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Bushs Abschiedstour in Europa: Retten, was noch zu retten ist

Von Andrej Fedjaschin *

Bei seiner letzten Europa-Tour scheint US-Präsident George W. Bush einen verzweifelten Versuch unternehmen zu wollen, sein politisches Erbe zu retten.

Den europäischen Nato-Verbündeten - selbstverständlich den Veteranen und nicht etwa den osteuropäischen und den baltischen Neulingen - fällt es indes immer schwerer, sich ein geeignetes Abschiedsgeschenk für Bush einfallen zu lassen.

Washington hat das offenbar längst begriffen und seine Erwartungen im Vorfeld der Reise beträchtlich gedrosselt. So erklärte Bush kurz vor der Reise in seinem Interview für "Die Welt", er bestehe nicht mehr darauf, dass Deutschland seine Kampfeinheiten nach Südafghanistan entsendet.

Dieses Problem hätte nämlich einen großen Krach beim Nato-Gipfel verursachen können, weil sich Berlin geweigert hat, seine Soldaten in den ungemütlichen Süden Afghanistans zu schicken, wo Amerikaner, Engländer und Kanadier kämpfen müssen. Stattdessen wird es um die Konzipierung einer "gemeinsamen Nato-Strategie" für Afghanistan gehen.

Höchstens der französische Präsident Nikolas Sarkozy könnte Bush erfreuen: Er hat bereits versprochen, zusätzlich zu den 1 500 Soldaten weitere 1 000 nach Afghanistan zu schicken, und will dies nun in Bukarest ankündigen.

In privaten Gesprächen meinen Nato-Offizielle allerdings, dieses Versprechen von Sarkozy bedeute in Wirklichkeit nicht viel: Die Franzosen haben sich im relativ ruhigen Nordosten Afghanistans verschanzt und hören dort nur auf ihre Kommandeure.

Die anvisierte "sechste Nato-Osterweiterung" wirkt unterdessen nicht mehr bloß umstritten, sondern einfach nicht realisierbar. Zumindest in der von der Administration Bushs geplanten Form.

So war geplant, beim bevorstehenden Gipfel Nato-Beitrittseinladungen an Albanien, Mazedonien und Kroatien sowie an Georgien und die Ukraine zu überreichen. Die Einladung an Mazedonien ist indes recht fraglich geworden: Griechenland will die Mitgliedschaft des Nachbarlandes blockieren, bis es den Staatsnamen ändert.

Nach Ansicht der Griechen haben die Mazedonier die Bezeichnung eines historischen Territoriums Griechenlands gestohlen und erheben sogar Anspruch auf einen Teil des griechischen Territoriums. Ein Veto Griechenlands könnte also diese Beitrittspläne durchkreuzen.

Noch schlimmer sieht es für Kiew und Tiflis aus. Egal was Bush ihnen versprochen haben mag: Weder Viktor Juschtschenko noch Michail Saakaschwili werden offenbar die angestrebten Einladungen bekommen, die ihr Ansehen vor allem im Inland recht stark aufpolieren könnten.

Deutschland und Frankreich, aber auch einige andere Nato-Veteranen sprechen sich dagegen aus.

Tonangebend ist hier Bundeskanzlerin Angela Merkel, die eine weitere "Antagonisierung" Moskaus vermeiden möchte, wobei die Beziehungen mit Russland ohnehin durch den "Präzedenzfall Kosovo" und den Streit um die geplante Raketenschild-Stationierung in Osteuropa ziemlich vergiftet sind.

In privaten Gesprächen stellen deutsche Diplomaten fest, dass es keinen Sinn hat, sich mit einer Aufnahme der Ukraine und Georgiens in die Nato zu beeilen - wenn man vom Streben Bushs absieht, damit in die Weltgeschichte einzugehen.

Die Ukraine und Georgien spielen als Nicht-Mitgliedsstaaten die Rolle von Pufferzonen zwischen der Nato und Russland und sind in dieser Funktion für Brüssel viel bequemer: Einerseits sind sie lenkbar, andererseits trägt die Nato keine Verantwortung für sie.

Der russische Teil der Tour wirkt ebenfalls nicht gerade vielversprechend für den scheidenden US-Präsidenten, wenn auch Washington jetzt ständig von einer gegenseitigen Annäherung der Positionen zum Raketenschild spricht und das Streben betont, beim Treffen in Sotschi einen "strategischen Rahmen" des Formats der amerikanisch-russischen Beziehungen "für die Nachfolger" festzuzurren.

Plausibler wirkt eine andere Erklärung: Im Weißen Haus - und nicht nur dort - hat man immer noch kein klares Bild davon, wie die "Halb-Putin"-Ära in Russland nach dem Ende der "Putin-Epoche" am Tag der Amtseinführung des neu gewählten Präsidenten Dmitri Medwedew am 7. Mai aussehen wird.

Bush will wohl bei seinem Besuch in Sotschi sondieren, welche Machtbereiche in der Außenpolitik der scheidende Staatschef, der nun Regierungschef werden soll, seinem Nachfolger im Präsidentenamt zu überlassen beabsichtigt.

Jedenfalls scheint dieses Ziel wahrscheinlicher zu sein als das, was die Londoner "Sunday Times" als das Hauptziel des Besuchs in Sotschi betrachtet. Wie das Blatt behauptet, wollen Bush und Putin "das Projekt des Baus eines Tunnels in der Beringstraße abstimmen". Das Projekt soll angeblich 33 Milliarden Pfund kosten. Dann wäre im Prinzip eine Non-Stop-Reise von London nach New York möglich.

Im Prinzip schon. Zunächst muss aber eine Eisenbahn zwischen Moskau und der Halbinsel Tschukotka (an der Küste der Beringsee) gebaut werden.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 1. April 2008



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