NATO wurde zum militärischen Arm der Führungseliten der kapitalistischen Welt gegen die UdSSR und ihre Verbündeten. In der alten Bundesrepublik begannen Duzende Prozesse gegen Sozialisten und Kommunisten, die gegen die Spaltung Deutschlands, gegen NATO, Refaschisierung und Remilitarisierung kämpften.[25] Großmächte der NATO forcierten die Rüstungsforschung, die Konzernen nahezu unbegrenzt Gewinne brachte.

Auf Initiativen der UdSSR und der Staaten des Warschauer Vertrages [26] wurde mit Unterstützung nichtpaktgebundener Länder Europas und gegen lang anhaltenden Widerstand der BRD und anderer NATO-Staaten vom 3. Juli 1973 bis 21. Juli 1975 in Helsinki die «Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa» (KSZE) durchgeführt. 35 Staaten Europas aus Ost und West einschließlich der USA und Kanada haben am 1. August 1975 in Helsinki die «Schlussakte der KSZE» unterzeichnet. Da die Teilnehmerstaaten darauf verzichteten, die Schlussakte von den Parlamenten ratifizieren zu lassen, wurden die schwer genug erreichten Übereinstimmungen in nationalen Wahlkämpfen nicht zerredet und ihre Umsetzung nicht verzögert. Auch wenn unterschiedliche Interpretationen der Schlussakte nicht auszuschließen waren, ignorieren konnte sie keiner. Willy Brandts neue Ostpolitik und andere internationale Faktoren begünstigten die Entspannung und den KSZE-Prozess. Die Schlussakte war innerhalb der Systemauseinandersetzung ein Rahmenabkommen zwischen den 35 Unterzeichnerstaaten zur militärischen und politischen Entspannung sowie zur Friedenssicherung (Korb 1), wirtschaftlichen Zusammenarbeit (Korb 2) und zur kulturellen Verständigung zwischen den Völkern (Korb 3). Schließlich war festgelegt, den «eingeleiteten multilateralen Prozess fortzusetzen»[27]. Die Bedeutung der Schlussakte blieb auch dann erhalten, als 1979/80 auf Betreiben der USA eine neue Runde des Wettrüstens einsetzte. Ein zweites wichtiges KSZE-Dokument ist die «Charta von Paris für ein neues Europa» vom 21. November 1990, die den Gedanken vom «Friedlichen Haus Europa» umsetzen sollte.

1994/1995 wurde die KSZE in «Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa» (OSZE) umbenannt. Seitdem verflachte sie zu einem Instrument zum Wiederaufbau in Staaten, in denen die NATO durch Krieg sozialökonomische Infrastrukturen und staatliche Organisationsformen zerstörte und wie in Jugoslawien als Besatzungsmacht auftrat. Außerdem soll sie ethnische Konflikte schlichten und beratend dazu beitragen, bürgerlich-parlamentarische Demokratieauffassungen, «abendländische» Wertvorstellungen und daraus abgeleitete Leitbilder für Menschenrechte durchzusetzen. Mit der OSZE wurden die KSZE-Prinzipien neuer gleichberechtigter internationaler Staatenbeziehungen de facto abgeschafft.

Die politische Unbeweglichkeit von Regierungen im ausgehenden 20. Jahrhunderts wurde im Bericht des «Club of Rome»[28] 1991 «Die globale Revolution» kritisiert:

«Regierungen bringen von sich aus selten Neuerungen hervor. Sie reagieren meist nur unter Druck... Doch auch dann, wenn Regierungen auf Forderungen nach Neuerungen eingehen, wirken sie ... dank ihres natürlichen Konservatismus häufig als Bremse. Wie andere Institutionen zeigen sie keine Neigung zur Selbstkritik und reagieren abwehrend auf Druck von außen. Sie halten ihre Methoden ... für optimal und für das einzige vernünftige Mittel, Probleme zu lösen...»[29]

Hier schließt sich der Kreis der Überlegungen zum bundesdeutschen Umgang mit Geschichte und speziell der Geschichte der NATO. Von Goethe und Schiller bis zu den Autoren der Berichte an den Club of Rome besteht ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen revolutionärem Denken und politischem Handeln von Bürgern/Citoyens. Die humanistischen Forderungen der Revolution von 1789, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, jährten sich 2009 zum 220. Mal - wahrlich ein Jubiläum von welthistorischer Bedeutung. Vor 120 Jahren, 1889, - noch ein Jubiläum - erschienen zwei weltbedeutende Bücher. Während Alfred Nobel gehofft hatte, die Zerstörungskraft des von ihm erfundenen Dynamits werde Kriege unmöglich machen, schrieb Bertha von Suttner «Das Maschinenzeitalter» und «Die Waffen nieder». Ihre Quintessenz lautete: «Der Mensch hat die Gefahr geschaffen, an ihm ist es, dieselbe zu verhüten.»[30]

Vor vierzig Jahren, am 21. Juli 1969, haben die amerikanischen Astronauten Neil Armstrong und Edwin Aldrin als erste Menschen unsere Erde vom Mond aus gesehen. Alle Kosmonauten und Astronauten seit Juri Gagarin, dem ersten Menschen im Weltraum, priesen die Schönheit unseres blauen Planeten und appellierten an alle Völker, unsere Erde und den Weltraum vor militanten Machthabern zu beschützen. Gagarins erster Start zu den Sternen am 12. April 1961 und die Landung amerikanischer Astronauten auf dem Mond 1969 bleiben trotz militärischer Aspekte für immer friedenspolitische Höhepunkte des 20. Jahrhunderts. Vielleicht erkennen erst spätere Generationen die wirklichen friedensbefördernden Zusammenhänge politischer Ereignisse des gesamten 20. Jahrhunderts, als sich in Ost- und Westeuropa aus ungleicher Bewertung der Kriegserfahrungen 1918 und 1945 zwei unterschiedliche ökonomische Richtungen als Staaten politisch konstituierten. Besonders aber ist erneutes Nachdenken erforderlich über den Sinn von Militärbündnissen wie die NATO.

ZUR POLITISCHEN ROLLE DER NATO NACH BEENDIGUNG DES OST-WEST-KONFLIKTS 1990

1990 zeichneten sich für die Beziehungen zwischen den Staaten Europas hoffnungsvolle Tendenzen ab, als die Staats- und Regierungschefs der 35 KSZE-Staaten am 21. November 1990 in ihrer «Charta von Paris für ein neues Europa» im ersten Absatz erklärten: «...dass sich unsere Beziehungen künftig auf Achtung und Zusammenarbeit gründen würden. ... Durch den Mut von Männern und Frauen, die Willensstärke der Völker und die Kraft der Ideen der Schlussakte von Helsinki bricht in Europa ein neues Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der Einheit an.»[31]

Zwei Tage vorher, am 19. November 1990, hatten die der NATO und der Warschauer Vertragsorganisation (WVO) angehörenden Länder in einer gemeinsamen Erklärung festgehalten, «... dass sie in dem anbrechenden neuen Zeitalter europäischer Beziehungen nicht mehr Gegner sind, sondern neue Partnerschaften aufbauen und einander die Hand zur Freundschaft reichen wollen. ... In diesem Zusammenhang bekräftigen sie ihre Verpflichtung, sich der Androhung oder Anwendung von Gewalt zu enthalten, die gegen die territoriale Integrität oder die politische Unabhängigkeit irgendeines Staates gerichtet ist, sowie des Versuches, bestehende Grenzen durch Androhung oder Anwendung von Gewalt zu ändern, und ferner aller Handlungen, die auf irgendeine andere Weise mit den Prinzipien und Zielen dieser Dokumente unvereinbar sind. Keine ihrer Waffen wird jemals eingesetzt werden, außer zur Selbstverteidigung oder in anderer Weise, die mit der Charta der Vereinten Nationen in Einklang stehen.»[32]

Auch die Staats- und Regierungschefs der NATO-Länder haben diese Dokumente unterschrieben. Nach der Selbstauflösung des Warschauer Militärbündnisses im Sommer 1991 erwarteten viele Bürger in Europa, dass auch die NATO aufhört zu existieren. Die vermeintlichen Gegner, zu deren Abwehr die NATO 1949 angeblich gegründet worden war, existierten nicht mehr. Die gesellschaftlichen Umbrüche in den bisher mit der UdSSR verbündeten Ländern Ost- und Mitteleuropas wurden im politischen Vokabular des Westens als «Volksrevolutionen» definiert. Andere sich jetzt demokratisch nennende Regierungen ehemaliger sozialistischer Staaten strebten aus unterschiedlichen Motiven nach NATO-Mitgliedschaft und trugen damit objektiv zur Erhaltung dieses Militärbündnisses bei. Dennoch war die NATO wegen ihres Weiterbestehens erheblich in Erklärungsnöte geraten.

Die NATO verstand sich bisher als transatlantisches Bindeglied und euroatlantische Sicherheitsorganisation gegen angeblichen Expansionismus der Ostblockstaaten. 1990 erklärte sie sich zum einzigen noch intakten Militärbündnis, das neue Wege zur Friedenserhaltung ankündigte und Militäraktionen auch außerhalb von NATO-Grenzen nicht ausschloss. Auf der Tagung des NATO-Ministerrats am 17./18. Dezember 1990 referierte NATO-Generalsekretär Manfred Wörner über die künftigen Aufgaben des Bündnisses bei der «europäischen Neuordnung» -- wie sie die NATO verstand - die «auf vier Pfeilern» ruhen würde: 1. NATO als Garant von Stabilität und Sicherheit, 2. EG als Motor der europäischen Integration, 3. Institutionalisierung der KSZE, 4. Europarat als moralischer Wächter für die bestehende Gesellschaftsordnung.[33] Diese Stichworte waren auf dem NATO-Gipfel in Rom im November 1991 Grundlage für eine neue Strategie und Gründung eines NATO-Kooperationsrates. Am 9./10. Dezember 1991 stellten die EG-Staaten in Maastricht die Weichen in Richtung Europäische Union, die Bundeskanzler Kohl am 13. Dezember wie folgt bewertete: «Dieses Vertragswerk...bedeutet eine grundlegende Weichenstellung für die Zukunft Europas... Wir haben damit ein Kernziel deutscher Europapolitik in die Tat umgesetzt ... ein tragfähiges Ergebnis...erreicht, das unsere wesentlichen Interessen wahrt...»[34] Er nannte das "Kernziel deutscher Europapolitik" zwar nicht, aber dass die ungehinderte wirtschaftliche Expansion in ost- und mitteleuropäische Staaten dazu gehörte, dürfte unbestritten sein.

Militär- und Wirtschaftsexperten in Bonn arbeiteten unter Verteidigungsminister Stoltenberg bereits an neuen Richtlinien über künftige Aufgaben der Bundeswehr - selbstredend im Rahmen der NATO. Stoltenbergs Nachfolger im Amt, Volker Rühe, gab seiner Rede auf der 33. Kommandeurstagung der Bundeswehr am 14. Mai 1992 in Leipzig die feinfühlige Überschrift: «Die Bundeswehr ist zentrales Element der Bündnisfähigkeit und der politischen Handlungsfähigkeit Deutschlands». Einige markige Sätze aus dieser Rede: «Unser Land ist in einer einzigartig günstigen Situation; denn niemals waren die Chancen größer, ein friedliches und freies Europa aufzubauen. Wir als Land im Herzen Europas haben alle Möglichkeiten, Frieden und Freiheit zu bestimmen ... Aber uns wächst auch neue Verantwortung zu... Jetzt ist Deutschland souverän ... Wir sind frei zu entscheiden. ... zugleich müssen wir ... Sicherheitsvorsorge für völlig andere Gegebenheiten ... betreiben... Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, in einer diffusen, unübersichtlichen Sicherheitslandschaft den Frieden zu gestalten, krisenträchtige Entwicklungen zeitgerecht zu erkennen und vorbeugend das Richtige zu tun ... Politik ist nicht Sache der Militärs; aber die Politik braucht militärischen Rat. Außerdem ist ... klarzumachen, wohin die Reise geht...»[35]

Über einige der von Rühe verwendeten Begriffe ist zweimal nachzudenken: Die Bundeswehr als zentrales Element politischer Handlungsfähigkeit, Deutschland kann Frieden und Freiheit bestimmen, hat neue Verantwortung, ist souverän, kann frei entscheiden. Was sind andere Gegebenheiten für Sicherheitsvorsorge? Das Ziel der Reisen und auch die Reisenden werden nicht genannt. Die schön klingenden Sätze sollen verdecken, dass im Widerspruch zu den obigen Erklärungen der Krieg wieder als Mittel von Politik eingesetzt wird.

Während die USA 1990/1991 den ersten Golfkrieg führten, hatten die Europäer mit den durch das vergrößerte Deutschland neuen politischen Gewichtungen in Europa zu tun. Der europäische Markt war auszuweiten, der Prozess der europäischen Einigung voranzubringen und das alles als Friedenssicherung auszugeben. In der Zeitschrift Leviathan wurde 1991 z. B. darüber sinniert, dass Deutschland «nach dem kontinuierlichen Aufstieg zu einer weltwirtschaftlichen Spitzenposition ... zukünftig eine größere Rolle gerade bei der militärischen Wahrung der internationalen Stabilität zu spielen» hätte. Aber je mehr sich «miteinander verflochtene Staaten zur Überlebensgemeinschaft» wandeln, um so eher «sinkt die Bedeutung des militärischen Faktors. Mit der Größe der zivilen Herausforderungen steigt auch der Stellenwert des zivilen Potentials der Gesellschaften... [die] westlichen Industriestaaten haben inzwischen das Stadium der Dominanz des 'Krieg(es) der Mächte' hinter sich gelassen. Es ist abgelöst worden durch die 'Konkurrenz der Ökonomien' ... Erst vor dem Hintergrund der Aufwertung ökonomischer, aber auch ökologischer Verflechtungen und Verwundbarkeiten kann ein Status- und Rangwechsel...eingeschätzt werden.»[36]

Wollte der Autor den Widerspruch in seinem Denken nicht merken? Warum sollte das vereinigte Deutschland auf militärischem Gebiet eine größere Rolle spielen, wenn der militärische Faktor in der internationalen Politik sinkt und die zivilen Herausforderungen steigen? Wessen Interessen bedient der Autor? Renommierte intellektuelle Kreise favorisierten für die Zukunft Europas zivile Denkrichtungen. In Regierungen verantwortliche Politiker, ihnen verbundene Militärs, Finanz- und Industriemagnaten setzten dagegen auf die NATO als ihr eigenes «Sicherheitssystem».

In diesem Kontext erließ der deutsche Verteidigungsminister Rühe am 26. November 1992 «Verteidigungspolitische Richtlinien für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung» (VPR). Von den fünf Zweckbestimmungen der VPR sind zwei besonders aufschlussreich.
«4. Der Aufbau im Osten unseres Landes ist gesamtstaatliche Schwerpunktaufgabe ... Die VPR setzen Schwerpunkte und Prioritäten, um in diesem Spannungsfeld Zielkonflikte zu vermeiden.
5. Die VPR sind verbindliche Grundlage...für die deutsche militärische Interessenvertretung nach außen.»

Der Einsatz der Bundeswehr wurde also nach innen und nach außen in Betracht gezogen, speziell beim Aufbau Ost, um in diesem «Spannungsfeld Zielkonflikte» zu vermeiden. Welches Spannungsfeld ist gemeint? Demontage volkseigener Betriebe, Demontage in der DDR verwirklichter Rechte der Frauen und der Jugend, Recht auf Arbeit, Recht auf Bildung usw.? Für die Außenpolitik wurde eingeräumt, dass sich die Umsetzung deutscher Interessen «...nicht in jedem Einzelfall mit den Interessen der Verbündeten und anderer Partner decken» wird. Alarmierend sind einige der zehn deutschen «vitalen Sicherheitsinteressen», die dem Geschäftsbereich Bundeswehr zugeordnet sind und damit den Einsatz militärischer Gewalt einschließen.
  • «(7) Förderung der Demokratisierung und des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts in Europa und weltweit;
  • (8) Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung;
  • (10) Einflussnahme auf die internationalen Institutionen und Prozesse im Sinne unserer Interessen und gegründet auf unsere Wirtschaftskraft, unseren militärischen Beitrag und vor allem unsere Glaubwürdigkeit als stabile, handlungsfähige Demokratie.»[37]
Freien Welthandel, eine gerechte Weltwirtschaftsordnung und Einflussnahme auf internationale Prozesse mit Hilfe militärischer Mittel - was für Gerechtigkeit und Freiheit soll das sein?

Die VPR 1992 zeigten, «wohin die Reise gehen sollte». Ab 1992 begannen in der NATO Diskussionen um Einsätze out of area, außerhalb des NATO-Territoriums, wofür eine Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat oder die KSZE (ab 1995 OSZE) angestrebt wurde. Die wirklichen globalen Probleme, Klima, Umwelt- und Energiefragen, weltweite Bildungsmisere, Hunger in Ländern der Dritten Welt u. a. m. rückten in den Hintergrund.

Was immer die NATO seit 1990 in Europa oder anderswo in der Welt angeblich an Friedensmissionen zur Verbreitung von Demokratie oder Durchsetzung von Menschenrechten durchgeführt hat, keines dieser verkündeten Ziele ist erreicht worden. Im Gegenteil, mit dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien und mit den Bombardierungen Belgrads am 10. März 1999 kehrte Krieg nach Europa zurück. Die Bundeswehr des vereinigten Deutschland beteiligte sich erstmals seit 1939 wieder an einer militärischen Aggression. Schon einmal, 1941, marschierten deutsche Truppen auf dem Balkan, jetzt würden sie als NATO-Mitglied den Völkern Jugoslawiens mit militärischen Mitteln angeblich Freiheit, Demokratie und Frieden bringen. Tatsächlich wurden nur Chaos angerichtet und historisch gewachsene gesellschaftliche Strukturen zerstört. In Jugoslawien und anderswo waren NATO-Soldaten für geostrategische Ziele der USA sowie Politik- und Kapitalinteressen imperialistischer Großmächte im Einsatz.

Eine Analyse der internationalen Entwicklung seit 1990 beweist, keiner der als kritisch für die Sicherheit der Staaten Europas und für den Weltfrieden benannten Konflikte wurde mit militärischen Mitteln von den USA allein oder im Verbund mit anderen NATO-Staaten gelöst. Im Gegenteil: Im ehemaligen Jugoslawien bestehende nationale und soziale Konflikte wurden durch Einmischungen von außen zugespitzt. Der Krieg verursachte Zerstörungen und ermöglichte Konzernen der Aggressor-Staaten, sich Bodenschätze des okkupierten Landes anzueignen.

Der Krieg der USA gegen den Irak beruhte auf frechen Lügen amerikanischer Geheimdienste. Das wirkliche Ziel war die Rückführung von Hussein verstaatlichter ausländischer Firmen zur Förderung irakischen Öls wieder in die Hände britischer und amerikanischer Ölmultis. Afghanistan wurde von den USA überfallen, angeblich um die Taliban, islamistische Terroristen von Al Kaida und ihren Anführer Bin Laden für die Zerstörung der Twin Towers in New York am 11. September 2001 zu bestrafen. Tatsächlich geht es um Öl, Gas und Geopolitik. Behauptungen deutscher Minister, die Bundeswehr führe in Afghanistan keinen Krieg, sondern baue Schulen, Krankenhäuser und Straßen, sind ebenso lächerlich und unglaubwürdig wie Minister Strucks Aussage, am Hindukusch würde deutsche Sicherheit verteidigt werden. Dieser USA-Krieg tobt im neunten Jahr, die NATO und andere «Willige» sind einbezogen, aber ein Ende des Krieges ist nicht zu erkennen. Selbst mit noch mehr Militär ist dieser Krieg nicht zu gewinnen. Er sollte darum politisch beendet werden, um dann mit Vertretern des Afghanischen Volkes nach Wegen zu suchen, wie die Zerstörungen in Städten und Dörfern beseitigt werden.

Zu den «Kampfmitteln» der NATO gehören Druck, Drohungen und Bestechungen. Regierungen werden unter ausländische «Schutztruppen» gestellt und gezwungen, in ihren Ländern neoliberale Maßnahmen wie Privatisierung und Deregulierung, Sozialabbau nach innen und Abhängigkeit nach außen zu akzeptieren. Der Druck wird noch vertieft, weil alle NATO-Staaten in die Milliarden verschlingende Banken- und Finanzkrise der führenden Industriestaaten von 2008/2009 verwickelt sind. Mit ihren «Hilfen» für ärmere Länder reichen sie die Krise weiter, was zusätzliche Gewinne bringt. Trotz des Wissens um die Ursachen der Krise haben die G-8-Staaten auf ihrem im Juli 2009 im italienischen L?Aquila durchgeführten Treffen Einigungen nur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner erzielt. Die aus der Portokasse ihrer Großbanken hingeworfenen Brosamen für Länder der Dritten Welt werden weder Hunger noch Not verringern.

Das alles sind Ursachen für wachsende Unsicherheit in der Welt. Dazu kommen Armeen und ihre materielle Ausrüstung. Die Staaten der EU werden laut Lissabon-Vertrag sogar zur Rüstung verpflichtet, was verharmlosend als Vervollkommnung ihrer «militärischen Fähigkeiten» bezeichnet wird. Alle Mitgliedstaaten werden dazu von einer Rüstungsagentur beraten, die raffinierterweise «Ständige Strukturierte Zusammenarbeit» genannt wird bzw. als «Verteidigungsagentur» dafür zu sorgen hat, dass in den Mitgliedstaaten «zweckdienliche Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors und für einen wirkungsvolleren Einsatz der Verteidigungsausgaben» erfolgen.[38] Militär und Rüstung sind seit eh und je Quellen und Bestandteile von Unsicherheit und erzeugen immer wieder neues soziales und politisches Konfliktpotential. Ungehemmte Profitsucht und rücksichtsloses Streben nach Macht über andere sind die wesentlichen Charakteristika dieses kapitalistischen Systems. Sie bergen in sich die Zerstörung unserer Erde. Von allen auf unserer Welt lebenden 6,7 Milliarden Menschen (Juli 2007) werden ca. fünf Milliarden primär von Eliten dieses gesellschaftspolitischen Systems regiert. Imperialismus behindert aus Profitsucht Entwicklungs- und Lebensbedingungen der Menschen und treibt die rapide wachsende Bevölkerung zunehmend ins Elend.

Die Gier nach schrankenloser Weltherrschaft der USA hat Zbigniew Brzezinskis in seinem Buch «Die einzige Weltmacht - Amerikas Strategie der Vorherrschaft» [39] beschrieben. Die Durchsetzung der Ziele amerikanischer Außenpolitik ist durch ungehemmte Konkurrenz des Kapitals untereinander kennzeichnet und in die NATO eingeordnet. Der im NATO-Bündnis festgelegte Protagonismus der USA dient als Instrument zur Reglementierung auch der Bündnispartner. Konflikte zwischen Großmächten der NATO sind bei divergierenden imperialen Zielen nicht auszuschließen, machen Kriege möglich und befördern immer neuen Rüstungswahnsinn. Niemand kann sagen, die unsere Welt bedrohenden Gefahren wären nicht zu bestimmen. Selbst wenn man die von NATO-Generalsekretär Rasmussen am 1. Oktober 2009 aufgezählten «Gefahren» nimmt, ist keine mit militärischer Gewalt zu bändigen.[40] Im Gegenteil, das Militärbündnis NATO ist Teil dieser verhängnisvollen Entwicklungstendenzen. Ihnen müssen die Bürger aller Völker Einhalt gebieten und den Verfallsprozess von Demokratie im Innern aufhalten.

Der Vorschlag der Partei DIE LINKE, das Geflecht globaler Probleme in den internationalen Beziehungen mit zivilen Mitteln und Methoden zu entwirren und nicht mit Gewalt und Militär zu verschärfen, beruht auf einer sachlich konkreten Analyse am Beginn des 21. Jahrhunderts. Entmilitarisierung von Politik und Abrüstung sollten damit beginnen, ein kollektives Sicherheitssystem aufzubauen, in das alle europäischen Staaten und Russland einbezogen sind und dem die USA und Kanada beitreten können. Dieses Angebot neuen Denkens und neuer Politik sollte kritisch geprüft und in strategische Konzepte zur Lösung globalen Probleme umgesetzt werden. Die NATO jedenfalls ist ein Relikt des Kalten Krieges, sie ist unzeitgemäß und gehört aufgelöst, keine noch so geschickte politisch-moralische Kosmetik kann darüber hinwegtäuschen.

HYSTERISCHE NATO-STRATEGEN IGNORIEREN HISTORISCHE ERFAHRUNGEN

«Das große Karthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten.» (Bertolt Brecht)[41]

Kein früheres Weltreich hat Weltmachtambitionen seiner Protagonisten überlebt, mögen sie auch noch so raffinierte Waffen geschaffen haben. Bei Anwendung der heutigen Nuklear- und Hightech-Waffen geht nicht nur ein Weltreich zugrunde, sondern die Menschheit als Ganzes.

Aus Afghanistan - ohne auf Ursachen, Hintergründe und Zusammenhänge einzugehen - musste die Sowjetunion nach schweren Verlusten abziehen. Die Bitte der aus der Volksrevolution in Afghanistan im April 1978 hervorgegangenen Regierung Babrak Karmal, das Land vor ausländischer Einmischung zu schützen, konnte die UdSSR nicht erfüllen. Die USA hatten militante Taliban und anderen sowjetfeindliche durch die Revolution gestürzte Kräfte politisch angestachelt und mit Waffen ausgerüstet, um - wie Brzezinski USA-Präsident Carter empfohlen hatte - «der UdSSR ihren Vietnamkrieg zu geben».42 Acht Jahre dauert nunmehr der Krieg der USA und der NATO, angeblich gegen Bin Laden, Al Qaida-Terroristen und die Taliban, ohne erkennbare Erfolge. Auch mit noch mehr Soldaten und modernen Hightech-Waffen ist dieses Volk nicht zu besiegen. Man kann die Taliban beschuldigen, dass sie ihr eigenes stolzes Volk unterdrücken, Okkupanten mit terroristischen Mitteln bekämpfen und dabei Tote aus dem eigenen Volk nicht scheuen - aber man kann ihnen nicht vorwerfen, dass sie sich gegen ihre Besatzer verteidigen, die sie deswegen des Terrorismus bezichtigen. Seit dem 19. Jahrhundert ist Afghanistan geopolitisch Streitobjekt zwischen Großmächten, anfangs zwischen Russland und Großbritannien, heute wollen die USA von hier aus Russland und China und die Shanghai-Organisation unter Kontrolle haben. Außerdem geht es den USA und ihren Verbündeten in Afghanistan um Gas und Öl bzw. Gas- und Ölleitungen. Nicht zuletzt ist der Mohnanbau seit Anwesenheit der USA-Truppen in Afghanistan erheblich erweitert worden, so dass zur Zeit 93 % der Opiate auf dem Weltmarkt von hier kommen, sehr zur Freude über zusätzliche Gewinne der Finanzmafia der Wall Street.

Auf den 2003 eröffneten Krieg gegen den Irak und wie er von USA-Geheimdiensten herbeigeschwindelt wurde, gehe ich hier nicht ein. Die Welt wurde betrogen und belogen.

In Jahrhunderten gewonnene Kriegserfahrungen und Lehren aus Befreiungskriegen bestätigten sich beispielhaft im 20. Jahrhundert: Das Aufbegehren versklavter oder überfallener Völker ist nicht ewig zu unterdrücken, auch nicht mit raffinierten Umschreibungen der wahren Ursachen für Kriege und Konflikte. Laut Fischer-Almanach 2008 gab es 2006 in der Welt 278 politische Konflikte. «Sechs davon waren innerstaatliche Kriege, 29 ernste Krisen mit wiederholtem Gewalteinsatz.» Die Zahl der Konflikte ist gestiegen, nach den Ursachen der Konflikte wird nicht gefragt. Bestimmt wird der «Konfliktgegenstand» (KGD). Bei den Kriegen z. B. so:
  • Irak (Rebellen) KGD: Nationale Macht, System / Ideologie.
  • Afghanistan (Taliban) KGD: System / Ideologie, nationale Macht.
  • Israel (Hisbollah) KGD: System / Ideologie."[43]
Darüber hinaus gab es 29 «ernste Krisen». Die UNO schickte 2006 in die Krisenregionen 18 Friedensmissionen, die NATO ist im Kosovo (Serbien) und Afghanistan als internationale «Schutztruppe» tätig - wen schützt sie eigentlich? Die EU ist in Bosnien-Herzegowina stationiert, außerdem mit Missionen in Mazedonien, in der DR Kongo, in Palästina, Moldawien, Ukraine u. a. m. All diese «Friedenseinsätze» werden nahezu automatisch Militärs übertragen, zivile Konfliktlösungen sind konzeptionell nicht ausgearbeitet. In vielen Konfliktregionen sind «Warlords» und private militante Banden tätig, die z. T. Positionen in öffentlichen Verwaltungen bis hin zu Ministerien der Länder innehaben und von interessierten ausländischen Privatiers finanziert werden. Die Warlords interessiert nur Macht, Gewalt und Profit. Neben den Warlords agieren private Militärfirmen im Auftrage von Regierungen im Irak, in Afghanistan, auf dem Balkan, in Peru und Kolumbien in Lateinamerika und anderen Krisenregionen in Afrika. Solche Firmen gibt es in den USA (das Pentagon hatte 2003 für sie 30 Milliarden Dollar eingeplant), in Kuweit, in Großbritannien und in Deutschland (Fa. Optronik in Königsborn bei Unna, Nordrhein-Westfalen).[44]

Die USA unterhielten 2008 weltweit 865 Militärstützpunkte mit mehr als 190.000 Soldaten in 46 Staaten und Territorien.[45] Das ist ein ungeheures Konfliktpotenzial. Neue Ängste um unsere Welt schürt die US-Konferenz zur Raketenabwehr im Weltraum (US Space and Missile Defense Conference) vom 17. bis 20. August 2009 in Huntsville/Alabama. Die Zeitschrift "Global Research.ca" vom August 2009 berichtet, dass an der Konferenz ca. 2000 Teilnehmer zusammensaßen, darunter der neue NASA-Chef Ex-General Bolden, führende Militärs, die wichtigsten Rüstungsfirmen der USA sowie einflussreiche Industrielle und Politiker. Hauptthema: die Pläne von USA und NATO für einen Raketenabwehrschild in Europa voranzutreiben. Im Verteidigungskonzept von 1999 betrachtete die NATO ihre strategischen Atomwaffen als "die wichtigste Garantie für die Sicherheit der Verbündeten... besonders die der Vereinigten Staaten, ...die der NATO in Europa zur Verfügung gestellt werden..." Gegenwärtig werden etwa 350 Atombomben von US-Einheiten auf Flugplätzen in den NATO-Staaten Deutschland, Belgien, Italien und den Niederlanden gelagert und bewacht. "Die Pläne der USA und der NATO für einen Raketenabwehrschild in Europa sind untrennbar mit dem beabsichtigten globalen Raketen-Abfangnetz und der Militarisierung des Weltraums verknüpft und werden keinesfalls in einem strategischen Vakuum entwickelt."[46] Die Konferenz soll neuen Versionen strategischer Atomwaffen Impulse verleihen. Die ehemalige USA-Außenministerin Albright leitete eine entsprechende Kommission. Alle diese Raketenfanatiker vom August 2009 in Alabama sind potentielle Kriegsverbrecher, die den USA durch Krieg zur Weltherrschaft verhelfen wollen.

Wie weit die Bundeswehr in diese Wahnsinnspläne eingebunden ist, kann man in den "Verteidigungspolitischen Richtlinien für die Bundeswehr (VPR)" von 2003 und im "Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr" von 2006 nachlesen. Was darin über Ursachen von Krieg und Krisen sowie abgeleitet über Anforderungen an die Sicherheitspolitik der NATO steht, ist nur schwer mit den realen politischen und sozialen Entwicklungen in der Welt in Übereinstimmung zu bringen. Würde es wirklich um Freiheit, Fortschritt, Demokratie, Menschenrechte, Bekämpfung von Terrorismus, Piraterie usw. gehen, dann ist Hochrüstung mit Atom-U-Booten, Atombomben, Raketen, Langstreckenbombern usw. eine Fehlentscheidung, solche Massenvernichtungswaffen sind sinnlos zur Terroristenbekämpfung.

POLITISCH-MORALISCHE DENKANSTÖSSE

Manche der nachfolgenden Denkanstöße werden Widersprechen herausfordern. Das ist gewollt. Niemand hat fertige Antworten zur Hand, im Streitgespräch kann neues Denken neue Wege zur Lösung von Problemen entdecken. Man sollte es versuchen. Geschichte ist bekanntlich nach vorn offen und nicht auf nur eine Entwicklungsrichtung festgelegt. Historische Prozesse sind zudem nicht frei von jähen Wendungen. Aus älterer und jüngster Zeit ist bekannt, wenn Völker, nationale oder soziale Menschengruppen von ihren Herrschern über längere Zeit als Objekte manipuliert worden sind und Bedrängnisse unerträglich wurden, dass dann politisch Ein- und Weitsichtige als handelnde Subjekte in die Geschicke ihrer Gesellschaft eingegriffen haben. Am sichtbarsten wurde dieser Vorgang am zielbewussten Handeln nationaler Befreiungsbewegungen in Ländern der Dritten Welt. In den vierziger/fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts haben China und Korea, in den sechziger Jahren die Völker Afrikas ihr Kolonialjoch abgeworfen. Das Volk Vietnams hat französische Eindringlinge im Mai 1954 bei Dien Bien Phu das Fürchten gelehrt und in den siebziger Jahren den US-amerikanischen Invasoren militärisch und politisch eine Niederlage bereitet. Mehr als eine halbe Million US-Soldaten konnten den Befreiungskampf Vietnams nicht aufhalten. Die arabische Welt steht heute im Abwehrkampf gegen amerikanische Bevormundung und militärische Bedrohung durch NATO-Staaten. Afrika organisiert sich neu nach innen und außen. Vor Jahrzehnten auf die USA gesetzte antikoloniale Hoffnungen sind aufgezehrt, Großmächte wie China und Indien sind an ihre Stelle getreten.

Aus der Kenntnis der Kraft von Volksbewegungen und im Wissen um den militärpolitischen Amoklauf verantwortungsloser Machtpolitiker und profitgieriger Waffenproduzenten der NATO in den USA und Europa leiten sich Denkanstöße ab, wie Kriege mit massenhaftem Mord und Totschlag und Zerstörungen von Städten und Dörfern verhindert, unsere Welt vor einem atomaren Inferno bewahrt und statt eines ungehemmte Raubbaus an endlichen Ressourcen der Menschheit für fortgesetzten Rüstungswahnsinn endlich alle natürlichen und menschlichen Potentiale ausschließlich in friedliche Richtungen umgelenkt werden können.

Der wichtigste Denkanstoß und erste Schritt zum Frieden ist die Aufklärung der Völker.

Entgegen höchst raffiniert ausgedachten Feindbildern wird das Leben der Völker nicht von irgendwelchen Terroristen von außen bedroht, sondern im Inneren von militärischer Rüstung, Rüstungsforschung und Dienst in Interventionsarmeen. Es ist zynisch, jungen Leuten Streitkräfte als "Arbeitsgeber" zu preisen, der "eine große Zahl abwechslungsreicher Berufe und interessanter Karrieren" gewährt.[47] Was für Berufe und Karrieren bietet eine "Armee im Einsatz"? Für welche Leistungen werden Ingenieure und Techniker in Forschungslabors für Atomwaffen prämiert? Was empfinden Arbeiter in Waffenfabriken über ihren vermeintlich "sicheren" Arbeitsplatz, der sie verpflichtet, Waren zur Tötung anderer Menschen zu produzieren? Kein Bürger darf zulassen, dass seine natürliche politische Moral unmoralischer Politik geopfert wird. Es gibt keine vernünftige Begründung, Männer und Frauen Apparate bauen zu lassen, um Männer, Frauen und Kinder anderer Länder in den Tod zu schicken und ihre Häuser zu zerstören.

Brechts Worte auf dem Völkerkongress für den Frieden in Wien 1952 sind noch immer gültig: "Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer. Die Beschreibungen, die der New Yorker von den Greueln der Atombombe erhielt, schreckten ihn anscheinend nur wenig. Der Hamburger ist noch umringt von Ruinen, und doch zögert er, die Hand gegen einen neuen Krieg zu erheben. Die weltweiten Schrecken der vierziger Jahre scheinen vergessen. Der Regen von gestern macht uns nicht nass, sagen viele. Diese Abgestumpftheit ist es, die wir zu bekämpfen haben, ihr äußerster Grad ist der Tod... Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde! Lasst uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind! Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden."[48]

Völker brauchen weder Aufrüstung noch Militärbündnisse, durch Rüstungskonversion könnten nützliche Arbeitsplätze geschaffen werden und zweckmäßige Berufschancen entstehen.

Ein zweiter Aspekt, aus historischen Erfahrungen resultierend, lautet: Kriege als Mittel politischer Gewalt gegen Krisen, welcher Art sie auch sein mögen, sind im 21. Jahrhundert endgültig obsolet. Zustimmung von Parlamenten über Rüstungsaufträge schließt Krieg ein und untergräbt wegen sinnlosen Missbrauchs von Ressourcen menschliche Existenzbedingungen. Welcher Bürger welchen Volkes braucht Krieg oder will Krieg, welcher Vater und welche Mutter wünscht dem Sohn oder der Tochter "Arbeit" oder "Karriere" im Atom-U-Boot unter Wasser oder als Bomberpilot mit Atomwaffen an Bord über fremden Staaten? Wissenschaftlich-technischer Fortschritt und neue Technologien für den zivilen Bereich können ohne "Umweg" über Rüstungsforschung wesentlich kostengünstiger entwickelt werden, indem Ressourcen nicht aus Profitinteressen zu bloßer Zerstörung vergeudet werden.

Als die Naziwehrmacht 1941 durch Europa marschierte, erklärte der damalige USA-Präsident Roosevelt seine Entschlossenheit, Kriegsverbrecher bis ans Ende der Welt zu verfolgen.[49] Am 6. Januar 1941 verkündete er "vier entscheidende Freiheiten der Menschheit", deren vierte lautet: "Die vierte Freiheit ist die Freiheit von Furcht. Das bedeutet, gesehen vom Gesichtspunkt der Welt, weltweite Abrüstung, so gründlich und so weitgehend, dass kein Volk mehr in der Lage sein wird, irgendeinen Nachbarn mit Waffengewalt anzugreifen - überall in der Welt."[50] Heute gibt es keine Freiheit von Furcht mehr, Furcht und regelrechte Angstpsychosen sind mehr denn je zu Mitteln von Politik geworden, um Völker manipulieren zu können. Roosevelt schrieb am 11. April 1945, einen Tag vor seinem Tod, in seine Rede zum Gedenken an Thomas Jefferson [51]: "Wir streben nach Frieden - dauerhaftem Frieden. Wir wollen nicht nur das Ende dieses Krieges, wir wollen Schluss machen mit allem, was zu Kriegen führt - ja Schluss machen mit dieser brutalen, menschenunwürdigen und völlig unbrauchbaren Methode, Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierungen auszutragen."[52] Sein Denken beeinflusste die UN-Charta.

65 Jahre später hat Präsident Barak Obama Roosevelts Ideen in seiner Prager Rede aufgegriffen: "Als Nuklearmacht, als einzige Atommacht, die diese Nuklearwaffe eingesetzt hat, haben die Vereinigten Staaten eine moralische Pflicht, hier zu handeln. Wir können das nicht alleine leisten, aber wir können führend dabei sein. Wir können das einleiten. Ich möchte heute also ganz deutlich und mit Überzeugung Amerikas Bereitschaft erklären, den Frieden und die Sicherheit in einer Welt ohne Atomwaffen anzustreben. Ich bin nicht naiv. Das Ziel wird sich nicht rasch erreichen lassen. Vielleicht auch nicht in der Zeit meines Lebens. Es wird Geduld und Beharrlichkeit erfordern. Aber jetzt müssen wir die Stimmen jener ignorieren, die sagen, dass die Welt sich nicht ändern kann. Wir müssen darauf bestehen und sagen: Yes, we can. (...)"[53]

Obama hat mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Selbst in der deutschen Friedensbewegung misstrauen Vertreter seinen Worten und halten den Friedensnobelpreis für ihn für verfrüht. Vielleicht ist er verfrüht. Aber schlimmer ist, dass die ständig beschworene "internationale Gemeinschaft" der NATO-Staaten sich zur Abschaffung aller Atomwaffen bisher wenig konstruktiv geäußert hat. Bei völkerrechtswidrigen Aktionen anderer USA-Präsidenten waren die Verbündeten vorneweg bei Erklärungen von Völkerrechtsbruch und Gewalt. Die mit Misstrauen beobachteten Russen haben Obama sofort erbetene Unterstützung angeboten. Und seine "Freunde" in der NATO? Die am 24. September 2009 einstimmig angenommene Resolution des UN-Sicherheitsrates für eine atomwaffenfreie Welt haben die im Sicherheitsrat vertretenen NATO-Staaten zwar unterschrieben, aber konkrete Schritte in diese Richtung sind unbekannt.

Der Wille zum Frieden von Regierungen und ihr unbestechliches Handeln gegen Krieg sind der Anfang der Hinwendung auf globale Probleme von heute, dabei ist die NATO überflüssig.

Ein dritter Denkanstoß

weist auf bestehende Demokratie in internationalen Beziehungen hin. Seit 1945 gibt es in der Welt die Organisation der Vereinten Nationen (UNO). Zusammensetzung und Funktionen des UN-Sicherheitsrates sind entsprechend den heutigen weltpolitischen Konstellationen zu überprüfen, um seine Aktionsfähigkeit im Interesse aller Staaten auf allen Kontinenten zu erhöhen. Der NATO aber, deren führende Staaten alle im Sicherheitsrat fest verankert sind - und in dem Deutschland Ständiges Mitglied werden möchte [54] - darf nicht erlaubt werden, die UNO zu demontieren, sich zum Weltpolizisten aufzuschwingen und Weltherrschaft auszuüben. In der UNO haben alle Staaten die gleichen Rechte und Pflichten, das macht ihren einzigartigen demokratischen Charakter aus. Die UNO ist die bedeutendste Errungenschaft in der Geschichte multinationaler zwischenstaatlicher Beziehungen und des Völkerrechts. Mit Bezug auf vorher über Kräfteverhältnis Gesagtes brachte Miguel d'Escoto Brockmann, Präsident der UNO-Generalversammlung 2008/2009, im Juni 2009 mit seiner Einladung an alle 192 UN-Mitgliedstaaten neue Töne in die internationale Diskussion, als er forderte, nach der jüngsten Wirtschaftskrise müsste "Die Stimme der G192 Gehör finden", wenn es um Beschlüsse zur Weltwirtschaft geht. "Wir sind nicht damit einverstanden, dass nur eine Gruppe von acht oder zwanzig Staaten Rede- und Entscheidungsrecht hat."[55] Der von ihm eingebrachte Entwurf einer Abschlusserklärung wurde von den westlichen Demokratien abgelehnt - wie lange noch?

Die UNO und ihre Charta sind ein Kompendium modernen demokratischen Völkerrechts, die ohne Wenn und Aber vor Demontageversuchen durch NATO-Staaten zu verteidigen sind.

Viertens

sei ins Gedächtnis zurückgeholt, die KSZE besaß bei ihrer Gründung 1975 eine aus der UNO-Charta abgeleitete demokratische Struktur der souveränen Gleichheit aller Mitgliedstaaten. Die "Schlussakte von Helsinki" 1975, aber auch die "Charta von Paris für ein neues Europa" von 1990 sind völkerrechtlich einzigartige Dokumente des Respekts vor Souveränität und Gleichheit aller Teilnehmerstaaten als oberstem Prinzip.

Beide völkerrechtlichen Dokumente wurden durch die NATO-Staaten in ihrer Wirkung eingeschränkt. Die in der KSZE für alle Mitgliedstaaten vereinbarte Gleichberechtigung gibt es nicht in der NATO und auch nicht in der EU. Im "Vertrag von Lissabon" (in der Fassung von 2008) wurde im Abschnitt 2 "Bestimmungen über die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik" (Art. 42 bis 46) immer wieder am Text gedeutelt und Begriffe wie "bestimmte", "teilnehmende" "betroffene" Mitgliedstaaten, für jeden spezifische Abstimmungsmöglichkeiten und Beschlussfassungen mit "Qualifizierter Mehrheit" erfunden, um unterschiedliche Kompetenzen großer und kleiner, mächtiger und schwächerer Mitgliedsstaaten zu kaschieren.?[56] Diese Mechanismen möchten NATO und EU zu ihrem Nutz und Frommen verewigen, darum wollen sie Befragen der Bürger aller Teilnehmerstaaten zu europäischen Grundsatzfragen verhindern. Die "Europäische Union" (EU mit Europäischem Rat, Ministerrat, Parlament usw.) und auch die NATO, eine reine Militärorganisation, sind de facto "Überregierungen". Ein kollektives Sicherheitssystem unter Einbeziehung Russlands ist darum auch immer ein Kampf um mehr Demokratie und Gleichberechtigung in den internationalen Beziehungen.

Eine historisch gewachsene politische Tatsache im Europa unserer Tage besteht darin, dass hier drei Organisationsformen von Staatengruppierungen bestehen: die NATO, die EU und die KSZE, die als OSZE allerdings ihrer politischen Hauptaufgabe entledigt wurde. Unabhängig von politisch-ideologisch geprägten Bewertungen aller drei Gruppierungen (wenn man OSZE als Nachfolgeorganisation der KSZE nimmt, ohne dem zuzustimmen) ist nicht zu übersehen, dass die KSZE als am weitesten demokratisch strukturiertes Bündnis während des Kalten Krieges ein funktionierendes kollektives Sicherheitssystem in Europa gewesen ist - ohne Staaten auszuschließen. Auf der Grundlage der Erfahrungen der KSZE, damit unter Einbeziehung Russlands, der USA und Kanadas, muss es doch bei gutem Willen aller beteiligten Regierungen möglich sein, in Europa ein Staatenbündnis mit aus der UNO abgeleiteten demokratischen Strukturen, friedenspolitischen, wirtschaftspolitischen und kulturpolitischen Aufgaben sowie Verantwortlichkeiten unter den heutigen Gegebenheiten in Europa neu zu fassen. Dann wird sich zeigen, dass ein Militärbündnis wie die NATO nicht mehr erforderlich ist. Auf den Punkt gebracht: Was unter den Bedingungen der Konfrontation der Militärblöcke möglich war, das muss doch nach der Konfrontation unter einem veränderten internationalen Kräfteverhältnis erst recht möglich sein.

SCHLIESSLICH

könnte der Wandel von Militärbündnissen in anderen Regionen anregend sein. Während in der UNO und der KSZE alle Teilnehmerstaaten gleichrangig und jeweils mit einer Stimme vertreten sind, gilt das für die meisten internationalen Organisation entweder gar nicht oder nur mit Einschränkungen. Bei der Suche nach möglichen Vorbildern für ein kollektives Sicherheitssystem unter Einbeziehung Russlands bieten sich auch die Erfahrungen der ASEAN-Staaten an. Dieser Verband von zehn Südostasiatischen Staaten mit einer Bevölkerung von 575 Millionen Bürgern ist aus dem 1954 gegründeten und 1977 aufgelösten Militärbündnis SEATO hervorgegangen, das auf Betreiben der USA gegen die Sowjetunion und die mit ihr verbündeten Staaten einschließlich der Volksrepublik China gerichtet war. Diese Staaten haben sich im August 1967 in Bangkok (Thailand) als ASEAN-Verband neu gegründet und verstehen sich heute als eine "wirtschaftspolitische Interessengemeinschaft". Die ASEAN-Staaten haben außerdem Verbindungen zu Australien, der VR China, der EU, Indien, Japan, Kanada, Südkorea, Neuseeland, Russland und den USA, die sie ihre "Dialogpartner" nennen und mit deren Staats- und Regierungschefs regelmäßige Konsultationen stattfinden.

Von besonderem Interesse bei der Suche nach Erfahrungen dürften auch die Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit (SCO - Shanghai Corporation Organization)[57] sein. Der SCO vorausgegangen war 1996 ein "Vertrag über die Vertiefung des militärischen Vertrauens in Grenzregionen" zwischen Russland, der VR China, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan. 1997 unterzeichneten diese Staaten einen Vertrag über die Reduzierung der Streitkräfte in Grenzregionen. 2004 wurde eine "Regionale Anti-Terrorismus-Struktur" zur Koordinierung der Anti-Terror-Aktivitäten im zentralasiatischen Raum geschaffen. Neben der Terrorbekämpfung will die Organisation die wirtschaftliche Kooperation und den Kulturaustausch befördern. Wie bei den ASEAN-Staaten ist auch in diesem Bündnis die Zurücknahme militärischer Komponenten zugunsten anderer Schwerpunkte zu erkennen.

AU -- Afrikanische Union, der gegenwärtig 53 afrikanische Staaten angehören, hat 2001/2002 die Nachfolge der OAU, der Organisation für afrikanische Einheit angetreten. Im Mittelpunkt der internationalen Tätigkeit der AU stehen wirtschaftliche Aspekte und der Anteil Afrikas am Welthandel. Sicher bieten noch weitere internationale Organisationen Anknüpfungspunkte, um der Militarisierung internationaler Organisationen entgegenzutreten. Dazu gehört auch der GCC-Golfkooperationsrat, gegründet im Mai 1981, ihm gehören Bahrein, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate an. Die "Union Südamerikanischer Staaten" (UNASUR), der zwölf unabhängige Staaten Lateinamerikas angehören, wurde erst am 23. Mai 2008 gegründet. Ihre Ziele sind der Kampf gegen "Ungleichheit, soziale Ausgrenzung, Hunger, Armut und Unsicherheit". Im März 2009 wurde ein gemeinsamer Verteidigungsausschuss gebildet. Die Regierungen wollen die Kooperation in militärischen Angelegenheiten vertiefen, um der verstärkten militärischen Präsenz der USA in dieser Region Paroli bieten zu können.

Die Umgestaltung internationaler Staatenbündnisse von Militärorganisationen zu zivilen wirtschaftspolitischen Vereinigungen entspricht den Erfordernissen unserer Zeit.

ABSCHLIESSEND

soll ein Denkanstoß von Thomas Mann die Überlegungen abrunden. Thomas Mann -- damit komme ich zum Anfang und zu Goethe und Schiller zurück -- hat sich in seinem Essay "Goethe und die Demokratie" zu Goethes Auffassung vom "europäischen Deutschland" bekannt, "das ist zugleich das im weitesten Sinne des Wortes ?demokratische? Deutschland, dasjenige, mit dem sich leben lässt, das der Welt nicht Furcht, sondern Sympathie erregt, weil es teilhat an der demokratischen Menschheitsreligion, von der das moralische Leben des Abendlandes letztlich bestimmt ist und die gemeint ist, wenn wir das Wort 'Zivilisation' sprechen."[58] Das schrieb Thomas Mann 1949. Ein Jahr später verfasste er für die amerikanische Zeitschrift "Aufbau" einen Artikel "J?accuse -- Wider die Selbstgerechtigkeit der besseren Welt". Darin kritisierte er die "herrschenden Tendenzen der öffentlichen Meinungsbeeinflussung..., die von machtpolitischen Zwecken nicht nur nicht frei ist, ... die seit Ende des Krieges die Umfälschung des Problems Ordnung der Welt in die Technik der Blockbildung betreiben."[59] Dieser Aufsatz schließt an seine Mahnung vom "Antibolschewismus als Grundtorheit unserer Epoche"[60] aus den vierziger Jahren an: "Solange die bürgerliche Welt der kommunistischen Verheißung nichts anderes entgegenzusetzen hat als das untauglich gewordene Ideal des privatwirtschaftlichen Erwerbslebens, des Profits, der Konkurrenz..., solange wird es schlecht um unsere Aussichten stehen, den Kommunismus aus der Welt zu schaffen ... Vor der zügellosen Hysterie, in die ein Wort- und Wut-Fetisch wie 'Kommunismus' heute die Menschen versetzt, ist mir schon oft ein Grauen gekommen."[61]

Wenn das Ziel einer atomwaffenfreien entmilitarisierten Welt nicht in unendliche Ferne rücken soll, dann müssen die friedenswilligen Kräfte unabhängig von weltanschaulichen und religiösen Unterschieden miteinander, nicht gegeneinander arbeiten. Im Miteinander aber hat Antikommunismus keinen Platz, unabhängig davon, wie viele Vertreter des Kommunismus selbst zu seiner Diskreditierung beigetragen haben. Eines ist vor aller Welt offensichtlich geworden: mit militärischen Mitteln ist keines der anstehende globalen Probleme zu lösen. Die NATO ist ein Instrument der Zerstörung, unfähig zum Aufbau. Sie steht in Afghanistan vor einem unaufhaltsamen Fiasko. Daran kann aber niemand interessiert sein, auch Linke nicht. In dieser Situation sind Überlegungen linker Politiker und Parteien, Militärbündnisse aller Art schrittweise in Kollektive Sicherheitssysteme umzuwandeln, denkbare Alternativen. Es geht um Sicherheitssysteme, deren Teilnehmer sich als Gleichberechtigte in einem Kollektiv souveräner Staaten verstehen und sich gegenseitig Sicherheit im umfassenden Sinne garantieren, nicht nur militärisch.

Die deutsche Partei DIE LINKE hat mit dem Vorschlag in ihrem Bundestagswahlprogramm, anstelle der NATO schrittweise ein kollektives Sicherheitssystem zu errichten, außenpolitischen Vorlauf demonstriert. Damit hat die Linkspartei de facto auf Friedrich Engels und seine Aufsatzreihe 1893 zurückgegriffen: "Kann Europa abrüsten?" Mit einem Zitat daraus schließe ich:

"Seit fünfundzwanzig Jahren rüstet ganz Europa in bisher unerhörtem Maß. Jeder Großstaat sucht dem andern den Rang abzugewinnen in Kriegsmacht und Kriegsbereitschaft... Und doch rufen in allen Ländern die Volksklassen, die fast ausschließlich die Masse der Soldaten stellen und die Masse der Steuern zu zahlen haben, nach Abrüstung. ... Ich behaupte: Die Abrüstung und damit die Garantie des Friedens ist möglich, sie ist sogar verhältnismäßig leicht durchführbar, und Deutschland, mehr als ein andrer zivilisierter Staat, hat zu ihrer Durchführung die Macht wie den Beruf."[62]

Fußnoten
  1. John D. Bernal: Welt ohne Krieg. Berlin (DDR) 1960, S. 48.
  2. Ebenda, S. S. 439 und 472.
  3. Der Bericht «The Global 2000 Report to the President», wurde von Präsident Carter 1977 in Auftrag gegeben und 1980 veröffentlicht. Seit dieser Zeit wird der Begriff «Globale Probleme» regelmäßig verwendet.
  4. Interview für AP am 24. 1. 1977. Darin verwies er auf einen Drei-Stufen-Programm: 1. Zuerst ein neues SALT-Abkommen SU-USA; 2. Abbau der Atomwaffenbestände der USA und der Sowjetunion; 3. Die USA würden sich um den Abbau der Atomwaffen bei Allen Nationen bemühen.
  5. Marco Seliger: Der Schatten der Krise. In: «loyal - Magazin für die Bundeswehr», Nr. 9/2009, S. 6 u. s. 8/9.
  6. Vorschlag der SU über die Verurteilung der Vorbereitung eines neuen Krieges und den Abschluss eines Fünf-Mächte-Paktes zur Festigung des Friedens am 23.9.1949, vor der IV. Vollversammlung der Vereinten Nationen als Resolutionsentwurf unterbreitet. In Handbuch der Verträge 1871-1964, Berlin (DDR) 1968, S. 491. Der Vorschlag enthielt außerdem, Militärbündnisse und Militärstützpunkte auf fremden Territorien sowie Atom- und andere Massenvernichtungswaffen zu verbieten. Die Vorschläge wurden abgelehnt.
  7. Attac = Association Pour une Taxation des Transactions Financières pour L'Aide aux Citoyens (Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der BürgerInnen) mit rund 90 000 Organisationen und Einzelmitgliedern in 50 Ländern.
  8. Johann Wolfgang von Goethe gestorben am 22. März 1832, Friedrich von Schiller gestorben am 9. Mai 1805.
  9. Alle folgenden Zitate aus: Friedrich Schiller: Was und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? In: Schillers Werke Nationalausgabe. Weimar 1970, 17. Band Historische Schriften, S.359-376.
  10. In dem "Aufruf an die Europäer" heißt es u.a.: "Während Technik und Verkehr uns offensichtlich zur faktischen Anerkennung internationaler Beziehungen und damit zu einer allgemeinen Weltkultur drängen, hat noch nie ein Krieg die kulturelle Gemeinschaftlichkeit des Zusammenlebens so intensiv unterbrochen, wie der gegenwärtige.. Die Welt ist durch die Technik kleiner geworden ... Darum scheint es nicht nur gut, sondern bitter nötig, dass gebildete Männer aller Staaten ihren Einfluss aufbieten, dass ... die Bedingungen des Friedens ... dazu genutzt werden, um aus Europa eine organische Einheit zu schaffen. Die technischen und intellektuellen Bedingungen dafür sind gegeben ..." Zitiert nach Zeitschrift GEP Geschichte, Erziehung, Politik, Heft 8/1997, S. 361.
  11. Indem Deutschland mit der Regierung Sowjetrusslands einen Friedensvertrag aushandelte, erkannte es als einziges Land Sowjetrussland völkerrechtlich an, das war wiederum positiv.
  12. Der französische Marschall Ferdinand Foch (1851-1929) war 1918 Oberbefehlshaber der westlichen Alliierten.
  13. Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg. Frankfurt/M. 2007, S. 23/24, im Kapitel: Die Torheiten der Sieger.
  14. Um nur einige Beispiele zu nennen: KP Ungarns November 1918, KP Polens Dezember 1918, KP der Niederlande April 1919, KP Jugoslawiens April 1919, KP Amerikas und KP Mexikos im September 1919, KP Spaniens im April 1920, KP Indonesiens Mai 1920, KP des Iran Juni 1920, KP Großbritanniens August 1920, KP der Türkei und KP Uruguays im September 1920, KP Australiens im Oktober 1920, KP Luxemburgs im Januar 1921 usw.. Am II. Weltkongress der KI in Petrograd im Juli/August 1920 nahmen ca. 200 Vertreter von über 37 Kommunisten Parteien aus aller Welt teil.
  15. Jörg Barberowski: Was war die Oktoberrevolution? In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), Thema Oktoberrevolution. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, Nr. 44-45/2007, S.7 - 13. In dem Beitrag heißt es u. a «In der Atmosphäre des Hasses traten die Bolschewiki als Advokaten hemmungsloser Gewalt auf... Der Krieg war die Lebensform der Bolschewiki... Denn der Bürgerkrieg war ein Vernichtungskrieg, in dem nur siegen konnte, wer den Gegner vollständig auslöschte..., der verbrannte Erde, materielle und seelische Verwüstungen hinterließ... Die Bolschewiki zerrissen die dünne Schicht der Zivilisation, die sich in einem Jahrhundert über das alte Russland gelegt hatte, sie vernichteten das europäische Russland, seine Eliten und Wertvorstellungen und ersetzten sie durch eine barbarische und maßlose Gewaltherrschaft.» Die weiteren 5 Beiträge sind mit ähnlicher Diktion geschrieben.
  16. Gründung des Völkerbunds 1919, die Konferenz in Genua und der Vertrag von Rapallo 1922, das Genfer Protokoll 1925 mit dem Verbot von Gas und bakteriologischen Waffen stärkten die Friedenskräfte. Der Briand-Kellogg-Pakt 1928 verurteilte «...Krieg als Mittel für die Lösung internationaler Streitfälle... und ... als Werkzeug nationaler Politik...» Zitiert nach: Handbuch der Verträge 1871 - 1964. Berlin (DDR) 1968, S. 254.
  17. Winston Churchill, a. a. O., S. 13. Siehe dazu über die britische Hinhaltepolitik: Das Archiv Dirksen (1937-1939) - Dokumente und Materialien aus der Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges, 2 Bde., Moskau 1949.
  18. Die Konferenz von San Franzisco 1945. Reihe: Die Sowjetunion auf internationalen Konferenzen während des Großen Vaterländischen Krieges 1941 - 1945. Band 5, Moskau/Berlin (DDR) 1988, S. 470.
  19. Der offizielle Schlüssel der Zusammensetzung des SR lautet: 5 Ständige Mitglieder mit Vetorecht (die Atommächte Russland, China, USA, Frankreich, Großbritannien) und zehn nichtständige Mitglieder jeweils für zwei Jahre, davon 3 aus Afrika, 2 aus Asien, 2 aus Lateinamerika und Karibik, 1 aus Osteuropa, 2 aus Westeuropa, Nordamerika und andere. Bei dieser Zusammensetzung fragt man sich nach dem Sinn des deutschen Drängens nach einem Ständigen Sitz im Sicherheitsrat, wenn Europa jetzt schon überproportional vertreten ist. Wer heute eine Reform des Sicherheitsrates fordert, sollte aber nicht beim Vetorecht der fünf Großmächte beginnen, sondern prüfen, ob alle Kontinente gleichermaßen im Sicherheitsrat vertreten sind, um ihre Interessen zu vertreten. Drei der Ständigen Mitglieder und zwei der zehn nichtständigen Mitglieder des SR (z. Zt. Italien und Belgien) gehören der NATO an, so dass Westeuropa und die USA zusammen fünf Vertreter im Sicherheitsrat haben.
  20. Das Atlantische Bündnis - Tatsachen und Dokumente. 7. Aufl. 1990. Eine Allianz für die neunziger Jahre, S. 17.
  21. Bei expansionistischen Plänen hätte die Sowjetunion ihre Truppen z. B. aus Nordnorwegen nicht schon im September 1945, aus der Tschechoslowakei im November 1945, von der Insel Bornholm im April 1946, aus der Mandschurei und Nordiran im Mai 1946, aus Bulgarien im Dezember 1947 und aus Nordkorea nicht im Dezember 1948 abgezogen. Das war vor der Gründung der NATO.
  22. Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg. Frankfurt/Main 207, S. 944 und 988.
  23. Goebbels hatte 1942 in der Wochenzeitung «Das Reich» verkündet: «Das ist für uns der Sinn des Krieges: Wir kämpfen nicht um Ideale; wir kämpfen um die ukrainischen Weizenfelder, um das kaukasische Erdöl, den Reichtum der Welt. Gesundstoßen wollen wir uns.» Zitiert nach Aufruf der KPD, vom 11. Juni 1945, in: Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Reihe III, Band 1, Berlin (DDR) 1959, S. 14.
  24. Im Punkt 17. Heißt es u. a.: «...Die Eigentumsverhältnisse werden nach dem Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit und den Erfordernissen des Gemeinwohls geordnet... Post und Eisenbahn, Kohlenbergbau und Energieerzeugung sind grundsätzlich Angelegenheiten des öffentlichen Dienstes. Das Bank- und Versicherungswesen unterliegt der staatlichen Kontrolle.» Zitiert nach: Helmut Kistler: Die Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945-1983. Bonn 1985, unveränderter Nachdruck 1991, S. 68.
  25. Siehe dazu u. a.: Diether Posser: Anwalt im Kalten Krieg. Ein Stück deutscher Geschichte in politischen Prozessen 1951-1968. München 1991. Heinrich Hannover: Die Republik vor Gericht 1954-1974. Erinnerungen eines unbequemen Rechtsanwalts. Berlin 1998.
  26. Die sozialistischen Staaten Europas schlossen sich 1955 im «Warschauer Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand» zusammen, nachdem die BRD Mitglied der NATO geworden war.
  27. Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vom 1. August 1975. Zitiert nach: Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Dokumente 1972-1975, S. 590.
  28. Der Club of Rome wurde 1968 von Aurelio Peccei, einem der FIAT-Chefs, und dem Schotten Alexander King, einem der OECD-Direktoren, als freiwilliger Verbund von zukunftsorientierten Unternehmern, Wissenschaftlern und Politikern gegründet. Er hat heute etwa 100 Mitglieder. Das Ziel des Clubs ist «die gemeinsame Sorge und Verantwortung um bzw. für die Zukunft der Menschheit». 1972 erschien als erste Publikation der Bericht an den Club of Rome «Die Grenzen des Wachstums», dessen Mahnung vor zerstörerischen Handlungen von Menschen international großes Aufsehen erregte. Bis heute sind 33 solche «Berichte an den Club of Rome» bekannt.
  29. Alexander King, Bertrand Schneider: Die Globale Revolution - Ein Bericht des Rates an den Club of Rome, 1991. Zitiert nach Spiegel Spezial, Nr. 2/1991, S. 105.
  30. Bertha von Suttner: Die Waffen nieder. Berlin 1990, S.413.
  31. Charta von Paris für ein neues Europa. Erklärung des KSZE-Treffens der Staats und Regierungschefs vom 21. November 1990. Zitiert nach: Blätter für deutsche und internationale Politik (Blätter...) Heft 1/1991, S. 105.
  32. Gemeinsame Erklärung von zweiundzwanzig Staaten (NATO und WVO) vom 19. November 1990. Ebenda, S.115.
  33. Zitiert nach: Lothar Schröter: Die NATO im Kalten Krieg, Band 1 von 1949 bis 1975, Band 2 von 1976 bis 1991. Eine Chronik. Edition Militärgeschichte Band 7, Kai Homilus Verlag Berlin 2009, Band 2, S. 1062.
  34. Das Parlament. Nr. 52-53 vom 20./27. Dezember 1991, S. 3.
  35. Volker Rühe: Betr.: Bundeswehr. Sicherheitspolitik und Streitkräfte im Wandel. Berlin Bonn Herford 1993, S. 11 f.
  36. Klaus Dieter Wolf: Das neue Deutschland - eine «Weltmacht»? In: Leviathan, Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Heft 2/1991, S. 253/254.
  37. Verteidigungspolitische Richtlinie vom 26. November 1992, zitiert nach Blätter..., Heft 9/1993, S. 1138/1139. Ausführlich dazu in Ingomar Klein/Wolfgang Triebel: «Helm ab zum Gebet!» Militarismus und Militarisierung - ein deutsches Schicksal? Trafo Verlag Berlin 1999, S. 27-37.
  38. Siehe Vertrag von Lissabon. Sonderdruck des Europäischen Parlaments, gedruckt von der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2008. Art. 42 - 46, hier Art. 42 (3) und 45 (1) c).
  39. Dieses Buch enthält die folgende Widmung: «Meinen Studenten - möge das Buch ihnen dabei helfen, die Welt von morgen zu gestalten.» Erschienen 1997.
  40. Am 1. Oktober 2009 tagten in London NATO und Lloyd's of London, die führende Versicherungsgesellschaft der Welt, zur neuen NATO-Strategie. NATO-Generalsekretär Rasmussen nannte künftige Kriegsgründe, bei denen die NATO eingreifen müsste: Piraterie, Sicherheit und Verteidigung des Internets, Klimawandel, extreme Wetterereignisse, Ansteigen des Meeresspiegels, große Völkerwanderungen, Wasserknappheit, Dürrekatstrophen, Nahrungsmangel, neue Ressourcen unter den schmelzenden Polkappen, Erderwärmung, CO²-Emissionen, Sicherung von Fabriken, Leitungssystemen und Häfen gegen Stürme und Überflutungen, Sicherung der Energieversorgung, humanitäre und Naturkatastrophen, Stürme, Überflutungen und Bevölkerungsbewegungen, Energieeinsparung, Reduzierung der Abhängigkeit von ausländischen Energiequellen. Siehe NATO vom 1. Oktober 2009.
  41. Bertolt Brecht: Offener Brief an die deutschen Künstler und Schriftsteller vom 26. September 1951. In: Bertolt Brecht: Schriften zur Literatur und Kunst, Berlin (DDR) 1966, Band II, S.194.
  42. Interview der französischen Wochenzeitung «Le Nouvel Observateur» vom 15. - 21. 1. 1998. Auf Fragen antwortete Brzezinski u. a.: Tatsache ist, dass Präsident Carter am 3. Juli 1979 die erste Direktive zur Unterstützung der Opposition gegen das prosowjetische Regime in Kabul unterzeichnete. Und an dem gleichen Tag habe ich dem Präsidenten eine Note geschrieben, in der ich ihm erklärte, dass dies meiner Ansicht nach eine Intervention der Sowjets nach sich ziehen würde.... Wir haben die Russen nicht dazu gedrängt einzumarschieren, aber wir haben wissentlich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie es tun...Als die Sowjets ihre Intervention rechtfertigten, indem sie vorgaben, gegen eine geheime Einmischung der Vereinigten Staaten in Afghanistan zu kämpfen, hat ihnen niemand geglaubt... Diese Geheimoperation war eine ausgezeichnete Idee. Sie hatte zur Folge, dass die Russen in die afghanische Falle tapsten... Am Tag, als die Sowjets offiziell die Grenze überquerten, habe ich an Präsident Carter geschrieben: ,Wir haben jetzt die Möglichkeit, der UdSSR ihren Vietnamkrieg zu geben'.
  43. Fischer Weltalmanach 2008, Abschnitt Kriege und Konflikte, S. 30/31.
  44. Unter diesen Aspekten ist Ziffer 85 der VPR für die Bundeswehr von 2003 interessant. Dort heißt es, dass zur Vermeidung doppelter Kapazitäten "der Verzicht auf einzelne Fähigkeiten" der Bundeswehr durchaus möglich ist, "wenn diese von anderen Streitkräften geleistet und übernommen werden können".
  45. In der größten USA-Militärkolonie außerhalb der USA, in Kaiserslautern, lebten 2006 insgesamt 14 485 Soldaten der US-Army und US-Air Force, 16 440 Familienangehörige der Militärs, 13 588 US-Zivilangestellte mit Angehörigen.
  46. Rick Rozoff: Pentagon Plans For Global Military Supremacy. In: Global Research. ca , Centre for Research on Globalization, 22. August 2009.
  47. Arbeitgeber Bundeswehr. Bundeswehr Wir sichern Zukunft. Hg. Bundesministerium für Verteidigung. O.J., S. 4..
  48. Bertolt Brecht: Schriften zur Politik und Gesellschaft Band II, Berlin und Weimar 1968, S. 219/210.
  49. Leider haben sich seine Nachfolger nicht daran gehalten. Im Dezember 1949 wurden 60 Kriegsverbrecher aus dem Landsberger Gefängnis vorzeitig entlassen, im Januar 1950 zehn von fünfzehn Todesurteilen in Gefängnisstrafen umgewandelt, 32 weitere Kriegsverbrecher sofort entlassen, darunter Krupp, der zugleich sein Vermögen zurückbekam. Im gleichen Jahr kehrten ca. 400 Nazikriegsspezialisten - Generale, Politiker, Juristen, Industrielle und Wehrwirtschaftsführer - aus der Haft in westlichen Ländern nach Deutschland und in neue Ämter zurück.
  50. Präsident Roosevelt: Amerika und Deutschland 1936-1945. Auszüge aus Reden und Dokumenten. Hg. Im Auftrage der Regierung der Vereinigten Staaten. O.J. (1946), S. 38. Die drei anderen Freiheiten lauten: "Die erste Freiheit ist die Freiheit der Rede und der Meinungsäußerung - überall in der Welt. Die zweite Freiheit ist die Freiheit eines jeden, Gott auf seine Weise zu dienen - überall in der Welt. Die dritte Freiheit ist Freiheit von Not. Das bedeutet, gesehen vom Gesichtspunkt der Welt, wirtschaftliche Verständigung, die für jede Nation ein gesundes, friedliches Leben gewährleistet - überall in der Welt." (S. 37)
  51. Thomas Jefferson: (1743 - 1826) 1801 - 1809 Präsident der USA; Jefferson war Vorkämpfer für Menschenrechte.
  52. Präsident Roosevelt, a. a. O., S. 102.
  53. Prager Rede von USA-Präsident Barak Obama am 5. April 2009. http://www.welt.de/politik/article3507024.
  54. Hier bietet sich an, einen Gedanken Bertolt Brechts aus einem Artikel "Das Andere Deutschland" aus dem Jahre 1943 einzufügen: "...Eines ist sicher... wenn die Beherrscher Deutschlands militärisch besiegt werden, wirtschaftlich aber an der Macht bleiben, dann ist eine Befriedung Europas undenkbar...." In: Bertolt Brecht, Schriften zur Politik, Band II, a. a. O., S. 294.
  55. Siehe Neues Deutschland vom 24. Juni 2009, S. 2.
  56. Vertrag von Lissabon. Hg. Europäisches Parlament. Bonn 2008, S. 55 - 59.
  57. Im Mai 2001 in Shanghai gegründet, Mitglieder sind China, Russland, Usbekistan, Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan; die Mongolei, Indien, Pakistan und Iran haben einen Beobachterstatus, Dialogpartner sind Afghanistan, die ASEAN-Staaten, die GUS-Staaten, Sri Lanka, Weißrussland; Turkmenistan und Nepal haben ihr Interesse an dieser Organisation bekundet.
  58. Goethe und die Demokratie. In: Thomas Mann: Über deutsche Literatur. Reclam Leipzig, o. J. (1963), S. 92/93.
  59. Thomas Mann: J?accuse -- Wider die Selbstgerechtig-keit der besseren Welt. In: Blätter für deutsche und inter-nationale Politik, Heft 12/1991, S. 1437. Hervorhebungen bei Thomas Mann,
  60. Dies ist ein verkürztes Zitat aus einem Vortrag, den Thomas Mann am 13. Oktober 1943 in Washington und danach in anderen Städten der USA gehalten hat, so dass auch variierende Fassungen dieser Aussage überliefert sind. Seine Tochter Erika Mann hat folgende zusammenhängende Darlegung ihres Vaters autorisiert:"...ich glaube, ich bin vor dem Verdacht geschützt, ein Vorkämpfer des Kommunismus zu sein. Trotzdem kann ich nicht umhin, in dem Schrecken der bürgerlichen Welt vor dem Wort Kommunismus, diesem Schrecken, von dem der Faschismus so lange gelebt hat, etwas Abergläubisches und Kindisches zu sehen, die Grundtorheit unserer Epoche." Siehe dazu: Thomas Mann, Schriftsteller der Gegenwart. Hilfsmaterial für den Literaturunterricht an den Ober- und Fachschulen der DDR, Berlin 1954, S. 120/121, und Junge Welt vom 6. Juni 2005, Aufsatz von Dr. Seltsam (Internet: http://www.drseltsam.net/thomasmann.html).
  61. Blätter ... a. a. O., Nr. 12/1991, S. 1444/1445.
  62. Friedrich Engels: Kann Europa abrüsten? In: MEW a. a. O., Band 22, S.373.

Hg. Birgit Daiber. ROSA LUXEMBURG FOUNDATION BRUSSELS OFFICE
Ave. Michel-Ange 11, 1000 Brüssel, Belgien Blog: http://blog.rosalux-europa.info/

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