Kriegskonzept
Gastkommentar. Neue alte NATO-Strategie
Von Zivadin Jovanovic *
Die neue Strategie der NATO ist elf Jahre alt. Mit Blick auf den Gipfel des Militärpakts in Lissabon in dieser Woche ist es notwendig, daran zu erinnern, daß Serbien bzw. die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 zum Versuchsfeld und ersten Opfer des sogenannten neuen NATO-Konzepts wurde. Die Staats- und Regierungschefs der NATO-Mitgliedsländer wollen sich nun ermächtigen, Militäraktionen faktisch überall in der Welt, zu unternehmen. Die NATO wird keinesfalls um eine Autorisierung durch den UN-Sicherheitsrat nachsuchen. Sie stellt sich über die UNO, die OSZE und andere internationale Zusammenschlüsse.
Das alles und vieles mehr wurde 1999 offenkundig in Serbien bzw. Jugoslawien erprobt. Die 72 Tage andauernde militärische Aggression der NATO hinterließ Tausende Tote und Verletzte, zwei Drittel davon Zivilisten, eine völlig zerstörte Wirtschaft, eine verseuchte Umwelt durch Geschosse mit abgereichertem Uran sowie Hunderttausende Vertriebene. Noch heute sind Gebäude im Herzen von Belgrad Ruinen, und mehr als 200000 Serben aus Kosovo und Metochien können nicht in ihre Heimat zurückkehren.
Die NATO-Staaten unterstützten die illegale einseitige Abtrennung Kosovo-Metochiens von Serbien im Februar 2008, und sie führten dann den Prozeß der illegalen Anerkennung ihres Geschöpfes an. In den 90er Jahren hatten viele NATO-Länder die UCK-Terroristen finanziert, ausgebildet und bewaffnet. Folgerichtig war die kosovo-albanische UCK die Bodentruppe während der Aggression. Gegenwärtig finanziert, bewaffnet und trainiert die NATO die illegale Armee des illegalen Kosovo, die aus den früheren UCK-Terroristen besteht. Die USA, Großbritannien, Deutschland und die Türkei sind die führenden Akteure dieses Prozesses.
Es ist nicht verwunderlich, daß Kosovo von einigen als NATO-Staat, von anderen als Narco-Staat bezeichnet wird. Auf jeden Fall bleibt »Camp Bondsteel« im Kosovo die größte Militärbasis in Europa, manche sagen, in der Welt. Die Provinz mit nahezu 9000 NATO-geführten KFOR-Soldaten bleibt ein Rekrutierungsfeld für die Drogenmafia und ein Transitweg für Heroin aus Afghanistan nach Mittel- und Nordeuropa. Ende Oktober trafen sich in Tirana »Vertreter« von Albanern aus Serbien, Mazedonien, Griechenland und Montenegro. Sie proklamierten als gemeinsames Ziel die Schaffung eines Großalbaniens, die Vereinigung aller Albaner in einem Staat.
Somit haben die NATO-Aggression gegen Serbien 1999 und die NATO-Strategie generell zum Anstieg der Sezessionen, der Legitimierung von Interventionen sowie zur Untergrabung der UNO und des Völkerrechts geführt. Die NATO hat den Balkan zu einer Region dauerhafter Instabilität gemacht. Ist das die Rolle der NATO, die Europa und die Welt künftig sehen wollen?
* Der Autor war von 1998 bis 2000 Außenminister der Bundesrepublik Jugoslawien und ist heute Präsident des »Belgrader Forums für eine Welt der Gleichen«.
Aus: junge Welt, 15. November 2010
Referent beim Friedensratschlag 2010
Zivadin Jovanovic wird beim Friedenspolitischen Ratschlag 2010 am 5. Dezember einen Vortrag halten: "Balkan: Region des Friedens oder Region der 'kontrollierten' Instabilität".
Hier geht es zum ganzen Programm:
Friedenspolitischer Ratschlag 2010
NATO: Mehr Truppen für Intervention
Rasmussen fordert verlegbare Kräfte **
Berlin (dpa/AFP/ND). Nach Ansicht von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sollte bei der Reform der Bundeswehr der Aufbau von Einheiten für Auslandseinsätze im Mittelpunkt stehen. »Die Bundeswehr sollte im Rahmen ihrer Reform den Schwerpunkt auf den Aufbau von Kräften legen, die für Auslandseinsätze infrage kommen«, sagte er der »Welt am Sonntag«. »Wir müssen uns grundsätzlich auf verlegbare Truppen konzentrieren«, forderte Rasmussen. Dies gelte auch für das Verteidigungsbündnis insgesamt. »Europas Problem ist doch, dass es zu viele fest stationierte Einheiten hat, die nicht für Auslandseinsätze infrage kommen. In der Zukunft aber werden wir mehr flexible und mobile Kräfte brauchen«, mahnte Rasmussen. Er lobte die Pläne von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), die »in die richtige Richtung« gingen.
Ende kommender Woche beraten die NATO-Staaten bei ihrem Gipfel in Lissabon über eine Reform des Bündnisses. Rasmussen, unter dessen Leitung ein neues strategisches Konzept für die Allianz vorbereitet wurde, tritt neben einer stärkeren Ausrichtung auf Mobilität dafür ein, Antworten auf neue Gefahren zu finden. Dazu gehörten, so Rasmussen, ein gemeinsames System zur Raketenabwehr und die Verteidigung gegen Angriffe aus dem Internet.
** Aus: Neues Deutschland, 15. November 2010
Klare Ansage
Von Christian Klemm *
Diese Woche findet der NATO-Gipfel in Lissabon statt. Das Bündnis will dort eine neue Strategie beschließen. Wenige Tage vor dem Treffen machte NATO-Generalsekretär Rasmussen deutlich, was er von der Bundesregierung in Sachen Sicherheitspolitik in Zukunft erwartet. In der Springer-Presse forderte der Däne, dass Schwarz-Gelb die Bundeswehr im Rahmen ihrer Reform weiter zu einer Interventionsarmee umbauen sollte. Nicht feststehende Einheiten, sondern mobile und flexible Einsatzkräfte für Auslandseinsätze seien heute notwendig, so Rasmussen. Damit ist die Richtung der zukünftigen NATO-Strategie schon jetzt erkennbar: Weg von der kollektiven Verteidigung des Nordatlantik-Vertrags und hin zu mehr völkerrechtswidrigen und blutigen Kriegseinsätzen.
Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999 war für die Bundeswehr eine Zeitenwende. Von Verteidigung konnte damals keine Rede sein; man gab vor, auf dem Balkan einen Völkermord zu verhindern. Erstmals nach 1945 führte Deutschland wieder Krieg. Wenig später marschierten deutsche Soldaten nach Afghanistan. Zwar rieft die NATO – bisher einmalig in ihrer Geschichte – den Bündnisfall aus, doch auch diesmal war die völkerrechtliche Legitimation höchst umstritten. Weitere Auslandseinsätze, etwa am Horn von Afrika, folgten.
Wie Rasmussen andeutet, ist das wohl nicht das Ende der Fahnenstange. Weitere »Friedensmissionen« sind möglicherweise schon in Planung. Dass Deutschland als großer NATO-Truppensteller dabei eine entscheidende Rolle spielen soll, scheint in Brüssel beschlossen. Wetten, dass sich Merkel und ihr Verteidigungsminister nicht querstellten werden!
*** Aus: Neues Deutschland, 15. November 2010 (Kommentar)
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