Menschliches Strandgut
An Mauretaniens Küste strandet Schwarzafrikas Jugend auf dem Weg nach Europa
Von Caroline M. Buck *
In der mauretanischen Hafenstadt Nouadhibou spülen die Wracks der Boote
an, mit denen sie sich voller Hoffnung auf den Weg machten. Und ihre
Leichen. Für ihren Dokumentarfilm »Hotel Sahara« sprach Bettina Haasen
mit denen, die noch auf die Überfahrt warten.
Sie kommen aus Mali, aus Liberia, aus Nigeria oder Guinea. Zu Hause gab
es keine Arbeit, keine Zukunft. Ihre Hoffnung ist Europa, und das, so
machte man manchen weiß, liege gar nicht weit weg, nur eben jenseits des
schmalen Flusses. Manche haben schon Unsummen bezahlt, um überhaupt nur
bis ins nordwestafrikanische Mauretanien zu kommen. Manche haben erst
unterwegs gemerkt, dass mehr als nur ein Flusslauf sie von dem Kontinent
trennt, in dem man an einem Tag mehr verdienen kann als zuhause in einem
Monat. Ihre Familien bauen auf sie, haben oft Hab und Gut verkauft, um
sie auf den Weg zu schicken. Zurückkehren können sie nicht, zu groß wäre
der Gesichtsverlust. Also bleiben sie, arbeiten in schlecht bezahlten
Jobs, um die Schlepper zu bezahlen, die die Plätze in den ausgemusterten
Fischerbooten vermitteln, die nach Norden fahren, und hoffen.
Im internationalen Flughafen von Nouadhibou herrscht gähnende Leere, nur
ein paar Soldaten stehen herum und bewachen das Gebäude. Und an einem
Ende des Flugfelds ist Bewegung: dort wartet die spanische Grenzpolizei
Guardia Civil ihren Helikopter. Die Mannschaften wechseln -- 15 Mann
waren es Anfang 2008, allesamt Spanier --, der Helikopter aber ist
ständig in Nouadhibou stationiert, ebenso wie ein Aufklärungsflugzeug
und eine Reihe von Patrouillenbooten. Die stellt die spanische Regierung
der Regierung Mauretaniens, damit sie mithelfen kann, Europas Küsten
freizuhalten von Einwanderern aus den Staaten südlich der Sahara. Aus
rein humanitären Gründen, versteht sich, schließlich kommen jedes Jahr
Tausende um beim Versuch, die 800 Kilometer offene See bis zu den
Kanarischen Inseln bei gefährlich gegenläufiger Strömung und in viel zu
vollen Booten zurückzulegen.
Seit 2003 gibt es ein entsprechendes Abkommen zwischen den beiden
Staaten, das auch die Rückführung aufgegriffener Bootsinsassen nach
Mauretanien vorsieht -- selbst wenn diese nicht aus Mauretanien stammen.
Der Verdacht reicht aus, dass sie aus Nouadhibou abgereist sein könnten
oder aus der südlicher gelegenen Hauptstadt Nouakchott, und dorthin
werden sie zurückgebracht. Dann ist es Sache der mauretanischen
Regierung, die Angehörigen von Drittstaaten weiterzuverteilen. Weil die
Mittel fehlen, jeden in sein Heimatland zuurückzuführen, folgt erst die
Internierung -- unter Bedingungen, die Amnesty und diverse
UNO-Organisationen bereits zu Protesten veranlasst hat -- und dann die
zwangsweise Deportation nach Mali oder in den Senegal. Dort lässt man
sie stehen, eben jenseits der Grenze, 50 Euro Taschengeld aus EU-Mitteln
in der Tasche, ohne Lebensmittel oder Transportmöglichkeiten.
Seit im Jahr 2006 eine Rekordanzahl von 31 678 Afrikaflüchtlingen auf
den Kanaren landete, hat sich die Zusammenarbeit zwischen Spanien und
Mauretanien intensiviert. Weil die Stacheldrahtzäune um die spanischen
Exklaven Ceuta und Melilla an der marrokanischen Küste inzwischen so
hoch sind, dass sie jeden Weg in die EU versperren, haben sich die
Flüchtlingsströme von Marokko Richtung Süden verlagert. Erst nach
Naoudhibou. Und seit dort die Frontex, die europäische Agentur für die
operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen, die unionseuropäische
Grenzsicherung nach Afrika trägt und die meisten Boote aufgreift, von
Nouadhibou noch weiter in den Süden, in den Senegal zum Beispiel, wo die
Frontex mittlerweile auch einen Stützpunkt unterhält. In Mauretanien hat
der Druck von EU-Seite inzwischen dazu geführt, dass jeder in Gefahr
ist, aufgegriffen und deportiert zu werden, der von schwarzer Hautfarbe
ist und deshalb doch bestimmt auf dem Weg nach Europa.
»Hotel Sahara« läuft seit dem 6. August im Kino.
* Aus: Neues Deutschland, 11. August 2009
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