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Horror vor Lampedusa

Wieder sterben 29 Menschen auf der Flucht vor Krieg und Elend. Italienische Politiker machen EU mitverantwortlich *

Für 29 Menschen kam jede Rettung zu spät: Bei ihrer Flucht aus Afrika nach Europa über das Mittelmeer sind sie in der Nacht zum Montag bei Sturm und eisigen Temperaturen erfroren. Dutzende weitere Menschen, von denen mehrere schwer unterkühlt waren, wurden von der italienischen Küstenwache zu der Insel Lampedusa gebracht, wie ein Arzt sagte. »Es gibt viele Tote, sicher mehr als 20«, sagte der Mediziner. Insgesamt wurden bei der Rettungsaktion 105 Flüchtlinge aus einem Fischerboot geholt. Sieben waren nach Angaben eines Sprechers der Küstenwache bereits tot, die anderen 22 starben nach Angaben von Medizinern später an den Folgen ihrer schweren Unterkühlung nach der Rettung von hoher See.

Die Küstenwache war Medienberichten zufolge von Bootsflüchtlingen via Satellitentelefon alarmiert worden. Daraufhin wurden zwei Handelsschiffe in dem Seegebiet zu dem Flüchtlingsboot dirigiert. Die Küstenwache schickte zwei eigene Schiffe, die die Flüchtlinge am Sonntag abend an Bord nahmen und am Montagnachmittag mit ihnen auf Lampedusa eintrafen. Sturm und bis zu acht Meter hohe Wellen erschwerten die Rettungsarbeiten, wie die Küstenwache mitteilte.

»Horror von Lampedusa«, schrieb die italienische Politikerin Laura Boldrini im Kurznachrichtendienst Twitter. »Diese Menschen starben nicht in einem Schiffswrack, sondern an Kälte. Das sind die Folgen des Endes von Mare Nostrum.« Die italienische Marine hatte ihre Rettungsmission im Oktober eingestellt, nachdem sich die EU geweigert hatte, die Kosten dafür zu übernehmen. Die Mission wurde durch den europäischen Einsatz »Triton« abgelöst, der jedoch deutlich kleiner ist und sich mehr auf die Abschottung der EU-Grenzen als auf die Rettung der Menschen konzentriert. Giusi Nicolini, die Bürgermeisterin von Lampedusa, bezeichnete dies gegenüber der ARD als Skandal. »Triton ist keine humanitäre Mission. Das ist Frontex, es geht um den Grenzschutz. Und man sieht ja: diese Rettungsaktion hat nicht Frontex gemacht oder Triton. Der Anruf kam direkt von den Migranten, ein verzweifelter Hilferuf an unsere Küstenwache.«

Nach Angaben des italienischen Innenministeriums kamen allein im Januar mehr als 3.500 Flüchtlinge nach Italien. Selbst Winterstürme halten die verzweifelten Menschen nicht von den gefährlichen Überfahrten meist von Libyen aus ab.

* Aus: junge Welt (online), Dienstag, 10. Februar 2015


Auf der Flucht erfroren

Katastrophale Folgen des Endes der Rettungsmission »Mare Nostrum« **

Für 29 afrikanische Flüchtlinge kam jede Rettung zu spät: Bei ihrer Flucht nach Europa über das Mittelmeer sind sie in der Nacht zum Montag bei Sturm und eisigen Temperaturen erfroren (jW berichtete). Dutzende weitere Menschen, von denen mehrere schwer unterkühlt waren, wurden von der italienischen Küstenwache zu der Insel Lampedusa gebracht, wie ein Arzt erklärte. »Es gibt viele Tote«, sagte der Mediziner. Insgesamt wurden bei der Rettungsaktion 105 Flüchtlinge aus einem Fischerboot geholt. Sieben waren nach Angaben eines Sprechers der Küstenwache bereits tot, die anderen 22 starben nach Angaben von Medizinern später an den Folgen ihrer schweren Unterkühlung nach der Rettung von hoher See.

Die Küstenwache war Medienberichten zufolge von Bootsflüchtlingen via Satellitentelefon alarmiert worden. Daraufhin wurden zwei Handelsschiffe in dem Seegebiet zu dem Flüchtlingsboot dirigiert. Die Küstenwache schickte zwei eigene Schiffe, die die Flüchtlinge am Sonntag abend an Bord nahmen und am Montag nachmittag auf Lampedusa eintrafen. Sturm und bis zu acht Meter hohe Wellen erschwerten die Rettungsarbeiten, wie die Küstenwache mitteilte. »Horror von Lampedusa«, schrieb die italienische Politikerin Laura Boldrini im Kurznachrichtendienst Twitter. »Diese Menschen starben nicht in einem Schiffswrack, sondern an Kälte. Das sind die Folgen des Endes von Mare Nostrum.«

Die italienische Marine hatte ihre Rettungsmission »Mare Nostrum«, die im vergangenen Jahr die Rettung Tausender Migranten erlaubte, im Oktober eingestellt. Sie wurde abgelöst durch den europäischen Einsatz »Triton«, der jedoch deutlich kleiner ist, und dessen Schwerpunkt eher auf der Sicherung der EU-Außengrenzen als auf der Rettung der Flüchtlinge liegt. Kritiker hatten der Mission« »Mare Nostrum« vorgeworfen, ihre Existenz würde Menschen zu der gefährlichen Überfahrt ermutigen. Die jüngsten Zahlen deuten jedoch darauf hin, dass die Zahl der Flüchtlinge auch nach ihrem Ende nicht zurückgeht. Nach Angaben des italienischen Innenministeriums kamen allein im Januar mehr als 3.500 Migranten nach Italien. Marokko zerschlug im vergangenen Jahr »mehr als 100 Menschenhändlernetzwerke«, die zwischen Afrika und Europa agierten, wie ein ranghoher Vertreter des Innenministeriums in Rabat der Nachrichtenagentur AFP sagte.

** Aus: junge Welt, Mittwoch, 11. Februar 2015


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