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In EU "läuft etwas dramatisch falsch"

Menschenrechtskommissar des Europarates kritisiert Flüchtlingspolitik der Union *

Angesichts der jüngsten Flüchtlingstragödien im Mittelmeer erhebt der Menschenrechtskommissar des Europarates schwere Vorwürfe gegen die EU-Regierungen.

Repressive Grenzschutzmaßnahmen Europas hätten die Überfahrt von Afrika deutlich gefährlicher gemacht, schreibt Kommissar Thomas Hammarberg in einem am Mittwoch veröffentlichten Kommentar. »Wenn die Abwehr Vorrang hat vor der Rettung von Menschen, läuft etwas dramatisch falsch.« Erst in der vergangenen Woche waren mindestens 150 Menschen ertrunken, als ein aus Libyen kommendes Schiff vor Tunesien gekentert war. Im Mai waren bei einem ähnlichen Unglück rund 600 Menschen gestorben. Damit kamen in diesem Jahr nach Angaben des Europarates wahrscheinlich schon über 1400 Bootsflüchtlinge ums Leben. Italien und andere Länder hätten zwar viele Migranten gerettet, so Hammarberg. Die EU-Regierungen müssten jedoch noch viel aktiver werden, wenn es um Hilfe für Menschen in Seenot gehe. Er unterstrich, dass das militärische Eingreifen des Auslands in Libyen die Flüchtlingskrise noch verschärft habe.

Hammarberg kritisierte auch, dass Europa in der Vergangenheit mit dem libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi zusammengearbeitet habe, um Asylsuchende von der Überfahrt nach Europa abzuhalten. »Ein Großteil der jetzt ertrunkenen Menschen kam ursprünglich aus Eritrea, Somalia, Sudan und anderen Ländern südlich der Sahara«, erläuterte er. Somit habe es sich in vielen Fällen um politisch verfolgte Menschen gehandelt, die tatsächlich ein Recht auf internationalen Schutz gehabt hätten.

Derweil hat die Flüchtlingshilfsorganisation »Pro Asyl« zu einer Kampagne zur Aufnahme von rund 11 000 Flüchtlingen aus Libyen in Europa aufgerufen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk fordere seit Wochen die Aufnahme dieser Menschen, von denen rund 6000 in Lagern im tunesisch-libyschen Grenzgebiet verharrten, teilte »Pro Asyl« in Frankfurt am Main mit. Die Flüchtlinge sähen als Ausweg nur die lebensgefährliche Fahrt über das Mittelmeer. Die Bundesregierung habe sich bisher allein zur Aufnahme von 150 Flüchtlingen aus Malta durchringen können, kritisierte die Organisation.

Ex-Bundespräsident Horst Köhler sagte der Wochenzeitung »Die Zeit« mit Blick auf die Flüchtlingspolitik, Europa versage vor den eigenen Werten und sei »in der Gefahr, sich selbst zu verraten«.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Juni 2011


Ausverkauf der Flüchtlingsrechte stoppen!

PRO ASYL wirbt für Protestpostkarte

Gegen die unmenschliche Abschottungspolitik an Europas Grenzen

Unterstützen Sie unseren Appell an den Präsidenten des Europäischen Rates, Herman von Rompuy!

Mai 2011: Vor der libyschen Küste sinkt ein Flüchtlingsschiff. 600 Menschen ertrinken. Der junge Somali Abdelrachman überlebt. Jetzt sitzt er in der Wüste im Flüchtlingslager "Choucha" an der tunesisch-libyschen Grenze fest – ohne Lebensperspektive. Er ist einer von 11.000 Flüchtlingen, für die der UNHCR händeringend ein Aufnahmeland sucht. Meist vergeblich: Deutschland und andere EU-Staaten haben bis heute nicht reagiert. Statt den Flüchtlingen zu helfen, schottet sich Europa ab.

Obwohl alle Möglichkeiten bestehen, Bootsflüchtlinge zu retten, werden die Menschen auf dem Meer gnadenlos ihrem Schicksal überlassen. Über 1.600 Schutzsuchende sind seit Anfang des Jahres im Mittelmeer gestorben – am 1. Juni kamen über 150 Bootsflüchtlinge ums Leben. Abdelrachman will trotzdem wieder in eines der maroden Schiffe nach Europa steigen. "Nach Somalia zurück kann ich nicht. Hierbleiben auch nicht. Lieber sterbe ich."

Wir bitten Sie: Protestieren Sie mit uns gegen die unmenschliche Abschottungspolitik.

Fordern Sie den EU-Ratspräsidenten Herman van Rompuy auf, sich beim Treffen des europäischen Rates am 24. Juni für die Aufnahme der im tunesisch-libyschen Grenzgebiet festsitzenden Flüchtlingen einzusetzen und sich der Abschottungspolitik der Europäischen Union entschieden entgegenzustellen.

Unterstützen Sie unseren Appell an den Präsidenten des Europäischen Rates, Herman von Rompuy!


Sehr geehrter Präsident van Rompuy,

Anlässlich des Treffen des Europäischen Rates am 24. Juni 2011 protestiere ich gegen die Politik der EU und ihrer Mitgliedstaaten in Bezug auf die dramatische Situation von Flüchtlingen. Ich fordere:
  • Kein Wegschauen angesichts der humanitären Notlage. Bootsflüchtlinge müssen gesucht und gerettet werden. Keine Zurückweisungen auf See.
  • Die großzügige, schnelle und menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen in der EU. Insbesondere die über 11.000 von UNHCR in Libyen registrierten Flüchtlinge müssen gerettet und im Rahmen eines europäischen Resettlement-Programmes aufgenommen werden.
  • Schluss mit der Abwehr von Flüchtlingen durch FRONTEX. Schluss mit einer Politik, die schon in der früheren Zusammenarbeit mit Diktatoren wie Gaddafi zu brutaler Gewalt, unvorstellbarem Flüchtlingselend und unzähligen Opfern geführt hat. Europa muss ein »sicherer Hafen« für Flüchtlinge sein.
Mit besten Grüßen,

** Quelle: www.proasyl.de

Online unterzeichnen hier:www.proasyl.de [externer Link]





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