NATO und EU Hand in Hand
Neue militär-strategische Partnerschaft
Von Tobias Pflüger *
Der Gipfel in Lissabon wird eine neue
NATO-Strategie beschließen. Die Europäische
Union wird in diesem neuen Konzept
zum eigenständigen »strategischen Partner
« aufgewertet. Was heißt das? Damit
wird erstmals im verbindlichen Strategiepapier
der NATO die EU als militärischer
(!) Partner für den Nordatlantik-Pakt benannt.
Der wesentliche Hintergrund für die
neue Einstufung liegt darin, dass inzwischen
der Lissabon-Vertrag die vertragliche
Grundlage der Europäischen Union ist.
Sie wird mit dem neuen EU-Vertrag ja
auch zu einem Militärbündnis.
Die militärische »Solidaritätsklausel«
(Art. 222) der EU, die härter ist als die
Solidaritätsklausel der NATO, ermöglicht
auch einen Einsatz von Militär im Inneren
der EU. Artikel 42 verpflichtet die Mitgliedsstaaten
zur Aufrüstung. Die «Ständige
Strukturierte Zusammenarbeit« macht
ein militärisches Kerneuropa möglich. Entscheiden
dürfen über die so beschlossenen
Einsätze dann nur noch diejenigen,
die daran teilnehmen. Mit dem »Anschubfonds
« kann der EU-Haushalt erstmals für
Militärisches genutzt werden, die bisherigen
EU-Verträge verboten dies. Sowohl die
EU-Battle-Groups als auch die EU-Rüstungsagentur
wurden mit dem Lissaboner
Vertrag erstmals primärrechtlich verankert.
Sie könnten damit erst wieder durch
einen neuen EU-Vertrag abgeschafft werden.
Schon die Arbeitsgruppe um Madeleine
Albright, die eine Vorversion des neuen
Strategischen Konzeptes der NATO erarbeitet
hat, drängte auf eine enge NATOEU-
Zusammenarbeit: »Die volle Komplementarität
zwischen NATO und EU ist essenziell,
wollen die Verbündeten einen
gemeinsamen und kosteneffektiven Ansatz
für ihre Sicherheit schmieden, wenn beide
in Stabilisierungseinsätzen involviert
sind.« (S.24) Die Bundesregierung begrüßt
dem Vernehmen nach die »vorwärtsgerichtete
Sprache« zur Zusammenarbeit zwischen
NATO und EU im neuen strategischen
Konzept.
Mit der Einstufung der EU als militärisch-
strategischer Partner wird im Bereich
der Allianz umgesetzt, was die US-Administration
von Barack Obama gleich zu Beginn
angegangen war: Eine größere Arbeitsteilung
zwischen den USA und den EU
bzw. den großen EU-Staaten. Wenn die Europäer
adäquat mitkämpfen, dürfen sie
auch substanziell mitreden – eine »Neue
Transatlantische Partnerschaft« mit einer
stärkeren NATO und einem Militärbündnis
EU (vgl. ND, 21.11.2008). Und es wird
eingelöst, was im gültigen Lissabon-Vertrag
der EU (in der Präambel des Protokolls
über die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit)
bezüglich der NATO gesagt
wurde: »In der Überzeugung, dass eine
maßgeblichere Rolle der Union im Bereich
von Sicherheit und Verteidigung im Einklang
mit den sogenannten Berlin-Plus-
Vereinbarungen zur Vitalität eines erneuerten
Atlantischen Bündnisses (also der
NATO) beitragen wird.« Dieser Passus hatte
insbesondere in Irland beim ersten Referendum
zum Lissabon-Vertrag für Wirbel
gesorgt und mit zur Ablehnung beigetragen.
Durch diese Formulierung wurde klar,
dass EU und NATO ungeachtet der festgeschriebenen
Neutralität von vier EU-Mitgliedstaaten
engstens politisch-militärisch
zusammenarbeiten.
Schon im Jahre 2003 ist die Europäische
Union mit der NATO eine strategische
Partnerschaft eingegangen. Das Berlin-
Plus-Abkommen, mit dem militärische
Strukturen der NATO für EU-Militäreinsätze
wie etwa in Bosnien genutzt werden können,
ist ein Ergebnis davon. Nun werden
wohl konkrete Schritte in die Gegenrichtung
erfolgen. So wird ein Berlin-Plus-Reverse-
Abkommen diskutiert. Und die NATO
ist dabei, die Grundidee der EU von der
zivil-militärischen Zusammenarbeit (eigentlich
einer zivil-polizeilich-militärischen
Zusammenarbeit) zu kopieren und gemeinsam
mit der Union in einzelnen Konfliktregionen
umzusetzen. Das heißt auch, die
NATO wird zum Beispiel in Afghanistan
noch mehr zivile Akteure wie Hilfs- und
Entwicklungshilfegruppen in ihre Militärstrategie
mit einbinden.
Interessant ist, dass es in der Praxis
dennoch erhebliche Probleme gibt. Als
Hindernis bei der konkreten NATO/EU-Zusammenarbeit
bei gemeinsamen Manövern
und dem Austausch geheimer Dokumente
stellt sich bisher der Zypern-Konflikt heraus.
Zypern will nicht, dass die Türkei
Mitglied der EU-Rüstungsagentur wird, solange
der Norden der Mittelmeer-Insel besetzt
ist. Die Türkei blockiert bei der
NATO-EU-Zusammenarbeit Zypern, weil
Zypern weder Mitglied der NATO noch der
des NATO-Programms »Partnerschaft für
den Frieden« ist. Staatsminister Werner
Hoyer und andere gehen soweit, den EU-Mitgliedstaat
Zypern für die Blockaden
zwischen NATO und EU verantwortlich zu
machen. »Das Kernproblem ist Zypern«,
meinte etwa der ehemalige stellvertretende
NATO-Generalsekretär Jiri Sedivy. In
gewisser Weise stimmt das: Zypern ist der
einzige Staat der EU, der nicht Mitglied
der NATO und nicht Mitglied der »Partnerschaft
für den Frieden«, der NATO-Mitgliedschaft
light ist. Hoffen wir dass die
zypriotische Regierung standhaft bleibt
und so und auch anders Sand im Getriebe
der EU/NATO-Zusammenarbeit ist und
bleibt.
* Tobias Pflüger ist Mitglied im Parteivorstand
der LINKEN sowie im Vorstand der Informationsstelle
Militarisierung (IMI) e.V. und war von 2004 bis 2009 Europaabgeordneter
der LINKEN.
Aus: Neues Deutschland, 12. November 2010 (Beilage)
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