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Serbisches Bergbaukombinat Trepca besetzt

Will sich der Westen die Bodenschätze des Kosovo unter den Nagel reißen?

Am Morgen des 14. August 2000, übernahm die UN-Verwaltung im Handstreich die Zentrale des jugoslawischen Trepca-Bergbaukombinats im Norden der Provinz Kosova. Es war nach übereinstimmenden Berichten ganz unterschiedlicher Quellen ein handstreichartiger Coup: Im Schutz der Dunkelheit, kurz vor vier Uhr, umstellten mehrere Hundert Kfor-Soldaten die Zentrale des Kombinats im Norden von Kosovska Mitrovica. Nach einigem Hin und Her ergaben sich die rund 30 verbarrikadierten serbischen Arbeiter der militärischen Übermacht. Im Lauf des Tages kam es zu teilweise heftigen Demonstrationen von Serben.

Die Begründung der UN-Verwaltung UNMIK: Die Emissionen des Schmelzofens des Werks überschritten die zulässigen Werte um das 200-fache. Eine Schließung sei zum Schutz der Gesundhit der Bevölkerung unausweichlich gewesen.

Dazu ein paar ergänzende Berichte und Meinungen:


ZVECAN / KOSOVSKA MITROVICA, 15. August 2000. Am Montag um 3.30 Uhr stürmten 3.000 KFOR-Soldaten Anlagen der Aktiengesellschaft "Trepca" in Zvecan, im Norden des Amselfeldes. Der Widerstand der 250 Arbeiter konnte in kurzester Zeit durch massive Gewaltanwendung gebrochen werden. An der Stürmung der Anlage nahmen starke Einheiten der französischen, italienischen, britischen und pakistanischen Armee teil, unterstützt von zahlreichen Hubschraubern.

Mehrere Arbeiter wurden verletzt, einige wurden eingekettet und abgeführt. Der Vorstandsvorsitzender der Aktiengesellschaft Novak Bjelic wurde verhaftet und per Dekret des UN-Administrators Bernard Kouchners aus seiner Heimatstadt und aus der Provinz Kosovo und Metochien verwiesen. Ihm wurde die Rückkehr strengstens verboten.

Etwa 50 serbische Bürger von Zvecan, die gegen die Stürmung protestierten, wurden von den Angehörigen der "Friedenstruppe" schwer verprügelt.

Am Morgen stürmten 50 Angehörige der jordanischen Sondereinheiten den einzigen serbischen Rundfunksender "Radio S" in Zvecan und zerstörten buchstäblich die ganze Studiotechnik und die gesamten Sendeanlagen. "Radio S" war der einzige Sender, der Nachrichten aus Serbien und Jugoslawien im nördlichen Amselfeld sendete. Nun sind alle Sender von Kouchner gleichgeschaltet.

Noch am gleichen Tag kam Kouchner nach Kosovska Mitrovica und begründete die Stürmung durch angeblich zu hohe Bleikonzentration in der Luft. Er hat gesagt, ein ausländisches Konzern würde die Anlage übernehmen und für die Einheiltung der Umweltvorschriften sorgen.

Mit diesen Ereignissen scheint die letzte Phase der Übernahme der Bodenschätze in Kosovo und Metochien durch internationale Konzerne eingetreten zu haben. Die Kouchner-Administration ermöglichte es, indem sie nicht nur die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates täglich mit Füssen tritt, sondern auch die elementäre Menschenrechte auf groteske Weise aufs schwerste verletzt.
STIMME KOSOVOS (serbische Nachrichten), 14.08.2000

Gefährlicher Schadstoffausstoß

Roland Heine

Kfor-Einheiten haben am Montag Anlagen des Trepca-Minenkombinates im Norden des Kosovo besetzt. UN-Verwaltungschef Kouchner begründete den Einmarsch mit der Notwendigkeit, den hochgradig gefährlichen Schadstoffausstoß unterbinden zu müssen, andere Hintergründe als die Sorge um die Gesundheit der Bevölkerung hat es demnach nicht gegeben.

Doch das Trepca-Kombinat ist nicht irgendein Betrieb. Es ist das industrielle Herz des Kosovo und liegt inmitten der von Serben dominierten Nord-Region. Die albanische Seite fordert seit langem schon die Übergabe des Komplexes, in welchem früher viele Albaner arbeiteten. Aus Sicht der Nationalisten ist Trepca ein wichtiger Baustein für ein unabhängiges Kosovo ohne Serben. Viele Kosovo-Serben wiederum sehen die Antwort auf die Frage, wer das Kombinat in der heutigen Zeit führt, als entscheidend dafür an, ob der albanische Vertreibungsdruck noch zunehmen wird. Trepca, während des Nato-Krieges gegen Jugoslawien stark beschädigt, gilt ihnen als Symbol der Hoffnung und des Wiederaufbaus.

Das alles ist sowohl der Kfor als auch der UN-Verwaltung bekannt. Dennoch meinte man, einen Tag nach Verkündung des Termins für die ohnehin umstrittenen Kommunalwahlen einen derart schwerwiegenden Schritt wie die Besetzung von Trepca gehen zu müssen. Das Umweltargument wirkt in diesem Zusammenhang lächerlich. Uno und Kfor hätten mehr als genug zu tun, kümmerten sie sich konsequent um die Beseitigung der durch das Nato-Bombardement verursachten Umweltschäden. Erinnert sei nur an die von US-Jets abgefeuerten 31 000 Uran-Geschosse.
Berliner Zeitung, 15.08.2000

Und die junge welt schreibt (ebenfalls am 15. August 2000):

Landschaftspflege für George Soros
KFOR besetzt Minenkomplex von Trepca im Kosovo

Kurz vor Tagesanbruch, um halb fünf in der Früh, haben die NATO-geführten Kosovotruppen am Montag in einer überfallartigen Aktion in der kleinen, immer noch von Serben kontrollierten Region des Nordkosovo den Gruben- und Minenkomplex Trepca unter ihre Kontrolle gebracht. Das Unternehmen besteht aus einem weitverzweigten System von Gruben, Schmelz- und Metallverarbeitungsanlagen, in denen die vor Ort abgebauten Erze, einschließlich Gold, bearbeitet werden. Der Wert des Minenkomplexes wird aufgrund der Erzreserven im Boden trotz der veralteten Industrieanlagen auf etwa 10 Milliarden DM geschätzt. Kein Pappenstiel und kein Wunder also, daß die Führung der kosovo-albanischen Politgangster in der UCK schon lange ein Auge auf dieses Filetstück geworfen haben.

Trepca ist außerdem Objekt der Begierde einer internationalen, NATO-nahen privaten Investorengruppe, zu der auch die Soros-Foundation gehört. Diese steht seit langem in Kontakt mit dem umstrittenen UNMIK-Chef Bernard Kouchner - vor Monaten hatte sie einen detaillierten Plan über die »Privatisierung« des Trepca-Komplexes vorgelegt. UNO- Generalsekretär Kofi Annan kündigte denn auch in seinem jüngsten Vierteljahresbericht zum Kosovo die Trepca- Übernahme durch UNMIK als ersten Schritt in Richtung Privatisierung an.

Doch auf welcher rechtlichen Grundlage soll dies vonstatten gehen? De facto handelt es sich um eine Enteignung von privaten und juristischen Personen und nicht um eine Privatisierung. Nach wie vor gehören Teile des Trepca-Komplexes einem privaten Zusammenschluß von griechischen und jugoslawischen Unternehmen, während andere Bereiche der jugoslawische Staat hält. Bereits in der Vergangenheit ist mehr als deutlich geworden, daß dem UNMIK- Chef Kouchner juristische Fragen und Völkerrecht nicht das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben stehen. Insofern sind Zweifel angebracht, wenn nun von einer vorübergehenden Maßnahme zwecks Sanierung die Rede ist.

Und doch: Ganz so einfach dürfte sich eine dauerhafte Übernahme von Trepca nicht erweisen. Der Standort des Minen-Komplexes ist ebenso geteilt wie Kosovska Mitrovica. So, wie der Fluß Ibar die Stadt in einen albanischen und serbischen Teil trennt, so teilt er auch die Trepca-Anlagen. Die Übernahme der Anlagen und Arbeitsplätze durch UNMIK und UCK im serbischen Teil wird nicht ohne Widerstand der serbischen Bevölkerung und Belegschaft vor sich gehen, wie die steinigen Reaktionen am Montag gezeigt haben.

Kouchner steht allerdings bei Hashim Thaci im Wort. Nachdem der UCK-Führer wiederholt die Unterstellung des gesamten Trepca-Komplexes unter UNMIK-Kommando (sprich: UCK-Hoheit) als Bedingung für die weitere politische Zusammenarbeit seiner Organisation mit der UNO und der NATO gemacht hatte, scheint Kouchner nun nicht länger warten zu wollen. Allerdings ist er zu feige, seine Ziele offen zu benennen. Statt dessen rechtfertigte der UNMIK-Chef die Aktion vom Montag morgen mit fadenscheinigen Argumenten. Demnach würden die von den Serben betriebenen Anlagen zuviel Blei ausstoßen. Die Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung sei daher nicht mehr länger tolerabel. - Im Kosovo, wo Tausende nach wie vor nicht geräumter NATO- Kassettenbomben die weitaus größte Umweltgefahr darstellen, mutet dies geradezu lächerlich an.

Rainer Rupp


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