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Friedensarbeiterinnen

Leipzig: Vor dem 60. Jahrestag der NATO-Gründung analysierten Feministinnen aus ganz Europa den patriarchalen Charakter des Militärbündnisses

Von Nora Schareika *

Die Tagung ist unser Beitrag zum 60. Geburtstag der ­NATO«, sagt Christiane Reymann mit einem Augenzwinkern. Sie ist die Mitorganisatorin eines Seminars, zu dem el-fem, das Frauennetzwerk der Europäischen Linkspartei (ELP) und LISA, die Feministische Arbeitsgemeinschaft der Partei Die Linke, vergangenes Wochenende nach Leipzig geladen hatten. Rund 90 Frauen aus ganz Europa tauschten sich zum Thema »Frauen als Friedensarbeiterinnen, Friedensstifterinnen und Friedenerhaltende« aus. Sie stellten aktuelle Projekte und Initiativen von, für und mit Frauen vor.

So konstatierte Jana Glivická, Sprecherin der tschechischen Initiative »No Bases«, mit Blick auf die geplanten Militärbasen der Vereinigten Staaten in Osteuropa, der Kampf für Frieden müsse auch ein Kampf gegen diese Raketenstützpunkte sein. Die gebürtige Kroatin Borsiljka Schedlich vom Berliner Verein Südost Europa Kultur e.V. schilderte in ihrem Vortrag eindringlich ihre Eindrücke aus dem jugoslawischen Bürgerkrieg und dem darauffolgenden NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999. Die Israelin Inna Michaeli von der Coalition of Women for Peace klärte über die Hintergründe des Krieges in Gaza auf, unter dessen Folgen besonders Frauen und Kinder leiden.

Den Teilnehmerinnen, von denen einige selbst aus ehemaligen oder gegenwärtigen Kriegsgebieten stammen, ging es erklärtermaßen nicht darum, die angeblich besondere Eignung von Frauen – etwa aufgrund ihrer »mütterlichen Attribute« – für die Friedensarbeit zu betonen. Vielmehr wollten sie die patriarchale Natur von Kriegen herausstellen und feministische Auswege erarbeiten.

Eine »feministische Kritik« der ­NATO steuerte ELP-Vorstandsmitglied Christiane Reymann bei (siehe Dokumentation unten). Eine solche ist aus ihrer Sicht nötig, weil »das Männliche« Staat und Militär bis in ihre innersten Schichten präge. Das 1949 gegründete Militärbündnis stehe für ein patriarchal geprägtes Herrschaftsgefüge, das die schleichende Aushebelung der »Herrschaft des Rechts zur Folge hatte«.

Die Teilnehmerinnen verabschiedeten einen Appell gegen den Krieg Israels gegen die Palästinenser im Gaza-Streifen. Darin heißt es unter anderem: »Wir sind Zeuginnen des zynischen Experiments, mit militärischer Übermacht den Lebensmut des palästinensischen Volkes zu brechen. Wir nehmen die Bitterkeit und Fassungslosigkeit der israelischen Friedensbewegung wahr, miterleben zu müssen, wie die Kriegshysterie so viele ihrer Landsleute blind macht für das Leiden ihrer Nachbarn und dafür, daß dieser Krieg selbst Israel nicht mehr, sondern weniger Zukunft bringt.« Palästina werde durch die »jahrzehntelange israelische Besatzung« an der Bildung eines eigenen lebensfähigen Staates gehindert.

In einem weiteren Aufruf fordern die Frauen die Auflösung der NATO und eine Abkehr von jeder »Politik der Stärke«. In beiden Texten wird die sofortige Umsetzung der UN-Resolution 1325 aus dem Jahr 2000 verlangt, die eine höhere Repräsentanz von Frauen auf allen Entscheidungsebenen zur Lösung und Vorbeugung von Konflikten festschreibt.

www.lisaleipzig.de, www.lisa-frauen.de, www.european-left.org

* Aus: junge Welt, 23. Januar 2009


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