Statt NATO ein kollektives Sicherheitssystem zur Demokratisierung internationaler Beziehungen
Von Wolfgang Triebel
GLOBALE PROBLEME – GLOBALE BEDROHUNGEN – INTERNATIONALES KRÄFTEVERHÄLTNIS
Der britische Wissenschaftler John D. Bernal hat bereits in den
fünfziger Jahren in seinem Buch «Welt ohne Krieg» auf universell
bestehende Gefahren für die Menschheit aufmerksam gemacht. Ohne den
Begriff globale Probleme zu verwenden, müssten alle für die Welt
bedrohlichen Sachverhalte als Ganzes untersucht werden. Dabei wären aber
«...die großen Unterschiede (zu) berücksichtigen..., die zwischen dem
einen und anderen Lande ... bestehen. Diese Ungleichheit...erzeugt nicht
nur Spannungen, sondern ist auch ... Kriegsgefahr».[1] Am Ende
seiner Betrachtung der Probleme der Menschheit kam er zu folgender
Erkenntnis:
«Wenn wir die Weltwirtschaft nicht umwandeln, wird ein
sehr großer Teil der Menschheit vorzeitig sterben... Wenn wir so
fortfahren wie jetzt, wird dadurch, dass die verfügbaren Naturschätze
unseres Planeten aufgebraucht werden, das Verderben in Form der
Bodenerosion, des Brennstoffmangels und der allgemeinen Verarmung, am
direktesten aber in Form von Hungersnöten und Krankheiten herannahen....
Wir stehen vor der Alternative: Krieg oder Frieden... Der Krieg, der
immer unmoralisch war, hat heute jeden Sinn verloren... Ein Krieg wäre
ein Selbstmord aus Tollheit.»[2] Dieser letzte Satz Bernals,
konsequent zu Ende gedacht, bedeutet: Bei allen die Völker bewegenden
ökonomischen, ökologischen, sozialen u. a. Problemen ist die Verhütung
von Kriegen und die Sicherung des Friedens das globale Problem Nummer
eins. Dient die NATO wirklich diesem Ziel?
Ich greife zu Beginn diese Gedanken Bernals auf, um zu zeigen, wie viel
Zeit vergangen ist, ohne dass eines der genannten Probleme entschärft
worden ist, obgleich Regierungen von Großmächten die Brisanz dieser
offenen Fragen bekannt war. Das belegen z.B. der sowjetische Vorschlag
zum Verbot von Atomwaffen von 1946 und mehrere Angebote auch aus der DDR
über atomwaffenfreie Zonen in Europa, sowie der vom ehemaligen
USA-Präsidenten Carter in Auftrag gegebene und 1980 vorgelegte Bericht
«Global 2000»[3]. Er enthielt Strategien der USA auch zur Entwicklung
der Weltbevölkerung, zu Luft- und Klimaverschmutzung, Hunger,
Rohstoffverknappungen, Ressourcenmangel u.a.m. Die militärpolitische
Ost-West- Konfrontation, NATO und Warschauer Pakt, behinderten die
Hinwendung auf die Interessen der gesamten Menschheit. Präsident Carter
hat im Interview nach seiner Amtseinführung 1977 die Abschaffung aller
Atomwaffen als Ziel seiner Politik bezeichnet.[4] Daraus wurde nichts.
Der jetzige USA-Präsident Barak Obama hat ebenfalls diesen Willen
bekundet, hoffentlich mit mehr Erfolg.
Seit dem Ende des Kalten Krieges 1990 sind zwei Jahrzehnte vergangen.
Die Völker Europas hofften, dass sich vor allem die Regierungen der
Großmächte nunmehr den globalen Menschheitsfragen - Energie, Wasser,
Umwelt, Eindämmung von Not, Armut, Hunger, Überwindung von
Analphabetismus, Kindersterblichkeit usw. sowie den Ursachen von
Arbeitslosigkeit - widmen würden. Die Nöte von Menschen in armen Ländern
der Dritten Welt haben in den letzten Jahren wahre Völkerwanderungen
bewirkt. Das bedeutet politische und soziale Krisen in globalen
Dimensionen, die Kriegsgefahren in sich bergen. Statt endlich Hoffnungen
der Völker zu erfüllen, führen Regierungen aus Tollheit neue Kriege um
geopolitische Interessen. Es ist ein Teufelskreis: Wenn Menschen sich
und ihre Kinder nicht mehr ernähren können, besteht die Gefahr, dass sie
zu Mitteln der Gewalt greifen, die Gegengewalt der Herrschenden
provoziert. In wessen Auftrag handelte die NATO, wenn Kriege und
Konflikte seit 1990 mehr geworden sind?
Die USA dominieren die internationale Politik, um das internationale
Kräfteverhältnis einseitig für sich zu stabilisieren. Weltweit agierende
Wirtschafts- und Finanzgiganten verfolgen eigene außenpolitische
Strategien zur globalen Marktbeherrschung in von ihnen bestimmter
Weltwirtschaftsordnung. Das von den USA beherrschte Militärbündnis NATO,
1949 angeblich zur Abwehr sowjetischer Expansion gegründet, wurde nach
Aufhebung der militärischen Konfrontation zwischen Ost und West
Instrument der NATO-Großmächte zur Durchsetzung ihrer
wirtschaftspolitischen Ziele. Seit 1945 gab es in Europa keinen «heißen»
Krieg, mit NATO-Bomben auf Bosnien 1995 kehrte er zurück. Statt Krieg in
Europa abzuschaffen, haben NATO-Staaten ihn unter Bruch des Völkerrechts
gegen Jugoslawien wieder zum legitimen Mittel zur Durchsetzung
politischer Ziele gemacht. 14 deutsche Tornados gehörten zu den 400
Flugzeugen und 60 000 NATO-Soldaten. Inzwischen beteiligen sich
NATO-Staaten an Kriegen im Kaukasus, in Afghanistan, im Irak, in der
Golfregion und Dutzenden anderen Konfliktherden auf allen Kontinenten.
Deutschland mischt eifrig mit, angeblich zu unseres Volkes Sicherheit.
Deutsche Wirtschafts- und Finanzkreise beanspruchen eine stärkere
Stellung in der Weltpolitik und Weltwirtschaft.
Für die Bundeswehr gibt es das «Magazin für Sicherheitspolitik». Im
Septemberheft 2009 schrieb der Chefredakteur im Hauptartikel von
«außerordentlich komplexen Herausforderungen für die Sicherheit und
Stabilität Deutschlands... Die globalen Folgen der Weltwirtschaftskrise
werden die Politiker zwingen, endlich die Interessen des Landes
eindeutig und präzise zu definieren und die Bürger auf eine harte
Konkurrenz um den künftigen Platz der Bundesrepublik in der neuen
Weltordnung einzustellen.» Bundesdeutsch heißt das: Das Debakel in
Afghanistan stellt die militärstrategische Führungsfähigkeit der USA und
die in den USA ausgelöste Finanzkrise ihre wirtschaftspolitische
Kompetenz infrage. Deutsches Kapital will abermals deutsche «Politiker
zwingen», seinen Interessen zu dienen. Am Ende des Artikels werden
sieben
«Risiken und Gefahren für Deutschlands Sicherheit»
genannt: 2. Einsatz von Nuklearwaffen, 3. Weiterverbreitung von
ABC-Waffen, 4. Destabilisierung ganzer Regionen, 5. Islamistischer
Terror, 6. Unterbrechung der Energieversorgung, 7. Drogenhandel. An
erster Stelle aller Gefahren steht:
«Klassische militärische
Bedrohungen: Russische Revisionsgelüste in seinem strategischen ,Vorhof'
(Baltikum, Ukraine); iranische Raketen- und Nuklearprogramme (Welche
Verteidigungsoptionen hat Europa?)»[5]
Antisowjetismus aus dem Kalten Krieg wird mit heutiger Russophobie
verbunden und bewusst zur Fehldeutung der internationalen Lage
verbreitet. Wäre Russland tatsächlich eine Gefahr für Deutschland und
Europa, sollte es - wie in der KSZE - in ein kollektives europäisches
Sicherheitssystem einbezogen werden, anstatt die NATO-Osterweiterung bis
an Russlands Grenzen zu treiben. Seit 1949 behaupten Repräsentanten der
NATO, dieses Militärbündnis verteidige Frieden und Sicherheit der
europäischen Zivilisation gegen unberechenbare Angreifer. Vielleicht
muss ins Gedächtnis zurückgerufen werden: Die UdSSR hatte sich am 31.
März und am 19. Juli 1949 in Memoranden gegen die Errichtung der NATO
gewendet. Wenn es aber, wie behauptet, ein Friedensbündnis ist, dann
möchte die UdSSR Mitglied der NATO werden. Das haben die NATO-Staaten
zurückgewiesen. Noch anregender für heutiges Nachdenken könnte der
Vorschlag der UdSSR vom 23. September 1949 vor der IV.
UNO-Vollversammlung sein, dass die laut UN-Charta
«Hauptverantwortlichen für die Aufrechterhaltung des internationalen
Friedens und der Sicherheit fünf.... ständigen Mitglieder des
Weltsicherheitsrates ... zu diesem Ziel ihre Bemühungen vereinen und
untereinander einen Pakt zur Festigung des Friedens abschließen.»[6]
Ein solches Bündnis entsprach aber nicht den Interessen der
NATO-Gründerstaaten, beim damaligen Kräfteverhältnis konnten sie die
Annahme dieses Vorschlags in der UNO verhindern.
Seit dem Jahrhundertwechsel sind z.T. erhebliche Veränderungen im
internationalen Kräfteverhältnis zu erkennen, auch wenn viele Wandlungen
noch in Bewegung und nicht abgeschlossen sind. Neben Russland sind die
Volksrepublik China und Indien als Großmächte in die Weltpolitik
eingetreten. Die Staaten Lateinamerikas organisieren sich, sie wollen
nicht länger Hinterhof der USA sein. Die afrikanischen Staaten beginnen
sich als Kontinent mit eigenen Interessen zu definieren. So konnten die
USA in keinem afrikanischen Staat einen zentralen Standort für das
Oberkommando der US-Army für Afrika finden. Die transatlantischen
Beziehungen sind durch den in der NATO bestehenden Führungsanspruch der
USA nicht ungestört. Die sicherheitspolitischen Prioritäten der USA und
Westeuropas sind nicht unbedingt identisch. Das gilt ähnlich für
Interessen der USA und der europäischen NATO-Staaten im Kaukasus,
gegenüber den GUS-Staaten, Zentralasien, Nahost, Nordafrika, der
Golfregion sowie China und Ostasien.
Auf Veränderungen im internationalen Kräfteverhältnis wirken weiterhin
Nichtregierungsorganisationen (NGO) wie Attac [7], amnesty international
mit fast 2 Millionen Mitgliedern in 150 Ländern, Greenpeace mit ca. 3
Millionen Mitgliedern in 40 Ländern. Mit dem ersten Weltsozialforum im
Januar 2001 in Porto Alegre in Brasilien entstand unabhängig von
politischen Parteien und Regierungen eine neue Kraft, die als ihr Ziel
nur mit zivilen Mitteln erklärt: «Eine andere Welt ist möglich!»
Unterschiedliche Haltungen europäischer Staaten zum Irakkrieg und zur
Einbeziehung der NATO in den Krieg gegen Afghanistan weisen auf
Widersprüche in der NATO hin. Damit deutet sich an, dass dieses
transatlantische Bündnis kaum eine Zukunft haben wird.
Dennoch halten CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in ihren
Programmen zur Bundestagswahl 2009 und CDU, CSU und FDP in ihrem
Koalitionsvertrag an der NATO fest. Nur DIE LINKE hat im Wahlprogramm
vorgeschlagen, die NATO durch
«... ein kollektives Sicherheitssystem
unter Beteiligung Russlands» zu ersetzen. Dieses Konzept geht von
den politischen und ökonomischen Realitäten am Ende des ersten
Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts aus. Für die anderen Bundestagsparteien
ist dieser Vorschlag ein Zeichen außenpolitischer Führungsunfähigkeit.
Es ist schon makaber, wenn für sie eine Partei nur dann außenpolitisch
führungsfähig ist, wenn sie für NATO und Aufrüstung eintritt,
Militarisierung der EU unterstützt und Truppen out of area in alle Welt
schickt. Die Linken lehnen generell alle aggressiven Militärbündnisse ab.
Man kann also festhalten: Die internationalen Bedingungen haben sich
verändert, und es melden sich zivile Kräfte, die auf eine Welt des
Friedens und des sozialen Fortschritts hinsteuern, in der die Völker
globale Probleme gemeinsam und ohne Waffengewalt lösen wollen. Auf
welche Seite stellen wir uns als Deutsche?
DIE GRÜNDUNG DER NATO IM BUNDESDEUTSCHEN GESCHICHTSVERSTÄNDNIS
Zum Verstehen der Rolle der NATO in den internationalen Beziehungen nach
1949 ist ein Blick in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts
erforderlich. Sechzig Jahre NATO standen am Anfang der offiziellen
Jubiläen des Jahres 2009, es folgten sechzig Jahre BRD und zwanzig Jahre
Fall der Berliner Mauer. Diese Feste sollen die sechzig Jahre
Bundesrepublik Deutschland im schönsten Glanz erscheinen lassen. Der
260. Geburtstag Goethes am 28. August 1749 und der 250. Geburtstag von
Friedrich Schiller am 10. November 1759 [8] wurden vielfach übersehen.
Gerade Schillers Denkansätze sind zur Deutung historischer Tatsachen bis
heute hoch aktuell. In seiner Antrittsrede als Geschichtsprofessor in
Jena «Was und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte» am 26.
Mai 1789 - vor 220 Jahren, wahrhaft jubiläumswürdig -, unterschied
Schiller bei Historikern - anwendbar auch auf Politikwissenschaftler -
zwischen dem
«Brodgelehrten», den jede Neuerung abschreckt,
«denn sie zerbricht die alte Schulform, die er sich so mühsam zu
eigen machte» [9], und dem
«philosophischen Kopf», dessen
«Bestrebungen auf Vollendung seines Wissens gerichtet sind... [den]
neue Entdeckungen im Kreise seiner Tätigkeit...entzücken... der die
Wahrheit immer mehr geliebt hat als sein System, und gerne...selbst der
Erste ist, der es unbefriedigt aus einander legt, um es vollkommener
wieder herzustellen...».
Im heutigen Deutschland muss es viele «Brodgelehrte» geben, die beim
Rückblick ins 20. Jahrhundert nicht wahr haben wollen, dass Politik und
Geschichte inhaltlich durch die Oktoberrevolution 1917 in Russland
geprägt wurden. In der fünfbändigen Propyläen-Geschichte Europas ist der
Band «1917 bis zur Gegenwart» mit «Die Krise Europas» überschrieben.
Aber nicht Europa war in die Krise geraten, sondern das kapitalistische
System, als im Ausgang des 19. Jahrhunderts einige Großmächte ihre
nationalen Grenzen zwecks Neuaufteilung der Welt überschritten. Bei
Ausbruch des ersten Weltkrieges forderten Albert Einstein, Wilhelm
Foerster und andere im Oktober 1914 in einem «Aufruf an die Europäer»,
neue wissenschaftlich-technische Entdeckungen nur für den Frieden zu
nutzen. Dieser Aufruf ist heute noch aktueller als damals.[10]
Im dritten Jahr des Weltkrieges erschütterte die russische
Oktoberevolution 1917 Europas morsches kapitalistisches System. Aus
Furcht vor europaweiter Ausstrahlung Sowjetrusslands und Lenins «Dekret
über den Frieden» überfielen kaiserliche deutsche Truppen am 23. Februar
1918 das im Aufbruch befindliche Rußland. Ab März 1918 wollte die
deutsche Regierung in Brest-Litowsk Sowjetrussland durch erniedrigende
Friedensbedingungen aus der Geschichte vertreiben.[11] In
antibolschewistischer Kumpanei marschierten am 9. März 1918 britische
Truppen in Murmansk ein, am 5. April 1918 Japaner in Wladiwostok,
deutsche Truppen in die Ukraine, Belorussland und ins Baltikum.
Zaristische Generale sammelten Kräfte im Kaukasus. An drei blutigen
Feldzügen gegen Sowjetrussland beteiligten sich 14 kapitalistische
Länder, im Januar 1922 wurden in Fernost die letzten Okkupanten aus
Sowjetrussland vertrieben. Winston Churchill schrieb:
«Der
Bürgerkrieg in Russland endete mit dem absoluten Sieg der
bolschewistischen Revolution... Deutschland und Italien erlagen beinahe
der Propaganda und den Plänen der Kommunisten. Ungarn geriet ... einige
Zeit unter die Herrschaft des kommunistischen Diktators Béla Kun. Obwohl
Marschall Foch [12] richtig bemerkte, dass 'der Bolschewismus nie die
Grenzen des Sieges überschritten' habe, bebten die Grundfesten der
europäischen Zivilisation in den ersten Nachkriegsjahren.»[13] Die
Oktoberrevolution beförderte in vielen Ländern die Gründung
kommunistischer Parteien.[14]
Sozialistische und Kommunistische Ideen weckten überall Hoffnungen. In
Unkenntnis dieser Tatsachen schrieb im 90. Jahr der Oktoberevolution ein
Geschichtsprofessor der Humboldt-Universität in Berlin, die Bolschewiki
«vertraten ein Programm, dessen Sinn kaum jemand verstand.»[15]
Der Sturz des russischen Zarismus im Februar und die Eroberung der
politischen Macht durch die Partei der Bolschewiki im Oktober 1917
bewirkten auch in anderen Ländern auf allen Kontinenten revolutionäre
soziale Erhebungen. Das zwanzigste Jahrhundert wird in der
Geschichtsschreibung auch künftiger Generationen das Jahrhundert der
ersten großen Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Kapitalismus
bleiben, die 1917 mit den Schüssen des Kreuzers Aurora in Petrograd
begann und - bezogen auf Europa - nach vielen erfolgreichen Jahren in
selbst verschuldete und von außen forcierte politische Krisen gerieten
und 1991 mit dem Zerfall der Sowjetunion und ihrer europäischen
Verbündeten in einer Niederlage endete.
Trotz hoffnungsvoller Friedensansätze nach dem Ersten Weltkrieg [16] kam
es zum mörderischen Zweiten Weltkrieg. Churchill schrieb 1948 in seinem
Buch «Der Zweite Weltkrieg» rückblickend auf noch 1939 vorhandene
Möglichkeiten für die Verhinderung des Weltkrieges:
«Niemals hätte
sich ein Krieg leichter verhindern lassen als dieser, der eben alles
vernichtet hat, was von der Welt nach dem vorangegangenen Kampf noch
übriggeblieben war.»[17] Eine späte Einsicht.
Nach dem Sieg über Hitlerdeutschland 1945 - Europas Völker hatten 1945
genug von Krieg und Völkermord - gab es überall in Europa, in Asien und
Mittelamerika günstige Bedingungen für gesellschaftliche Machtwechsel
und sozialpolitische Umgestaltungen. Das Kriegsende und die Gründung der
Vereinten Nationen waren die wichtigsten Ergebnisse und
historisch-politisch hoffnungsvollsten Ereignisse in der Mitte des 20.
Jahrhunderts. Die Ziele der Vereinten Nationen (United Nations - UN)
sind in Art. 11 (1) ihrer Charta formuliert:
«Den Weltfrieden und die
internationale Sicherheit aufrechtzuerhalten und zu diesem Zweck
wirksame Kollektivmaßnahmen zu ergreifen, um Bedrohungen des Friedens zu
verhüten und zu beseitigen und Angriffshandlungen oder andere
Friedensbrüche zu unterdrücken sowie durch friedliche Mittel, in
Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des
Völkerrechts, internationale Streitfälle und Situationen, die zu einem
Friedensbruch führen könnten, zu regeln oder beizulegen.»[18] Die
UNO ist die demokratischste internationale Organisation, alle 192
Staaten sind gleichberechtig.[19]
Die Nachkriegsentwicklung verlief jedoch anders. Die Gründung der NATO
im 4. April 1949 war erster Höhepunkt des Kalten Krieges. Bis heute wird
sie mit sowjetischer Bedrohung begründet, Stalin hätte Westeuropa
erobern wollen. Im Buch «Das atlantische Bündnis - Tatsachen und
Dokumente» heißt es noch 1990:
«Die Niederlage der beiden großen
Militär- und Industriemächte Deutschland und Japan hatten ostwärts und
westwärts der Sowjetunion ein gewaltiges Vakuum entstehen lassen. Unter
Ausnutzung dieser ungewöhnlich günstigen Umstände brachte die
Sowjetunion die Stärke der Roten Armee voll zum Tragen, um eine
expansionistische Politik zu betreiben, die bald den Frieden und die
kollektive Sicherheit bedrohen sollte.»[20] Historische Tatsachen
werden verfälscht und Lügen wider besseres Wissen aufrechterhalten.
Wer die Kriegszerstörungen in der Sowjetunion und den Zustand der Roten
Armee 1945/1946 kannte, wusste um die fehlenden Voraussetzungen für
einen Feldzug gen Westeuropa.[21] Es ist absurd, Stalin bzw. seine
Nachfolger eines Krieges gegen die ehemaligen Verbündeten zu
verdächtigen. Stalins strategisches Ziel war ein entmilitarisiertes
politisch neutrales Deutschland, das seine Fähigkeiten nur noch in
friedliche Beziehungen mit anderen Staaten einbringt.
Die westlichen Siegermächte stießen 1945 überall in Europa auf ein im
antifaschistischen Befreiungskampf gehärtetes neues Selbstbewusstsein
der Völker, die ihren alten Machthabern trotzten. Dazu haben der
Befreiungskampf der Völker der Sowjetunion, der Siegeszug der Roten
Armee, das politische Ansehen Stalins und der antifaschistische
Widerstand gegen die Naziokkupanten überall in Europa beigetragen. Im
ersten Nachkriegsparlament Frankreichs war die Kommunistische Partei
stärkste Partei, ähnliche Entwicklungen gab es in Italien, Griechenland
u. a. Staaten. Sowjetfreundliche und prokommunistische politische
Bewegungen interpretierten bestimmte westliche politische Eliten als
Bedrohung ihrer Freiheit. Churchill beschrieb diesen nicht erwarteten
Trend aus der Sicht seiner politischen Klientel zutreffend:
«Das
Ringen in Russland übertraf an Umfang bei weitem alle Operationen, über
die ich bisher zu berichten hatte... Das Ausmaß dieser Siege [der Roten
Armee über die Hitlerwehrmacht. W.T.] warf Fragen größter Reichweite
auf... Hinter dem Donner der russischen Kampffront erhob der Kommunismus
sein Haupt. Russland war der Befreier, und Kommunismus das Credo, das es
brachte.»[22]
In diesem Credo bestand tatsächlich für imperialistische
Herrschaftsformen und Herrschaftsziele eine soziale Gefahr. Viele
Menschen hatten die Kriegsziele der Nazis nicht als völkerrechtswidrige
Verbrechen erkannt.[23] Nach dem Krieg erinnerten sie sich an
frühzeitige Warnungen vor dem Faschismus besonders durch Kommunisten,
Sozialdemokraten und Gewerkschaftern. Die bürgerlichen Oberschichten
hatten durch ihre Unterstützung des Hitlerfaschismus das Recht auf
Führung der deutschen Nation verspielt. Jetzt vertrauten viele auf die
politische Führungsfähigkeit der Arbeiterparteien und ihren aus
Konzentrationslagern, Zuchthäusern und der Emigration zurückgekehrten
Wortführern. Das spiegelte sich in den meisten Parteiprogrammen 1945 bis
1947 wider. Selbst wenn es heute kaum glaubhaft ist, in den «Kölner
Leitsätzen» 1945 der Adenauer-CDU heißt es unter Punkt 16:
«Das Ziel
der Wirtschaft ist die Bedarfsdeckung des Volkes... Die Vorherrschaft
des Großkapitals, der privaten Monopole und Konzerne wird
beseitigt...»[24]
Deutsche Widerstandskämpfer strebten nach ihrer Befreiung eine
einheitliche sozialistische Arbeiterpartei an. Die sowjetische
Besatzungsmacht unterstützte die Vereinigung von KPD und SPD zur SED,
die westlichen Besatzungsbehörden unterstützten in ihren Zonen die
Einheitsgegner aus Furcht vor kommunistischer Unterwanderung. Eine
geeinte Arbeiterpartei passt nicht in bürgerliches
Demokratieverständnis. Die NATO wurde zum militärischen Arm der
Führungseliten der kapitalistischen Welt gegen die UdSSR und ihre
Verbündeten. In der alten Bundesrepublik begannen Duzende Prozesse gegen
Sozialisten und Kommunisten, die gegen die Spaltung Deutschlands, gegen
NATO, Refaschisierung und Remilitarisierung kämpften.[25] Großmächte der
NATO forcierten die Rüstungsforschung, die Konzernen nahezu unbegrenzt
Gewinne brachte.
Auf Initiativen der UdSSR und der Staaten des Warschauer Vertrages [26]
wurde mit Unterstützung nichtpaktgebundener Länder Europas und gegen
lang anhaltenden Widerstand der BRD und anderer NATO-Staaten vom 3. Juli
1973 bis 21. Juli 1975 in Helsinki die «Konferenz für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa» (KSZE) durchgeführt. 35 Staaten Europas aus
Ost und West einschließlich der USA und Kanada haben am 1. August 1975
in Helsinki die «Schlussakte der KSZE» unterzeichnet. Da die
Teilnehmerstaaten darauf verzichteten, die Schlussakte von den
Parlamenten ratifizieren zu lassen, wurden die schwer genug erreichten
Übereinstimmungen in nationalen Wahlkämpfen nicht zerredet und ihre
Umsetzung nicht verzögert. Auch wenn unterschiedliche Interpretationen
der Schlussakte nicht auszuschließen waren, ignorieren konnte sie
keiner. Willy Brandts neue Ostpolitik und andere internationale Faktoren
begünstigten die Entspannung und den KSZE-Prozess. Die Schlussakte war
innerhalb der Systemauseinandersetzung ein Rahmenabkommen zwischen den
35 Unterzeichnerstaaten zur militärischen und politischen Entspannung
sowie zur Friedenssicherung (Korb 1), wirtschaftlichen Zusammenarbeit
(Korb 2) und zur kulturellen Verständigung zwischen den Völkern (Korb
3). Schließlich war festgelegt, den
«eingeleiteten multilateralen
Prozess fortzusetzen»[27]. Die Bedeutung der Schlussakte blieb auch
dann erhalten, als 1979/80 auf Betreiben der USA eine neue Runde des
Wettrüstens einsetzte. Ein zweites wichtiges KSZE-Dokument ist die
«Charta von Paris für ein neues Europa» vom 21. November 1990, die den
Gedanken vom «Friedlichen Haus Europa» umsetzen sollte.
1994/1995 wurde die KSZE in «Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa» (OSZE) umbenannt. Seitdem verflachte sie zu
einem Instrument zum Wiederaufbau in Staaten, in denen die NATO durch
Krieg sozialökonomische Infrastrukturen und staatliche
Organisationsformen zerstörte und wie in Jugoslawien als Besatzungsmacht
auftrat. Außerdem soll sie ethnische Konflikte schlichten und beratend
dazu beitragen, bürgerlich-parlamentarische Demokratieauffassungen,
«abendländische» Wertvorstellungen und daraus abgeleitete Leitbilder für
Menschenrechte durchzusetzen. Mit der OSZE wurden die KSZE-Prinzipien
neuer gleichberechtigter internationaler Staatenbeziehungen de facto
abgeschafft.
Die politische Unbeweglichkeit von Regierungen im ausgehenden 20.
Jahrhunderts wurde im Bericht des «Club of Rome»[28] 1991 «Die globale
Revolution» kritisiert:
«Regierungen bringen von sich aus selten Neuerungen hervor. Sie
reagieren meist nur unter Druck... Doch auch dann, wenn Regierungen auf
Forderungen nach Neuerungen eingehen, wirken sie ... dank ihres
natürlichen Konservatismus häufig als Bremse. Wie andere Institutionen
zeigen sie keine Neigung zur Selbstkritik und reagieren abwehrend auf
Druck von außen. Sie halten ihre Methoden ... für optimal und für das
einzige vernünftige Mittel, Probleme zu lösen...»[29]
Hier schließt sich der Kreis der Überlegungen zum bundesdeutschen Umgang
mit Geschichte und speziell der Geschichte der NATO. Von Goethe und
Schiller bis zu den Autoren der Berichte an den Club of Rome besteht ein
inhaltlicher Zusammenhang zwischen revolutionärem Denken und politischem
Handeln von Bürgern/Citoyens. Die humanistischen Forderungen der
Revolution von 1789, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, jährten
sich 2009 zum 220. Mal - wahrlich ein Jubiläum von welthistorischer
Bedeutung. Vor 120 Jahren, 1889, - noch ein Jubiläum - erschienen zwei
weltbedeutende Bücher. Während Alfred Nobel gehofft hatte, die
Zerstörungskraft des von ihm erfundenen Dynamits werde Kriege unmöglich
machen, schrieb Bertha von Suttner «Das Maschinenzeitalter» und «Die
Waffen nieder». Ihre Quintessenz lautete:
«Der Mensch hat die Gefahr
geschaffen, an ihm ist es, dieselbe zu verhüten.»[30]
Vor vierzig Jahren, am 21. Juli 1969, haben die amerikanischen
Astronauten Neil Armstrong und Edwin Aldrin als erste Menschen unsere
Erde vom Mond aus gesehen. Alle Kosmonauten und Astronauten seit Juri
Gagarin, dem ersten Menschen im Weltraum, priesen die Schönheit unseres
blauen Planeten und appellierten an alle Völker, unsere Erde und den
Weltraum vor militanten Machthabern zu beschützen. Gagarins erster Start
zu den Sternen am 12. April 1961 und die Landung amerikanischer
Astronauten auf dem Mond 1969 bleiben trotz militärischer Aspekte für
immer friedenspolitische Höhepunkte des 20. Jahrhunderts. Vielleicht
erkennen erst spätere Generationen die wirklichen friedensbefördernden
Zusammenhänge politischer Ereignisse des gesamten 20. Jahrhunderts, als
sich in Ost- und Westeuropa aus ungleicher Bewertung der
Kriegserfahrungen 1918 und 1945 zwei unterschiedliche ökonomische
Richtungen als Staaten politisch konstituierten. Besonders aber ist
erneutes Nachdenken erforderlich über den Sinn von Militärbündnissen wie
die NATO.
ZUR POLITISCHEN ROLLE DER NATO NACH BEENDIGUNG DES OST-WEST-KONFLIKTS
1990
1990 zeichneten sich für die Beziehungen zwischen den Staaten Europas
hoffnungsvolle Tendenzen ab, als die Staats- und Regierungschefs der 35
KSZE-Staaten am 21. November 1990 in ihrer «Charta von Paris für ein
neues Europa» im ersten Absatz erklärten:
«...dass sich unsere
Beziehungen künftig auf Achtung und Zusammenarbeit gründen würden. ...
Durch den Mut von Männern und Frauen, die Willensstärke der Völker und
die Kraft der Ideen der Schlussakte von Helsinki bricht in Europa ein
neues Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der Einheit an.»[31]
Zwei Tage vorher, am 19. November 1990, hatten die der NATO und der
Warschauer Vertragsorganisation (WVO) angehörenden Länder in einer
gemeinsamen Erklärung festgehalten,
«... dass sie in dem anbrechenden
neuen Zeitalter europäischer Beziehungen nicht mehr Gegner sind, sondern
neue Partnerschaften aufbauen und einander die Hand zur Freundschaft
reichen wollen. ... In diesem Zusammenhang bekräftigen sie ihre
Verpflichtung, sich der Androhung oder Anwendung von Gewalt zu
enthalten, die gegen die territoriale Integrität oder die politische
Unabhängigkeit irgendeines Staates gerichtet ist, sowie des Versuches,
bestehende Grenzen durch Androhung oder Anwendung von Gewalt zu ändern,
und ferner aller Handlungen, die auf irgendeine andere Weise mit den
Prinzipien und Zielen dieser Dokumente unvereinbar sind. Keine ihrer
Waffen wird jemals eingesetzt werden, außer zur Selbstverteidigung oder
in anderer Weise, die mit der Charta der Vereinten Nationen in Einklang
stehen.»[32]
Auch die Staats- und Regierungschefs der NATO-Länder haben diese
Dokumente unterschrieben. Nach der Selbstauflösung des Warschauer
Militärbündnisses im Sommer 1991 erwarteten viele Bürger in Europa, dass
auch die NATO aufhört zu existieren. Die vermeintlichen Gegner, zu deren
Abwehr die NATO 1949 angeblich gegründet worden war, existierten nicht
mehr. Die gesellschaftlichen Umbrüche in den bisher mit der UdSSR
verbündeten Ländern Ost- und Mitteleuropas wurden im politischen
Vokabular des Westens als «Volksrevolutionen» definiert. Andere sich
jetzt demokratisch nennende Regierungen ehemaliger sozialistischer
Staaten strebten aus unterschiedlichen Motiven nach NATO-Mitgliedschaft
und trugen damit objektiv zur Erhaltung dieses Militärbündnisses bei. Dennoch war die NATO wegen ihres Weiterbestehens erheblich in Erklärungsnöte geraten.
Die NATO verstand sich bisher als transatlantisches Bindeglied und euroatlantische Sicherheitsorganisation gegen angeblichen Expansionismus der Ostblockstaaten. 1990 erklärte sie sich zum einzigen noch intakten Militärbündnis, das neue Wege zur Friedenserhaltung ankündigte und Militäraktionen auch außerhalb von NATO-Grenzen nicht ausschloss. Auf der Tagung des NATO-Ministerrats am 17./18. Dezember 1990 referierte NATO-Generalsekretär Manfred Wörner über die künftigen Aufgaben des Bündnisses bei der «europäischen Neuordnung» -- wie sie die NATO verstand - die «auf vier Pfeilern» ruhen würde: 1. NATO als Garant von Stabilität und Sicherheit, 2. EG als Motor der europäischen Integration, 3. Institutionalisierung der KSZE, 4. Europarat als moralischer Wächter für die bestehende Gesellschaftsordnung.[33] Diese Stichworte waren auf dem NATO-Gipfel in Rom im November 1991 Grundlage für eine neue Strategie und Gründung eines NATO-Kooperationsrates. Am 9./10. Dezember 1991 stellten die EG-Staaten in Maastricht die Weichen in Richtung Europäische Union, die Bundeskanzler Kohl am 13. Dezember wie folgt bewertete:
«Dieses Vertragswerk...bedeutet eine grundlegende Weichenstellung für die Zukunft Europas... Wir haben damit ein Kernziel deutscher Europapolitik in die Tat umgesetzt ... ein tragfähiges Ergebnis...erreicht, das unsere wesentlichen Interessen wahrt...»[34] Er nannte das "Kernziel deutscher Europapolitik" zwar nicht, aber dass die ungehinderte wirtschaftliche Expansion in ost- und mitteleuropäische Staaten dazu gehörte, dürfte unbestritten sein.
Militär- und Wirtschaftsexperten in Bonn arbeiteten unter Verteidigungsminister Stoltenberg bereits an neuen Richtlinien über künftige Aufgaben der Bundeswehr - selbstredend im Rahmen der NATO. Stoltenbergs Nachfolger im Amt, Volker Rühe, gab seiner Rede auf der 33. Kommandeurstagung der Bundeswehr am 14. Mai 1992 in Leipzig die feinfühlige Überschrift:
«Die Bundeswehr ist zentrales Element der Bündnisfähigkeit und der politischen Handlungsfähigkeit Deutschlands». Einige markige Sätze aus dieser Rede:
«Unser Land ist in einer einzigartig günstigen Situation; denn niemals waren die Chancen größer, ein friedliches und freies Europa aufzubauen. Wir als Land im Herzen Europas haben alle Möglichkeiten, Frieden und Freiheit zu bestimmen ... Aber uns wächst auch neue Verantwortung zu... Jetzt ist Deutschland souverän ... Wir sind frei zu entscheiden. ... zugleich müssen wir ... Sicherheitsvorsorge für völlig andere Gegebenheiten ... betreiben... Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, in einer diffusen, unübersichtlichen Sicherheitslandschaft den Frieden zu gestalten, krisenträchtige Entwicklungen zeitgerecht zu erkennen und vorbeugend das Richtige zu tun ... Politik ist nicht Sache der Militärs; aber die Politik braucht militärischen Rat. Außerdem ist ... klarzumachen, wohin die Reise geht...»[35]
Über einige der von Rühe verwendeten Begriffe ist zweimal nachzudenken: Die Bundeswehr als zentrales Element politischer Handlungsfähigkeit, Deutschland kann Frieden und Freiheit bestimmen, hat neue Verantwortung, ist souverän, kann frei entscheiden. Was sind andere Gegebenheiten für Sicherheitsvorsorge? Das Ziel der Reisen und auch die Reisenden werden nicht genannt. Die schön klingenden Sätze sollen verdecken, dass im Widerspruch zu den obigen Erklärungen der Krieg wieder als Mittel von Politik eingesetzt wird.
Während die USA 1990/1991 den ersten Golfkrieg führten, hatten die Europäer mit den durch das vergrößerte Deutschland neuen politischen Gewichtungen in Europa zu tun. Der europäische Markt war auszuweiten, der Prozess der europäischen Einigung voranzubringen und das alles als Friedenssicherung auszugeben. In der Zeitschrift Leviathan wurde 1991 z. B. darüber sinniert, dass Deutschland
«nach dem kontinuierlichen Aufstieg zu einer weltwirtschaftlichen Spitzenposition ... zukünftig eine größere Rolle gerade bei der militärischen Wahrung der internationalen Stabilität zu spielen» hätte. Aber je mehr sich
«miteinander verflochtene Staaten zur Überlebensgemeinschaft» wandeln, um so eher
«sinkt die Bedeutung des militärischen Faktors. Mit der Größe der zivilen Herausforderungen steigt auch der Stellenwert des zivilen Potentials der Gesellschaften... [die] westlichen Industriestaaten haben inzwischen das Stadium der Dominanz des 'Krieg(es) der Mächte' hinter sich gelassen. Es ist abgelöst worden durch die 'Konkurrenz der Ökonomien' ... Erst vor dem Hintergrund der Aufwertung ökonomischer, aber auch ökologischer Verflechtungen und Verwundbarkeiten kann ein Status- und Rangwechsel...eingeschätzt werden.»[36]
Wollte der Autor den Widerspruch in seinem Denken nicht merken? Warum
sollte das vereinigte Deutschland auf militärischem Gebiet eine größere
Rolle spielen, wenn der militärische Faktor in der internationalen
Politik sinkt und die zivilen Herausforderungen steigen? Wessen
Interessen bedient der Autor? Renommierte intellektuelle Kreise
favorisierten für die Zukunft Europas zivile Denkrichtungen. In
Regierungen verantwortliche Politiker, ihnen verbundene Militärs,
Finanz- und Industriemagnaten setzten dagegen auf die NATO als ihr
eigenes «Sicherheitssystem».
In diesem Kontext erließ der deutsche Verteidigungsminister Rühe am 26.
November 1992 «Verteidigungspolitische Richtlinien für den
Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung» (VPR). Von den
fünf Zweckbestimmungen der VPR sind zwei besonders aufschlussreich.
«4. Der Aufbau im Osten unseres Landes ist gesamtstaatliche
Schwerpunktaufgabe ... Die VPR setzen Schwerpunkte und Prioritäten, um
in diesem Spannungsfeld Zielkonflikte zu vermeiden.
5. Die VPR sind verbindliche Grundlage...für die deutsche militärische
Interessenvertretung nach außen.»
Der Einsatz der Bundeswehr wurde also nach innen und nach außen in
Betracht gezogen, speziell beim Aufbau Ost, um in diesem «Spannungsfeld Zielkonflikte» zu vermeiden. Welches Spannungsfeld ist gemeint? Demontage volkseigener Betriebe, Demontage in der DDR verwirklichter Rechte der Frauen und der Jugend, Recht auf Arbeit, Recht auf Bildung usw.? Für die Außenpolitik wurde eingeräumt, dass sich die Umsetzung deutscher Interessen
«...nicht in jedem Einzelfall mit den Interessen der Verbündeten und anderer Partner decken» wird. Alarmierend sind einige der zehn deutschen
«vitalen Sicherheitsinteressen», die dem Geschäftsbereich Bundeswehr zugeordnet sind und damit den Einsatz militärischer Gewalt einschließen.
-
«(7) Förderung der Demokratisierung und des wirtschaftlichen und
sozialen Fortschritts in Europa und weltweit;
- (8) Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten
Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer
gerechten Weltwirtschaftsordnung;
- (10) Einflussnahme auf die internationalen Institutionen und Prozesse
im Sinne unserer Interessen und gegründet auf unsere Wirtschaftskraft,
unseren militärischen Beitrag und vor allem unsere Glaubwürdigkeit als
stabile, handlungsfähige Demokratie.»
[37]
Freien Welthandel, eine gerechte Weltwirtschaftsordnung und
Einflussnahme auf internationale Prozesse mit Hilfe militärischer Mittel
- was für Gerechtigkeit und Freiheit soll das sein?
Die VPR 1992 zeigten,
«wohin die Reise gehen sollte». Ab 1992 begannen in der NATO Diskussionen um Einsätze out of area, außerhalb des
NATO-Territoriums, wofür eine Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat
oder die KSZE (ab 1995 OSZE) angestrebt wurde. Die wirklichen globalen
Probleme, Klima, Umwelt- und Energiefragen, weltweite Bildungsmisere, Hunger in Ländern der Dritten Welt u. a. m. rückten in den Hintergrund.
Was immer die NATO seit 1990 in Europa oder anderswo in der Welt
angeblich an Friedensmissionen zur Verbreitung von Demokratie oder
Durchsetzung von Menschenrechten durchgeführt hat, keines dieser
verkündeten Ziele ist erreicht worden. Im Gegenteil, mit dem NATO-Krieg
gegen Jugoslawien und mit den Bombardierungen Belgrads am 10. März 1999
kehrte Krieg nach Europa zurück. Die Bundeswehr des vereinigten
Deutschland beteiligte sich erstmals seit 1939 wieder an einer
militärischen Aggression. Schon einmal, 1941, marschierten deutsche
Truppen auf dem Balkan, jetzt würden sie als NATO-Mitglied den Völkern
Jugoslawiens mit militärischen Mitteln angeblich Freiheit, Demokratie
und Frieden bringen. Tatsächlich wurden nur Chaos angerichtet und
historisch gewachsene gesellschaftliche Strukturen zerstört. In
Jugoslawien und anderswo waren NATO-Soldaten für geostrategische Ziele
der USA sowie Politik- und Kapitalinteressen imperialistischer
Großmächte im Einsatz.
Eine Analyse der internationalen Entwicklung seit 1990 beweist, keiner
der als kritisch für die Sicherheit der Staaten Europas und für den
Weltfrieden benannten Konflikte wurde mit militärischen Mitteln von den
USA allein oder im Verbund mit anderen NATO-Staaten gelöst. Im
Gegenteil: Im ehemaligen Jugoslawien bestehende nationale und soziale
Konflikte wurden durch Einmischungen von außen zugespitzt. Der Krieg
verursachte Zerstörungen und ermöglichte Konzernen der
Aggressor-Staaten, sich Bodenschätze des okkupierten Landes anzueignen.
Der Krieg der USA gegen den Irak beruhte auf frechen Lügen
amerikanischer Geheimdienste. Das wirkliche Ziel war die Rückführung von
Hussein verstaatlichter ausländischer Firmen zur Förderung irakischen
Öls wieder in die Hände britischer und amerikanischer Ölmultis.
Afghanistan wurde von den USA überfallen, angeblich um die Taliban,
islamistische Terroristen von Al Kaida und ihren Anführer Bin Laden für
die Zerstörung der Twin Towers in New York am 11. September 2001 zu
bestrafen. Tatsächlich geht es um Öl, Gas und Geopolitik. Behauptungen
deutscher Minister, die Bundeswehr führe in Afghanistan keinen Krieg,
sondern baue Schulen, Krankenhäuser und Straßen, sind ebenso lächerlich
und unglaubwürdig wie Minister Strucks Aussage, am Hindukusch würde
deutsche Sicherheit verteidigt werden. Dieser USA-Krieg tobt im neunten
Jahr, die NATO und andere «Willige» sind einbezogen, aber ein Ende des
Krieges ist nicht zu erkennen. Selbst mit noch mehr Militär ist dieser
Krieg nicht zu gewinnen. Er sollte darum politisch beendet werden, um
dann mit Vertretern des Afghanischen Volkes nach Wegen zu suchen, wie
die Zerstörungen in Städten und Dörfern beseitigt werden.
Zu den «Kampfmitteln» der NATO gehören Druck, Drohungen und
Bestechungen. Regierungen werden unter ausländische «Schutztruppen»
gestellt und gezwungen, in ihren Ländern neoliberale Maßnahmen wie
Privatisierung und Deregulierung, Sozialabbau nach innen und
Abhängigkeit nach außen zu akzeptieren. Der Druck wird noch vertieft,
weil alle NATO-Staaten in die Milliarden verschlingende Banken- und
Finanzkrise der führenden Industriestaaten von 2008/2009 verwickelt
sind. Mit ihren «Hilfen» für ärmere Länder reichen sie die Krise weiter,
was zusätzliche Gewinne bringt. Trotz des Wissens um die Ursachen der
Krise haben die G-8-Staaten auf ihrem im Juli 2009 im italienischen
L?Aquila durchgeführten Treffen Einigungen nur auf dem kleinsten
gemeinsamen Nenner erzielt. Die aus der Portokasse ihrer Großbanken
hingeworfenen Brosamen für Länder der Dritten Welt werden weder Hunger
noch Not verringern.
Das alles sind Ursachen für wachsende Unsicherheit in der Welt. Dazu
kommen Armeen und ihre materielle Ausrüstung. Die Staaten der EU werden
laut Lissabon-Vertrag sogar zur Rüstung verpflichtet, was verharmlosend
als Vervollkommnung ihrer «militärischen Fähigkeiten» bezeichnet wird.
Alle Mitgliedstaaten werden dazu von einer Rüstungsagentur beraten, die
raffinierterweise «Ständige Strukturierte Zusammenarbeit» genannt wird
bzw. als «Verteidigungsagentur» dafür zu sorgen hat, dass in den
Mitgliedstaaten «zweckdienliche Maßnahmen zur Stärkung der industriellen
und technologischen Basis des Verteidigungssektors und für einen
wirkungsvolleren Einsatz der Verteidigungsausgaben» erfolgen.[38] Militär und Rüstung sind seit eh und je Quellen und Bestandteile von
Unsicherheit und erzeugen immer wieder neues soziales und politisches
Konfliktpotential. Ungehemmte Profitsucht und rücksichtsloses Streben
nach Macht über andere sind die wesentlichen Charakteristika dieses
kapitalistischen Systems. Sie bergen in sich die Zerstörung unserer
Erde. Von allen auf unserer Welt lebenden 6,7 Milliarden Menschen (Juli
2007) werden ca. fünf Milliarden primär von Eliten dieses
gesellschaftspolitischen Systems regiert. Imperialismus behindert aus
Profitsucht Entwicklungs- und Lebensbedingungen der Menschen und treibt
die rapide wachsende Bevölkerung zunehmend ins Elend.
Die Gier nach schrankenloser Weltherrschaft der USA hat Zbigniew
Brzezinskis in seinem Buch «Die einzige Weltmacht - Amerikas Strategie
der Vorherrschaft» [39] beschrieben. Die Durchsetzung der Ziele
amerikanischer Außenpolitik ist durch ungehemmte Konkurrenz des Kapitals
untereinander kennzeichnet und in die NATO eingeordnet. Der im
NATO-Bündnis festgelegte Protagonismus der USA dient als Instrument zur
Reglementierung auch der Bündnispartner. Konflikte zwischen Großmächten
der NATO sind bei divergierenden imperialen Zielen nicht auszuschließen,
machen Kriege möglich und befördern immer neuen Rüstungswahnsinn.
Niemand kann sagen, die unsere Welt bedrohenden Gefahren wären nicht zu
bestimmen. Selbst wenn man die von NATO-Generalsekretär Rasmussen am 1.
Oktober 2009 aufgezählten «Gefahren» nimmt, ist keine mit militärischer
Gewalt zu bändigen.[40] Im Gegenteil, das Militärbündnis NATO ist Teil dieser verhängnisvollen Entwicklungstendenzen. Ihnen
müssen die Bürger aller Völker Einhalt gebieten und den Verfallsprozess
von Demokratie im Innern aufhalten.
Der Vorschlag der Partei DIE LINKE, das Geflecht globaler Probleme in
den internationalen Beziehungen mit zivilen Mitteln und Methoden zu
entwirren und nicht mit Gewalt und Militär zu verschärfen, beruht auf
einer sachlich konkreten Analyse am Beginn des 21. Jahrhunderts.
Entmilitarisierung von Politik und Abrüstung sollten damit beginnen, ein
kollektives Sicherheitssystem aufzubauen, in das alle europäischen
Staaten und Russland einbezogen sind und dem die USA und Kanada
beitreten können. Dieses Angebot neuen Denkens und neuer Politik sollte
kritisch geprüft und in strategische Konzepte zur Lösung globalen
Probleme umgesetzt werden. Die NATO jedenfalls ist ein Relikt des Kalten
Krieges, sie ist unzeitgemäß und gehört aufgelöst, keine noch so
geschickte politisch-moralische Kosmetik kann darüber hinwegtäuschen.
HYSTERISCHE NATO-STRATEGEN IGNORIEREN HISTORISCHE ERFAHRUNGEN
«Das große Karthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem
ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar
nach dem dritten.» (Bertolt Brecht)[41]
Kein früheres Weltreich hat Weltmachtambitionen seiner Protagonisten
überlebt, mögen sie auch noch so raffinierte Waffen geschaffen haben. Bei Anwendung der heutigen Nuklear- und Hightech-Waffen geht nicht nur ein Weltreich zugrunde, sondern die Menschheit als Ganzes.
Aus Afghanistan - ohne auf Ursachen, Hintergründe und Zusammenhänge
einzugehen - musste die Sowjetunion nach schweren Verlusten abziehen.
Die Bitte der aus der Volksrevolution in Afghanistan im April 1978
hervorgegangenen Regierung Babrak Karmal, das Land vor ausländischer
Einmischung zu schützen, konnte die UdSSR nicht erfüllen. Die USA hatten
militante Taliban und anderen sowjetfeindliche durch die Revolution
gestürzte Kräfte politisch angestachelt und mit Waffen ausgerüstet, um -
wie Brzezinski USA-Präsident Carter empfohlen hatte - «der UdSSR ihren
Vietnamkrieg zu geben».42 Acht Jahre dauert nunmehr der Krieg der USA
und der NATO, angeblich gegen Bin Laden, Al Qaida-Terroristen und die
Taliban, ohne erkennbare Erfolge. Auch mit noch mehr Soldaten und
modernen Hightech-Waffen ist dieses Volk nicht zu besiegen. Man kann die
Taliban beschuldigen, dass sie ihr eigenes stolzes Volk unterdrücken,
Okkupanten mit terroristischen Mitteln bekämpfen und dabei Tote aus dem
eigenen Volk nicht scheuen - aber man kann ihnen nicht vorwerfen, dass
sie sich gegen ihre Besatzer verteidigen, die sie deswegen des
Terrorismus bezichtigen. Seit dem 19. Jahrhundert ist Afghanistan geopolitisch Streitobjekt zwischen Großmächten,
anfangs zwischen Russland und Großbritannien, heute wollen die USA von
hier aus Russland und China und die Shanghai-Organisation unter
Kontrolle haben. Außerdem geht es den USA und ihren Verbündeten in
Afghanistan um Gas und Öl bzw. Gas- und Ölleitungen. Nicht zuletzt ist
der Mohnanbau seit Anwesenheit der USA-Truppen in Afghanistan erheblich
erweitert worden, so dass zur Zeit 93 % der Opiate auf dem Weltmarkt von
hier kommen, sehr zur Freude über zusätzliche Gewinne der Finanzmafia
der Wall Street.
Auf den 2003 eröffneten Krieg gegen den Irak und wie er von
USA-Geheimdiensten herbeigeschwindelt wurde, gehe ich hier nicht ein.
Die Welt wurde betrogen und belogen.
In Jahrhunderten gewonnene Kriegserfahrungen und Lehren aus
Befreiungskriegen bestätigten sich beispielhaft im 20. Jahrhundert: Das
Aufbegehren versklavter oder überfallener Völker ist nicht ewig zu
unterdrücken, auch nicht mit raffinierten Umschreibungen der wahren
Ursachen für Kriege und Konflikte. Laut Fischer-Almanach 2008 gab es
2006 in der Welt 278 politische Konflikte.
«Sechs davon waren
innerstaatliche Kriege, 29 ernste Krisen mit wiederholtem
Gewalteinsatz.» Die Zahl der Konflikte ist gestiegen, nach den Ursachen der Konflikte wird nicht gefragt. Bestimmt wird der «Konfliktgegenstand» (KGD). Bei den Kriegen z. B. so:
-
Irak (Rebellen) KGD: Nationale Macht, System / Ideologie.
- Afghanistan (Taliban) KGD: System / Ideologie, nationale Macht.
- Israel (Hisbollah) KGD: System / Ideologie."[43]
Darüber hinaus gab es 29 «ernste Krisen». Die UNO schickte 2006 in die
Krisenregionen 18 Friedensmissionen, die NATO ist im Kosovo (Serbien)
und Afghanistan als internationale «Schutztruppe» tätig - wen schützt
sie eigentlich? Die EU ist in Bosnien-Herzegowina stationiert, außerdem
mit Missionen in Mazedonien, in der DR Kongo, in Palästina, Moldawien, Ukraine u. a. m. All diese «Friedenseinsätze» werden nahezu automatisch Militärs übertragen, zivile Konfliktlösungen sind konzeptionell nicht ausgearbeitet. In vielen Konfliktregionen sind «Warlords» und private militante Banden tätig, die z. T. Positionen in öffentlichen Verwaltungen bis hin zu Ministerien der Länder innehaben und von interessierten ausländischen Privatiers finanziert werden. Die Warlords interessiert nur Macht, Gewalt und Profit. Neben den Warlords agieren private Militärfirmen im Auftrage von Regierungen im Irak, in Afghanistan, auf dem Balkan, in Peru und Kolumbien in Lateinamerika und anderen Krisenregionen in Afrika. Solche Firmen gibt es in den USA (das Pentagon hatte 2003 für sie 30 Milliarden Dollar eingeplant), in Kuweit, in Großbritannien und in Deutschland (Fa. Optronik in Königsborn bei Unna, Nordrhein-Westfalen).[44]
Die USA unterhielten 2008 weltweit 865 Militärstützpunkte mit mehr als
190.000 Soldaten in 46 Staaten und Territorien.[45] Das ist ein ungeheures Konfliktpotenzial. Neue Ängste um unsere Welt schürt die US-Konferenz zur Raketenabwehr im Weltraum (US Space and Missile Defense Conference) vom 17. bis 20. August 2009 in Huntsville/Alabama. Die Zeitschrift "Global Research.ca" vom August 2009 berichtet, dass an der Konferenz ca. 2000 Teilnehmer zusammensaßen, darunter der neue NASA-Chef
Ex-General Bolden, führende Militärs, die wichtigsten Rüstungsfirmen der
USA sowie einflussreiche Industrielle und Politiker. Hauptthema: die
Pläne von USA und NATO für einen Raketenabwehrschild in Europa
voranzutreiben. Im Verteidigungskonzept von 1999 betrachtete die NATO
ihre strategischen Atomwaffen als "die wichtigste Garantie für die Sicherheit der Verbündeten... besonders die der Vereinigten Staaten,
...die der NATO in Europa zur Verfügung gestellt werden..." Gegenwärtig
werden etwa 350 Atombomben von US-Einheiten auf Flugplätzen in den
NATO-Staaten Deutschland, Belgien, Italien und den Niederlanden gelagert
und bewacht. "Die Pläne der USA und der NATO für einen Raketenabwehrschild in Europa sind untrennbar mit dem beabsichtigten
globalen Raketen-Abfangnetz und der Militarisierung des Weltraums
verknüpft und werden keinesfalls in einem strategischen Vakuum
entwickelt."[46] Die Konferenz soll neuen Versionen strategischer
Atomwaffen Impulse verleihen. Die ehemalige USA-Außenministerin Albright
leitete eine entsprechende Kommission. Alle diese Raketenfanatiker vom
August 2009 in Alabama sind potentielle Kriegsverbrecher, die den USA
durch Krieg zur Weltherrschaft verhelfen wollen.
Wie weit die Bundeswehr in diese Wahnsinnspläne eingebunden ist, kann
man in den "Verteidigungspolitischen Richtlinien für die Bundeswehr
(VPR)" von 2003 und im "Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und
zur Zukunft der Bundeswehr" von 2006 nachlesen. Was darin über Ursachen
von Krieg und Krisen sowie abgeleitet über Anforderungen an die
Sicherheitspolitik der NATO steht, ist nur schwer mit den realen
politischen und sozialen Entwicklungen in der Welt in Übereinstimmung zu
bringen. Würde es wirklich um Freiheit, Fortschritt, Demokratie,
Menschenrechte, Bekämpfung von Terrorismus, Piraterie usw. gehen, dann
ist Hochrüstung mit Atom-U-Booten, Atombomben, Raketen,
Langstreckenbombern usw. eine Fehlentscheidung, solche
Massenvernichtungswaffen sind sinnlos zur Terroristenbekämpfung.
POLITISCH-MORALISCHE DENKANSTÖSSE
Manche der nachfolgenden Denkanstöße werden Widersprechen herausfordern.
Das ist gewollt. Niemand hat fertige Antworten zur Hand, im Streitgespräch kann neues Denken neue Wege zur Lösung von
Problemen entdecken. Man sollte es versuchen. Geschichte ist bekanntlich
nach vorn offen und nicht auf nur eine Entwicklungsrichtung festgelegt.
Historische Prozesse sind zudem nicht frei von jähen Wendungen. Aus
älterer und jüngster Zeit ist bekannt, wenn Völker, nationale oder
soziale Menschengruppen von ihren Herrschern über längere Zeit als
Objekte manipuliert worden sind und Bedrängnisse unerträglich wurden,
dass dann politisch Ein- und Weitsichtige als handelnde Subjekte in die
Geschicke ihrer Gesellschaft eingegriffen haben. Am sichtbarsten wurde
dieser Vorgang am zielbewussten Handeln nationaler Befreiungsbewegungen
in Ländern der Dritten Welt. In den vierziger/fünfziger Jahren des 20.
Jahrhunderts haben China und Korea, in den sechziger Jahren die Völker
Afrikas ihr Kolonialjoch abgeworfen. Das Volk Vietnams hat französische
Eindringlinge im Mai 1954 bei Dien Bien Phu das Fürchten gelehrt und in
den siebziger Jahren den US-amerikanischen Invasoren militärisch und
politisch eine Niederlage bereitet. Mehr als eine halbe Million
US-Soldaten konnten den Befreiungskampf Vietnams nicht aufhalten. Die
arabische Welt steht heute im Abwehrkampf gegen amerikanische
Bevormundung und militärische Bedrohung durch NATO-Staaten. Afrika
organisiert sich neu nach innen und außen. Vor Jahrzehnten auf die USA
gesetzte antikoloniale Hoffnungen sind aufgezehrt, Großmächte wie China
und Indien sind an ihre Stelle getreten.
Aus der Kenntnis der Kraft von Volksbewegungen und im Wissen um den
militärpolitischen Amoklauf verantwortungsloser Machtpolitiker und
profitgieriger Waffenproduzenten der NATO in den USA und Europa leiten
sich Denkanstöße ab, wie Kriege mit massenhaftem Mord und Totschlag und
Zerstörungen von Städten und Dörfern verhindert, unsere Welt vor einem
atomaren Inferno bewahrt und statt eines ungehemmte Raubbaus an
endlichen Ressourcen der Menschheit für fortgesetzten Rüstungswahnsinn
endlich alle natürlichen und menschlichen Potentiale ausschließlich in
friedliche Richtungen umgelenkt werden können.
Der wichtigste Denkanstoß und erste Schritt zum Frieden ist die
Aufklärung der Völker.
Entgegen höchst raffiniert ausgedachten Feindbildern wird das Leben der
Völker nicht von irgendwelchen Terroristen von außen bedroht, sondern im
Inneren von militärischer Rüstung, Rüstungsforschung und Dienst in
Interventionsarmeen. Es ist zynisch, jungen Leuten Streitkräfte als
"Arbeitsgeber" zu preisen, der
"eine große Zahl abwechslungsreicher
Berufe und interessanter Karrieren" gewährt.[47] Was für Berufe und
Karrieren bietet eine "Armee im Einsatz"? Für welche Leistungen werden
Ingenieure und Techniker in Forschungslabors für Atomwaffen prämiert?
Was empfinden Arbeiter in Waffenfabriken über ihren vermeintlich
"sicheren" Arbeitsplatz, der sie verpflichtet, Waren zur Tötung anderer
Menschen zu produzieren? Kein Bürger darf zulassen, dass seine
natürliche politische Moral unmoralischer Politik geopfert wird. Es gibt
keine vernünftige Begründung, Männer und Frauen Apparate bauen zu
lassen, um Männer, Frauen und Kinder anderer Länder in den Tod zu
schicken und ihre Häuser zu zerstören.
Brechts Worte auf dem Völkerkongress für den Frieden in Wien 1952 sind
noch immer gültig:
"Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer. Die Beschreibungen, die der New Yorker von den Greueln der Atombombe erhielt, schreckten ihn anscheinend nur wenig. Der
Hamburger ist noch umringt von Ruinen, und doch zögert er, die Hand
gegen einen neuen Krieg zu erheben. Die weltweiten Schrecken der
vierziger Jahre scheinen vergessen. Der Regen von gestern macht uns
nicht nass, sagen viele. Diese Abgestumpftheit ist es, die wir zu
bekämpfen haben, ihr äußerster Grad ist der Tod... Lasst uns das
tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig
gesagt wurde! Lasst uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie
Asche in unserem Mund sind! Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen
welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden."[48]
Völker brauchen weder Aufrüstung noch Militärbündnisse, durch
Rüstungskonversion könnten nützliche Arbeitsplätze geschaffen werden und
zweckmäßige Berufschancen entstehen.
Ein zweiter Aspekt,
aus historischen Erfahrungen resultierend, lautet: Kriege als Mittel
politischer Gewalt gegen Krisen, welcher Art sie auch sein mögen, sind
im 21. Jahrhundert endgültig obsolet. Zustimmung von Parlamenten über
Rüstungsaufträge schließt Krieg ein und untergräbt wegen sinnlosen
Missbrauchs von Ressourcen menschliche Existenzbedingungen. Welcher
Bürger welchen Volkes braucht Krieg oder will Krieg, welcher Vater und
welche Mutter wünscht dem Sohn oder der Tochter "Arbeit" oder "Karriere"
im Atom-U-Boot unter Wasser oder als Bomberpilot mit Atomwaffen an Bord
über fremden Staaten? Wissenschaftlich-technischer Fortschritt und neue
Technologien für den zivilen Bereich können ohne "Umweg" über
Rüstungsforschung wesentlich kostengünstiger entwickelt werden, indem
Ressourcen nicht aus Profitinteressen zu bloßer Zerstörung vergeudet werden.
Als die Naziwehrmacht 1941 durch Europa marschierte, erklärte der
damalige USA-Präsident Roosevelt seine Entschlossenheit,
Kriegsverbrecher bis ans Ende der Welt zu verfolgen.[49] Am 6. Januar 1941 verkündete er "vier entscheidende Freiheiten der Menschheit", deren
vierte lautet:
"Die vierte Freiheit ist die Freiheit von Furcht. Das bedeutet, gesehen vom Gesichtspunkt der Welt, weltweite Abrüstung, so gründlich und so weitgehend, dass kein Volk mehr in der Lage sein wird, irgendeinen Nachbarn mit Waffengewalt anzugreifen - überall in der Welt."[50] Heute gibt es keine Freiheit von Furcht mehr, Furcht und regelrechte Angstpsychosen sind mehr denn je zu Mitteln von Politik geworden, um Völker manipulieren zu können. Roosevelt schrieb am 11. April 1945, einen Tag vor seinem Tod, in seine Rede zum Gedenken an Thomas Jefferson [51]:
"Wir streben nach Frieden - dauerhaftem Frieden. Wir wollen nicht nur das Ende dieses Krieges, wir
wollen Schluss machen mit allem, was zu Kriegen führt - ja Schluss
machen mit dieser brutalen, menschenunwürdigen und völlig unbrauchbaren
Methode, Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierungen auszutragen."[52] Sein Denken beeinflusste die UN-Charta.
65 Jahre später hat Präsident Barak Obama Roosevelts Ideen in seiner
Prager Rede aufgegriffen:
"Als Nuklearmacht, als einzige Atommacht, die diese Nuklearwaffe eingesetzt hat, haben die Vereinigten Staaten eine moralische Pflicht, hier zu handeln. Wir können das nicht alleine
leisten, aber wir können führend dabei sein. Wir können das einleiten.
Ich möchte heute also ganz deutlich und mit Überzeugung Amerikas
Bereitschaft erklären, den Frieden und die Sicherheit in einer Welt ohne
Atomwaffen anzustreben. Ich bin nicht naiv. Das Ziel wird sich nicht
rasch erreichen lassen. Vielleicht auch nicht in der Zeit meines Lebens.
Es wird Geduld und Beharrlichkeit erfordern. Aber jetzt müssen wir die
Stimmen jener ignorieren, die sagen, dass die Welt sich nicht ändern kann. Wir müssen darauf bestehen und sagen: Yes, we can. (...)"[53]
Obama hat mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Selbst in der deutschen
Friedensbewegung misstrauen Vertreter seinen Worten und halten den
Friedensnobelpreis für ihn für verfrüht. Vielleicht ist er verfrüht.
Aber schlimmer ist, dass die ständig beschworene "internationale
Gemeinschaft" der NATO-Staaten sich zur Abschaffung aller Atomwaffen
bisher wenig konstruktiv geäußert hat. Bei völkerrechtswidrigen Aktionen
anderer USA-Präsidenten waren die Verbündeten vorneweg bei Erklärungen
von Völkerrechtsbruch und Gewalt. Die mit Misstrauen beobachteten Russen
haben Obama sofort erbetene Unterstützung angeboten. Und seine "Freunde"
in der NATO? Die am 24. September 2009 einstimmig angenommene Resolution
des UN-Sicherheitsrates für eine atomwaffenfreie Welt haben die im
Sicherheitsrat vertretenen NATO-Staaten zwar unterschrieben, aber
konkrete Schritte in diese Richtung sind unbekannt.
Der Wille zum Frieden von Regierungen und ihr unbestechliches Handeln
gegen Krieg sind der Anfang der Hinwendung auf globale Probleme von
heute, dabei ist die NATO überflüssig.
Ein dritter Denkanstoß
weist auf bestehende Demokratie in internationalen Beziehungen hin. Seit
1945 gibt es in der Welt die Organisation der Vereinten Nationen (UNO).
Zusammensetzung und Funktionen des UN-Sicherheitsrates sind entsprechend
den heutigen weltpolitischen Konstellationen zu überprüfen, um seine
Aktionsfähigkeit im Interesse aller Staaten auf allen Kontinenten zu
erhöhen. Der NATO aber, deren führende Staaten alle im Sicherheitsrat
fest verankert sind - und in dem Deutschland Ständiges Mitglied werden
möchte [54] - darf nicht erlaubt werden, die UNO zu demontieren, sich zum Weltpolizisten aufzuschwingen und Weltherrschaft auszuüben. In der UNO haben alle Staaten die gleichen Rechte und Pflichten, das macht ihren einzigartigen demokratischen Charakter aus. Die UNO ist die bedeutendste Errungenschaft in der Geschichte multinationaler zwischenstaatlicher Beziehungen und des Völkerrechts. Mit Bezug auf vorher über Kräfteverhältnis Gesagtes brachte Miguel d'Escoto Brockmann, Präsident der UNO-Generalversammlung 2008/2009, im Juni 2009 mit seiner Einladung an alle 192 UN-Mitgliedstaaten neue Töne in die internationale Diskussion, als er forderte, nach der jüngsten Wirtschaftskrise müsste
"Die Stimme der G192 Gehör finden", wenn es um Beschlüsse zur Weltwirtschaft geht.
"Wir sind nicht damit einverstanden, dass nur eine Gruppe von acht oder zwanzig Staaten Rede- und Entscheidungsrecht hat."[55] Der von ihm eingebrachte Entwurf einer Abschlusserklärung wurde von den westlichen Demokratien
abgelehnt - wie lange noch?
Die UNO und ihre Charta sind ein Kompendium modernen demokratischen
Völkerrechts, die ohne Wenn und Aber vor Demontageversuchen durch
NATO-Staaten zu verteidigen sind.
Viertens
sei ins Gedächtnis zurückgeholt, die KSZE besaß bei ihrer Gründung 1975
eine aus der UNO-Charta abgeleitete demokratische Struktur der
souveränen Gleichheit aller Mitgliedstaaten. Die "Schlussakte von
Helsinki" 1975, aber auch die "Charta von Paris für ein neues Europa"
von 1990 sind völkerrechtlich einzigartige Dokumente des Respekts vor
Souveränität und Gleichheit aller Teilnehmerstaaten als oberstem Prinzip.
Beide völkerrechtlichen Dokumente wurden durch die NATO-Staaten in ihrer
Wirkung eingeschränkt. Die in der KSZE für alle Mitgliedstaaten
vereinbarte Gleichberechtigung gibt es nicht in der NATO und auch nicht
in der EU. Im "Vertrag von Lissabon" (in der Fassung von 2008) wurde im
Abschnitt 2 "Bestimmungen über die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik" (Art. 42 bis 46) immer wieder am Text gedeutelt und Begriffe wie "bestimmte", "teilnehmende" "betroffene" Mitgliedstaaten, für jeden spezifische Abstimmungsmöglichkeiten und Beschlussfassungen mit "Qualifizierter Mehrheit" erfunden, um unterschiedliche Kompetenzen großer und kleiner, mächtiger und schwächerer Mitgliedsstaaten zu kaschieren.?[56] Diese Mechanismen möchten NATO und EU zu ihrem Nutz und Frommen verewigen, darum wollen sie Befragen der Bürger aller Teilnehmerstaaten zu europäischen Grundsatzfragen verhindern. Die "Europäische Union" (EU mit Europäischem Rat, Ministerrat, Parlament usw.) und auch die NATO, eine reine Militärorganisation, sind de facto "Überregierungen". Ein kollektives Sicherheitssystem unter Einbeziehung Russlands ist darum auch immer ein Kampf um mehr Demokratie und Gleichberechtigung in den internationalen Beziehungen.
Eine historisch gewachsene politische Tatsache im Europa unserer Tage
besteht darin, dass hier drei Organisationsformen von
Staatengruppierungen bestehen: die NATO, die EU und die KSZE, die als
OSZE allerdings ihrer politischen Hauptaufgabe entledigt wurde.
Unabhängig von politisch-ideologisch geprägten Bewertungen aller drei
Gruppierungen (wenn man OSZE als Nachfolgeorganisation der KSZE nimmt,
ohne dem zuzustimmen) ist nicht zu übersehen, dass die KSZE als am
weitesten demokratisch strukturiertes Bündnis während des Kalten Krieges
ein funktionierendes kollektives Sicherheitssystem in Europa gewesen ist
- ohne Staaten auszuschließen. Auf der Grundlage der Erfahrungen der
KSZE, damit unter Einbeziehung Russlands, der USA und Kanadas, muss es
doch bei gutem Willen aller beteiligten Regierungen möglich sein, in
Europa ein Staatenbündnis mit aus der UNO abgeleiteten demokratischen
Strukturen, friedenspolitischen, wirtschaftspolitischen und
kulturpolitischen Aufgaben sowie Verantwortlichkeiten unter den heutigen
Gegebenheiten in Europa neu zu fassen. Dann wird sich zeigen, dass ein
Militärbündnis wie die NATO nicht mehr erforderlich ist. Auf den Punkt gebracht: Was unter den Bedingungen der Konfrontation der Militärblöcke
möglich war, das muss doch nach der Konfrontation unter einem
veränderten internationalen Kräfteverhältnis erst recht möglich sein.
SCHLIESSLICH
könnte der Wandel von Militärbündnissen in anderen Regionen anregend
sein. Während in der UNO und der KSZE alle Teilnehmerstaaten
gleichrangig und jeweils mit einer Stimme vertreten sind, gilt das für
die meisten internationalen Organisation entweder gar nicht oder nur mit
Einschränkungen. Bei der Suche nach möglichen Vorbildern für ein
kollektives Sicherheitssystem unter Einbeziehung Russlands bieten sich
auch die Erfahrungen der ASEAN-Staaten an. Dieser Verband von zehn
Südostasiatischen Staaten mit einer Bevölkerung von 575 Millionen
Bürgern ist aus dem 1954 gegründeten und 1977 aufgelösten Militärbündnis
SEATO hervorgegangen, das auf Betreiben der USA gegen die Sowjetunion
und die mit ihr verbündeten Staaten einschließlich der Volksrepublik
China gerichtet war. Diese Staaten haben sich im August 1967 in Bangkok
(Thailand) als ASEAN-Verband neu gegründet und verstehen sich heute als
eine "wirtschaftspolitische Interessengemeinschaft". Die ASEAN-Staaten
haben außerdem Verbindungen zu Australien, der VR China, der EU, Indien,
Japan, Kanada, Südkorea, Neuseeland, Russland und den USA, die sie ihre
"Dialogpartner" nennen und mit deren Staats- und Regierungschefs
regelmäßige Konsultationen stattfinden.
Von besonderem Interesse bei der Suche nach Erfahrungen dürften auch die
Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit (SCO - Shanghai Corporation
Organization)[57] sein. Der SCO vorausgegangen war 1996 ein "Vertrag über die Vertiefung des militärischen Vertrauens in Grenzregionen" zwischen Russland, der VR China, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan. 1997 unterzeichneten diese Staaten einen Vertrag über die Reduzierung der Streitkräfte in Grenzregionen. 2004 wurde eine "Regionale Anti-Terrorismus-Struktur" zur Koordinierung der Anti-Terror-Aktivitäten im zentralasiatischen Raum geschaffen. Neben der Terrorbekämpfung will die Organisation die wirtschaftliche Kooperation und den Kulturaustausch befördern. Wie bei den ASEAN-Staaten ist auch in diesem Bündnis die Zurücknahme militärischer Komponenten zugunsten anderer Schwerpunkte zu erkennen.
AU -- Afrikanische Union, der gegenwärtig 53 afrikanische Staaten angehören, hat 2001/2002 die Nachfolge der OAU, der Organisation für afrikanische Einheit angetreten. Im Mittelpunkt der internationalen Tätigkeit der AU stehen wirtschaftliche Aspekte und der Anteil Afrikas am Welthandel. Sicher bieten noch weitere internationale Organisationen Anknüpfungspunkte, um der Militarisierung internationaler Organisationen entgegenzutreten. Dazu gehört auch der GCC-Golfkooperationsrat, gegründet im Mai 1981, ihm gehören Bahrein, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate an. Die "Union Südamerikanischer Staaten" (UNASUR), der zwölf unabhängige Staaten Lateinamerikas angehören, wurde erst am 23. Mai 2008 gegründet. Ihre Ziele sind der Kampf gegen
"Ungleichheit, soziale Ausgrenzung, Hunger, Armut und Unsicherheit". Im März 2009 wurde ein gemeinsamer Verteidigungsausschuss gebildet. Die Regierungen wollen die Kooperation in militärischen Angelegenheiten vertiefen, um der verstärkten militärischen Präsenz der USA in dieser Region Paroli bieten zu können.
Die Umgestaltung internationaler Staatenbündnisse von Militärorganisationen zu zivilen wirtschaftspolitischen Vereinigungen entspricht den Erfordernissen unserer Zeit.
ABSCHLIESSEND
soll ein Denkanstoß von Thomas Mann die Überlegungen abrunden. Thomas Mann -- damit komme ich zum Anfang und zu Goethe und Schiller zurück -- hat sich in seinem Essay "Goethe und die Demokratie" zu Goethes Auffassung vom "europäischen Deutschland" bekannt,
"das ist zugleich das im weitesten Sinne des Wortes ?demokratische? Deutschland, dasjenige, mit dem sich leben lässt, das der Welt nicht Furcht, sondern Sympathie erregt, weil es teilhat an der demokratischen Menschheitsreligion, von der das moralische Leben des Abendlandes letztlich bestimmt ist und die gemeint ist, wenn wir das Wort 'Zivilisation' sprechen."[58] Das schrieb Thomas Mann 1949. Ein Jahr später verfasste er für die amerikanische Zeitschrift "Aufbau" einen Artikel "J?accuse -- Wider die Selbstgerechtigkeit der besseren Welt". Darin kritisierte er die
"herrschenden Tendenzen der öffentlichen Meinungsbeeinflussung..., die von machtpolitischen Zwecken nicht nur nicht frei ist, ... die seit Ende des Krieges die Umfälschung des Problems Ordnung der Welt in die Technik der Blockbildung betreiben."[59] Dieser Aufsatz schließt an seine Mahnung vom "Antibolschewismus als Grundtorheit unserer Epoche"[60] aus den vierziger Jahren an:
"Solange die bürgerliche Welt der kommunistischen Verheißung nichts anderes entgegenzusetzen hat als das untauglich gewordene Ideal des privatwirtschaftlichen Erwerbslebens, des Profits, der Konkurrenz..., solange wird es schlecht um unsere Aussichten stehen, den Kommunismus aus der Welt zu schaffen ... Vor der zügellosen Hysterie, in die ein Wort- und Wut-Fetisch wie 'Kommunismus' heute die Menschen versetzt, ist mir schon oft ein Grauen gekommen."[61]
Wenn das Ziel einer atomwaffenfreien entmilitarisierten Welt nicht in
unendliche Ferne rücken soll, dann müssen die friedenswilligen Kräfte
unabhängig von weltanschaulichen und religiösen Unterschieden
miteinander, nicht gegeneinander arbeiten. Im Miteinander aber hat
Antikommunismus keinen Platz, unabhängig davon, wie viele Vertreter des
Kommunismus selbst zu seiner Diskreditierung beigetragen haben. Eines
ist vor aller Welt offensichtlich geworden: mit militärischen Mitteln
ist keines der anstehende globalen Probleme zu lösen. Die NATO ist ein
Instrument der Zerstörung, unfähig zum Aufbau. Sie steht in Afghanistan
vor einem unaufhaltsamen Fiasko. Daran kann aber niemand interessiert
sein, auch Linke nicht. In dieser Situation sind Überlegungen linker
Politiker und Parteien, Militärbündnisse aller Art schrittweise in
Kollektive Sicherheitssysteme umzuwandeln, denkbare Alternativen.
Es geht um Sicherheitssysteme, deren Teilnehmer sich als
Gleichberechtigte in einem Kollektiv souveräner Staaten verstehen und
sich gegenseitig Sicherheit im umfassenden Sinne garantieren, nicht nur
militärisch.
Die deutsche Partei DIE LINKE hat mit dem Vorschlag in ihrem
Bundestagswahlprogramm, anstelle der NATO schrittweise ein kollektives
Sicherheitssystem zu errichten, außenpolitischen Vorlauf demonstriert.
Damit hat die Linkspartei de facto auf Friedrich Engels und seine
Aufsatzreihe 1893 zurückgegriffen: "Kann Europa abrüsten?" Mit einem
Zitat daraus schließe ich:
"Seit fünfundzwanzig Jahren rüstet ganz Europa in bisher unerhörtem Maß.
Jeder Großstaat sucht dem andern den Rang abzugewinnen in Kriegsmacht
und Kriegsbereitschaft... Und doch rufen in allen Ländern die
Volksklassen, die fast ausschließlich die Masse der Soldaten stellen und
die Masse der Steuern zu zahlen haben, nach Abrüstung. ... Ich behaupte:
Die Abrüstung und damit die Garantie des Friedens ist möglich, sie ist
sogar verhältnismäßig leicht durchführbar, und Deutschland, mehr als ein
andrer zivilisierter Staat, hat zu ihrer Durchführung die Macht wie den
Beruf."[62]
Fußnoten-
John D. Bernal: Welt ohne Krieg. Berlin (DDR) 1960, S. 48.
- Ebenda, S. S. 439 und 472.
- Der Bericht «The Global 2000 Report to the President», wurde von
Präsident Carter 1977 in Auftrag gegeben und 1980 veröffentlicht. Seit
dieser Zeit wird der Begriff «Globale Probleme» regelmäßig verwendet.
- Interview für AP am 24. 1. 1977. Darin verwies er auf einen
Drei-Stufen-Programm: 1. Zuerst ein neues SALT-Abkommen SU-USA; 2. Abbau
der Atomwaffenbestände der USA und der Sowjetunion; 3. Die USA würden
sich um den Abbau der Atomwaffen bei Allen Nationen bemühen.
- Marco Seliger: Der Schatten der Krise. In: «loyal - Magazin für die
Bundeswehr», Nr. 9/2009, S. 6 u. s. 8/9.
- Vorschlag der SU über die Verurteilung der Vorbereitung eines neuen
Krieges und den Abschluss eines Fünf-Mächte-Paktes zur Festigung des
Friedens am 23.9.1949, vor der IV. Vollversammlung der Vereinten
Nationen als Resolutionsentwurf unterbreitet. In Handbuch der Verträge
1871-1964, Berlin (DDR) 1968, S. 491. Der Vorschlag enthielt außerdem,
Militärbündnisse und Militärstützpunkte auf fremden Territorien sowie
Atom- und andere Massenvernichtungswaffen zu verbieten. Die Vorschläge
wurden abgelehnt.
- Attac = Association Pour une Taxation des Transactions Financières
pour L'Aide aux Citoyens (Vereinigung zur Besteuerung von
Finanztransaktionen im Interesse der BürgerInnen) mit rund 90 000
Organisationen und Einzelmitgliedern in 50 Ländern.
- Johann Wolfgang von Goethe gestorben am 22. März 1832, Friedrich von
Schiller gestorben am 9. Mai 1805.
- Alle folgenden Zitate aus: Friedrich Schiller: Was und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? In: Schillers Werke Nationalausgabe. Weimar 1970, 17. Band Historische Schriften, S.359-376.
- In dem "Aufruf an die Europäer" heißt es u.a.: "Während Technik und
Verkehr uns offensichtlich zur faktischen Anerkennung internationaler
Beziehungen und damit zu einer allgemeinen Weltkultur drängen, hat noch
nie ein Krieg die kulturelle Gemeinschaftlichkeit des Zusammenlebens so
intensiv unterbrochen, wie der gegenwärtige.. Die Welt ist durch die
Technik kleiner geworden ... Darum scheint es nicht nur gut, sondern
bitter nötig, dass gebildete Männer aller Staaten ihren Einfluss
aufbieten, dass ... die Bedingungen des Friedens ... dazu genutzt
werden, um aus Europa eine organische Einheit zu schaffen. Die
technischen und intellektuellen Bedingungen dafür sind gegeben ..."
Zitiert nach Zeitschrift GEP Geschichte, Erziehung, Politik, Heft
8/1997, S. 361.
- Indem Deutschland mit der Regierung Sowjetrusslands einen
Friedensvertrag aushandelte, erkannte es als einziges Land
Sowjetrussland völkerrechtlich an, das war wiederum positiv.
- Der französische Marschall Ferdinand Foch (1851-1929) war 1918
Oberbefehlshaber der westlichen Alliierten.
- Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg. Frankfurt/M. 2007, S. 23/24, im Kapitel: Die Torheiten der Sieger.
- Um nur einige Beispiele zu nennen: KP Ungarns November 1918, KP
Polens Dezember 1918, KP der Niederlande April 1919, KP Jugoslawiens
April 1919, KP Amerikas und KP Mexikos im September 1919, KP Spaniens im
April 1920, KP Indonesiens Mai 1920, KP des Iran Juni 1920, KP
Großbritanniens August 1920, KP der Türkei und KP Uruguays im September
1920, KP Australiens im Oktober 1920, KP Luxemburgs im Januar 1921 usw..
Am II. Weltkongress der KI in Petrograd im Juli/August 1920 nahmen ca.
200 Vertreter von über 37 Kommunisten Parteien aus aller Welt teil.
- Jörg Barberowski: Was war die Oktoberrevolution? In: Aus Politik und
Zeitgeschichte (APuZ), Thema Oktoberrevolution. Beilage zur
Wochenzeitung Das Parlament, Nr. 44-45/2007, S.7 - 13. In dem Beitrag
heißt es u. a «In der Atmosphäre des Hasses traten die Bolschewiki als
Advokaten hemmungsloser Gewalt auf... Der Krieg war die Lebensform der
Bolschewiki... Denn der Bürgerkrieg war ein Vernichtungskrieg, in dem
nur siegen konnte, wer den Gegner vollständig auslöschte..., der
verbrannte Erde, materielle und seelische Verwüstungen hinterließ... Die
Bolschewiki zerrissen die dünne Schicht der Zivilisation, die sich in
einem Jahrhundert über das alte Russland gelegt hatte, sie vernichteten
das europäische Russland, seine Eliten und Wertvorstellungen und
ersetzten sie durch eine barbarische und maßlose Gewaltherrschaft.» Die
weiteren 5 Beiträge sind mit ähnlicher Diktion geschrieben.
- Gründung des Völkerbunds 1919, die Konferenz in Genua und der Vertrag
von Rapallo 1922, das Genfer Protokoll 1925 mit dem Verbot von Gas und
bakteriologischen Waffen stärkten die Friedenskräfte. Der
Briand-Kellogg-Pakt 1928 verurteilte «...Krieg als Mittel für die Lösung
internationaler Streitfälle... und ... als Werkzeug nationaler
Politik...» Zitiert nach: Handbuch der Verträge 1871 - 1964. Berlin
(DDR) 1968, S. 254.
- Winston Churchill, a. a. O., S. 13. Siehe dazu über die britische
Hinhaltepolitik: Das Archiv Dirksen (1937-1939) - Dokumente und
Materialien aus der Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges, 2 Bde.,
Moskau 1949.
- Die Konferenz von San Franzisco 1945. Reihe: Die Sowjetunion auf
internationalen Konferenzen während des Großen Vaterländischen Krieges
1941 - 1945. Band 5, Moskau/Berlin (DDR) 1988, S. 470.
- Der offizielle Schlüssel der Zusammensetzung des SR lautet: 5
Ständige Mitglieder mit Vetorecht (die Atommächte Russland, China, USA,
Frankreich, Großbritannien) und zehn nichtständige Mitglieder jeweils
für zwei Jahre, davon 3 aus Afrika, 2 aus Asien, 2 aus Lateinamerika und
Karibik, 1 aus Osteuropa, 2 aus Westeuropa, Nordamerika und andere. Bei
dieser Zusammensetzung fragt man sich nach dem Sinn des deutschen
Drängens nach einem Ständigen Sitz im Sicherheitsrat, wenn Europa jetzt
schon überproportional vertreten ist. Wer heute eine Reform des
Sicherheitsrates fordert, sollte aber nicht beim Vetorecht der fünf
Großmächte beginnen, sondern prüfen, ob alle Kontinente gleichermaßen im
Sicherheitsrat vertreten sind, um ihre Interessen zu vertreten. Drei der
Ständigen Mitglieder und zwei der zehn nichtständigen Mitglieder des SR
(z. Zt. Italien und Belgien) gehören der NATO an, so dass Westeuropa und
die USA zusammen fünf Vertreter im Sicherheitsrat haben.
- Das Atlantische Bündnis - Tatsachen und Dokumente. 7. Aufl. 1990.
Eine Allianz für die neunziger Jahre, S. 17.
- Bei expansionistischen Plänen hätte die Sowjetunion ihre Truppen z.
B. aus Nordnorwegen nicht schon im September 1945, aus der
Tschechoslowakei im November 1945, von der Insel Bornholm im April 1946,
aus der Mandschurei und Nordiran im Mai 1946, aus Bulgarien im Dezember
1947 und aus Nordkorea nicht im Dezember 1948 abgezogen. Das war vor der
Gründung der NATO.
- Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg. Frankfurt/Main 207, S. 944
und 988.
- Goebbels hatte 1942 in der Wochenzeitung «Das Reich» verkündet: «Das
ist für uns der Sinn des Krieges: Wir kämpfen nicht um Ideale; wir
kämpfen um die ukrainischen Weizenfelder, um das kaukasische Erdöl, den
Reichtum der Welt. Gesundstoßen wollen wir uns.» Zitiert nach Aufruf der
KPD, vom 11. Juni 1945, in: Dokumente und Materialien zur Geschichte der
deutschen Arbeiterbewegung. Reihe III, Band 1, Berlin (DDR) 1959, S. 14.
- Im Punkt 17. Heißt es u. a.: «...Die Eigentumsverhältnisse werden
nach dem Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit und den Erfordernissen des
Gemeinwohls geordnet... Post und Eisenbahn, Kohlenbergbau und
Energieerzeugung sind grundsätzlich Angelegenheiten des öffentlichen
Dienstes. Das Bank- und Versicherungswesen unterliegt der staatlichen
Kontrolle.» Zitiert nach: Helmut Kistler: Die Bundesrepublik
Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945-1983. Bonn 1985,
unveränderter Nachdruck 1991, S. 68.
- Siehe dazu u. a.: Diether Posser: Anwalt im Kalten Krieg. Ein Stück
deutscher Geschichte in politischen Prozessen 1951-1968. München 1991.
Heinrich Hannover: Die Republik vor Gericht 1954-1974. Erinnerungen
eines unbequemen Rechtsanwalts. Berlin 1998.
- Die sozialistischen Staaten Europas schlossen sich 1955 im
«Warschauer Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen
Beistand» zusammen, nachdem die BRD Mitglied der NATO geworden war.
- Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa vom 1. August 1975. Zitiert nach: Sicherheit und Zusammenarbeit
in Europa. Dokumente 1972-1975, S. 590.
- Der Club of Rome wurde 1968 von Aurelio Peccei, einem der FIAT-Chefs,
und dem Schotten Alexander King, einem der OECD-Direktoren, als
freiwilliger Verbund von zukunftsorientierten Unternehmern,
Wissenschaftlern und Politikern gegründet. Er hat heute etwa 100
Mitglieder. Das Ziel des Clubs ist «die gemeinsame Sorge und
Verantwortung um bzw. für die Zukunft der Menschheit». 1972 erschien als
erste Publikation der Bericht an den Club of Rome «Die Grenzen des
Wachstums», dessen Mahnung vor zerstörerischen Handlungen von Menschen
international großes Aufsehen erregte. Bis heute sind 33 solche
«Berichte an den Club of Rome» bekannt.
- Alexander King, Bertrand Schneider: Die Globale Revolution - Ein
Bericht des Rates an den Club of Rome, 1991. Zitiert nach Spiegel
Spezial, Nr. 2/1991, S. 105.
- Bertha von Suttner: Die Waffen nieder. Berlin 1990, S.413.
- Charta von Paris für ein neues Europa. Erklärung des KSZE-Treffens
der Staats und Regierungschefs vom 21. November 1990. Zitiert nach:
Blätter für deutsche und internationale Politik (Blätter...) Heft
1/1991, S. 105.
- Gemeinsame Erklärung von zweiundzwanzig Staaten (NATO und WVO) vom
19. November 1990. Ebenda, S.115.
- Zitiert nach: Lothar Schröter: Die NATO im Kalten Krieg, Band 1 von 1949 bis 1975, Band 2 von 1976 bis 1991. Eine Chronik. Edition Militärgeschichte Band 7, Kai Homilus Verlag Berlin 2009, Band 2, S. 1062.
- Das Parlament. Nr. 52-53 vom 20./27. Dezember 1991, S. 3.
- Volker Rühe: Betr.: Bundeswehr. Sicherheitspolitik und Streitkräfte im Wandel. Berlin Bonn Herford 1993, S. 11 f.
- Klaus Dieter Wolf: Das neue Deutschland - eine «Weltmacht»? In:
Leviathan, Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Heft 2/1991, S. 253/254.
- Verteidigungspolitische Richtlinie vom 26. November 1992, zitiert
nach Blätter..., Heft 9/1993, S. 1138/1139. Ausführlich dazu in Ingomar
Klein/Wolfgang Triebel: «Helm ab zum Gebet!» Militarismus und
Militarisierung - ein deutsches Schicksal? Trafo Verlag Berlin 1999, S.
27-37.
- Siehe Vertrag von Lissabon. Sonderdruck des Europäischen Parlaments,
gedruckt von der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2008. Art.
42 - 46, hier Art. 42 (3) und 45 (1) c).
- Dieses Buch enthält die folgende Widmung: «Meinen Studenten - möge
das Buch ihnen dabei helfen, die Welt von morgen zu gestalten.»
Erschienen 1997.
- Am 1. Oktober 2009 tagten in London NATO und Lloyd's of London, die
führende Versicherungsgesellschaft der Welt, zur neuen NATO-Strategie.
NATO-Generalsekretär Rasmussen nannte künftige Kriegsgründe, bei denen die NATO eingreifen müsste: Piraterie, Sicherheit und Verteidigung des Internets, Klimawandel, extreme Wetterereignisse, Ansteigen des Meeresspiegels, große Völkerwanderungen, Wasserknappheit, Dürrekatstrophen, Nahrungsmangel, neue Ressourcen unter den schmelzenden Polkappen, Erderwärmung, CO²-Emissionen, Sicherung von Fabriken, Leitungssystemen und Häfen gegen Stürme und Überflutungen, Sicherung der Energieversorgung, humanitäre und Naturkatastrophen, Stürme, Überflutungen und Bevölkerungsbewegungen, Energieeinsparung, Reduzierung der Abhängigkeit von ausländischen Energiequellen. Siehe NATO vom 1. Oktober 2009.
- Bertolt Brecht: Offener Brief an die deutschen Künstler und Schriftsteller vom 26. September 1951. In: Bertolt Brecht: Schriften zur Literatur und Kunst, Berlin (DDR) 1966, Band II, S.194.
- Interview der französischen Wochenzeitung «Le Nouvel Observateur» vom 15. - 21. 1. 1998. Auf Fragen antwortete Brzezinski u. a.: Tatsache ist, dass Präsident Carter am 3. Juli 1979 die erste Direktive zur
Unterstützung der Opposition gegen das prosowjetische Regime in Kabul
unterzeichnete. Und an dem gleichen Tag habe ich dem Präsidenten eine
Note geschrieben, in der ich ihm erklärte, dass dies meiner Ansicht nach
eine Intervention der Sowjets nach sich ziehen würde.... Wir haben die
Russen nicht dazu gedrängt einzumarschieren, aber wir haben wissentlich
die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie es tun...Als die Sowjets ihre
Intervention rechtfertigten, indem sie vorgaben, gegen eine geheime
Einmischung der Vereinigten Staaten in Afghanistan zu kämpfen, hat ihnen
niemand geglaubt... Diese Geheimoperation war eine ausgezeichnete Idee.
Sie hatte zur Folge, dass die Russen in die afghanische Falle tapsten...
Am Tag, als die Sowjets offiziell die Grenze überquerten, habe ich an
Präsident Carter geschrieben: ,Wir haben jetzt die Möglichkeit, der
UdSSR ihren Vietnamkrieg zu geben'.
- Fischer Weltalmanach 2008, Abschnitt Kriege und Konflikte, S. 30/31.
- Unter diesen Aspekten ist Ziffer 85 der VPR für die Bundeswehr von
2003 interessant. Dort heißt es, dass zur Vermeidung doppelter
Kapazitäten "der Verzicht auf einzelne Fähigkeiten" der Bundeswehr
durchaus möglich ist, "wenn diese von anderen Streitkräften geleistet
und übernommen werden können".
- In der größten USA-Militärkolonie außerhalb der USA, in
Kaiserslautern, lebten 2006 insgesamt 14 485 Soldaten der US-Army und
US-Air Force, 16 440 Familienangehörige der Militärs, 13 588
US-Zivilangestellte mit Angehörigen.
- Rick Rozoff: Pentagon Plans For Global Military Supremacy. In: Global Research. ca , Centre for Research on Globalization, 22. August 2009.
- Arbeitgeber Bundeswehr. Bundeswehr Wir sichern Zukunft. Hg.
Bundesministerium für Verteidigung. O.J., S. 4..
- Bertolt Brecht: Schriften zur Politik und Gesellschaft Band II,
Berlin und Weimar 1968, S. 219/210.
- Leider haben sich seine Nachfolger nicht daran gehalten. Im Dezember
1949 wurden 60 Kriegsverbrecher aus dem Landsberger Gefängnis vorzeitig
entlassen, im Januar 1950 zehn von fünfzehn Todesurteilen in
Gefängnisstrafen umgewandelt, 32 weitere Kriegsverbrecher sofort
entlassen, darunter Krupp, der zugleich sein Vermögen zurückbekam. Im
gleichen Jahr kehrten ca. 400 Nazikriegsspezialisten - Generale,
Politiker, Juristen, Industrielle und Wehrwirtschaftsführer - aus der
Haft in westlichen Ländern nach Deutschland und in neue Ämter zurück.
- Präsident Roosevelt: Amerika und Deutschland 1936-1945. Auszüge aus
Reden und Dokumenten. Hg. Im Auftrage der Regierung der Vereinigten
Staaten. O.J. (1946), S. 38. Die drei anderen Freiheiten lauten: "Die
erste Freiheit ist die Freiheit der Rede und der Meinungsäußerung -
überall in der Welt. Die zweite Freiheit ist die Freiheit eines jeden,
Gott auf seine Weise zu dienen - überall in der Welt. Die dritte
Freiheit ist Freiheit von Not. Das bedeutet, gesehen vom Gesichtspunkt
der Welt, wirtschaftliche Verständigung, die für jede Nation ein
gesundes, friedliches Leben gewährleistet - überall in der Welt." (S. 37)
- Thomas Jefferson: (1743 - 1826) 1801 - 1809 Präsident der USA;
Jefferson war Vorkämpfer für Menschenrechte.
- Präsident Roosevelt, a. a. O., S. 102.
- Prager Rede von USA-Präsident Barak Obama am 5. April 2009.
http://www.welt.de/politik/article3507024.
- Hier bietet sich an, einen Gedanken Bertolt Brechts aus einem Artikel "Das Andere Deutschland" aus dem Jahre 1943 einzufügen: "...Eines ist sicher... wenn die Beherrscher Deutschlands militärisch besiegt werden,
wirtschaftlich aber an der Macht bleiben, dann ist eine Befriedung
Europas undenkbar...." In: Bertolt Brecht, Schriften zur Politik, Band
II, a. a. O., S. 294.
- Siehe Neues Deutschland vom 24. Juni 2009, S. 2.
- Vertrag von Lissabon. Hg. Europäisches Parlament. Bonn 2008, S. 55 - 59.
- Im Mai 2001 in Shanghai gegründet, Mitglieder sind China, Russland, Usbekistan, Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan; die Mongolei, Indien, Pakistan und Iran haben einen Beobachterstatus, Dialogpartner sind Afghanistan, die ASEAN-Staaten, die GUS-Staaten, Sri Lanka, Weißrussland; Turkmenistan und Nepal haben ihr Interesse an dieser Organisation bekundet.
- Goethe und die Demokratie. In: Thomas Mann: Über deutsche Literatur. Reclam Leipzig, o. J. (1963), S. 92/93.
- Thomas Mann: J?accuse -- Wider die Selbstgerechtig-keit der besseren Welt. In: Blätter für deutsche und inter-nationale Politik, Heft 12/1991, S. 1437. Hervorhebungen bei Thomas Mann,
- Dies ist ein verkürztes Zitat aus einem Vortrag, den Thomas Mann am 13. Oktober 1943 in Washington und danach in anderen Städten der USA gehalten hat, so dass auch variierende Fassungen dieser Aussage überliefert sind. Seine Tochter Erika Mann hat folgende zusammenhängende Darlegung ihres Vaters autorisiert:"...ich glaube, ich bin vor dem Verdacht geschützt, ein Vorkämpfer des Kommunismus zu sein. Trotzdem kann ich nicht umhin, in dem Schrecken der bürgerlichen Welt vor dem Wort Kommunismus, diesem Schrecken, von dem der Faschismus so lange gelebt hat, etwas Abergläubisches und Kindisches zu sehen, die Grundtorheit unserer Epoche." Siehe dazu: Thomas Mann, Schriftsteller der Gegenwart. Hilfsmaterial für den Literaturunterricht an den Ober- und Fachschulen der DDR, Berlin 1954, S. 120/121, und Junge Welt vom 6. Juni 2005, Aufsatz von Dr. Seltsam (Internet: http://www.drseltsam.net/thomasmann.html).
- Blätter ... a. a. O., Nr. 12/1991, S. 1444/1445.
- Friedrich Engels: Kann Europa abrüsten? In: MEW a. a. O., Band 22, S.373.
Hg. Birgit Daiber. ROSA LUXEMBURG FOUNDATION BRUSSELS OFFICE
Ave. Michel-Ange 11, 1000 Brüssel, Belgien
Blog: http://blog.rosalux-europa.info/
Original-pdf:
http://rosalux-europa.info
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