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Schuften am Golf

"Besonders leidensfähig": Indien und Nepal wollen ihren Landsleuten in den arabischen Ölstaaten mit neuen bilateralen Abkommen helfen

Von Thomas Berger, Kathmandu *

Die Regierungen mehrerer südasiatischer Staaten wollen die Bedingungen für ihre Landsleute verbessern, die als Gastarbeiter in der arabisch-persischen Golfregion tätig sind. Mehrere Millionen Inder, Nepalis, Pakistanis, Bangladeschis und Einwohner Sri Lankas arbeiten teilweise schon seit Jahrzehnten in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien, Kuwait, Katar oder Oman vornehmlich im Baubereich oder auch als Haushaltshilfen. Viele dieser Beschäftigten beklagen sich auch bei ihren Botschaften über unregelmäßige Lohnzahlungen, nicht eingehaltene Vereinbarungen oder sogar regelrechte Mißhandlungen durch ihre Auftraggeber. Den Problemen soll jetzt mit neuen bilateralen Abkommen begegnet werden. Während Indien sich als Vorreiter betätigte, zieht nun auch der nördliche Nachbar Nepal nach. Ein Sprecher des Außenministeriums in Kathmandu kündigte Ende vergangener Woche vor der Presse an, daß ein neues Abkommen mit Katar gerade in Vorbereitung sei. Da die verschiedenen Punkte noch Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Regierungsvertretern beider Seiten seien, könne zu Einzelheiten allerdings derzeit noch keine Aussage getroffen werden. Klar ist aber bereits, daß der Schutz der Gastarbeiter vor plötzlichen Entlassungen durch die Firmen und gegebenenfalls anschließende Ausweisung durch die staatlichen Behörden gestärkt werden soll. Derzeit ist dies einer der wichtigsten Klagepunkte der 150000 Nepalis, die allein in diesem Golfstaat beschäftigt sind. Bisweilen sind gerade Bauprojekte noch nicht vertraglich abgesichert, während bereits die Unternehmen billige Arbeitskräfte in Südasien anwerben.

»Gäste« ohne Rechte

Eine ähnlich hohe Zahl von 160000 Indern ist für das Scheichtum Katar in der Statistik vermerkt. Allein 30000 junge Frauen arbeiten als Haushaltshilfen und werden von den Familien, für die sie arbeiten, oft genug ausgebeutet. Ein neues Abkommen zwischen den Regierungen in den Hauptstädten Doha und Neu-Delhi, das demnächst unterzeichnet werden soll, wird dies zwar nicht verhindern können, wohl aber die Rechtssituation der Betroffenen stärken. Vayalar Ravi, zuständiger indischer Minister für die Belange von Auslandsindern, war Mitte des Monats zum zweiten Mal seit April 2006 in Doha. Offene Fragen mit seinen Gastgebern scheinen nach den drei Tagen weitgehend ausgeräumt. Einigkeit bestehe darin, jene Vermittler zur Verantwortung zu ziehen, die falsche Versprechungen machen und indische Gastarbeit betrügen, verlautete aus Regierungskreisen. Zugleich soll die Kontrolle über die Auftraggeber verstärkt werden. Mehrere Baufirmen – neben 14 einheimischen auch eine aus Saudi-Arabien – sind bereits auf einer schwarzen Liste erfaßt, bei weiteren Unternehmen läuft noch die Überprüfung.

Zu Hause chancenlos

Gerade aus dem Heimatstaat von Minister Ravi, dem südindischen Kerala, stammt die größte Zahl der am Golf arbeitenden Landsleute. Allein in Katar liegt ihre Quote bei fast 80 Prozent. In zahlreichen Dörfern an der keralischen Küste gibt es keine Männer jüngeren Alters mehr. Nur in größeren Zeitabständen können die Arbeitsmigranten ihre Heimat besuchen. Zurück bleiben Frauen, Kinder und Alte. Zugleich jedoch sichern die regelmäßigen Überweisungen der im Ausland arbeitenden Ehemänner, Väter und Brüder einen gewissen Wohlstand. Verglichen mit einheimischen Arbeitskräften am Golf, werden den Gastarbeitern zwar nur Hungerlöhne gezahlt, die aber meist ein Mehrfaches dessen ausmachen, was ein Inder zu Hause mit Gelegenheitsjobs verdienen könnte.

Während sich der Vertragsabschluß zwischen Indien und Katar nähert, um das von den Realitäten überholte Vorgängerabkommen aus dem Jahr 1985 abzulösen, sind ähnliche Vereinbarungen mit Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten bereits getroffen worden. Zudem will Indiens Regierung daheim ihre Hausaufgaben machen und das 24 Jahre alte Auswanderungsgesetz den modernen Erfordernissen anpassen. In zehn Jahren, so die Schätzung, werden Inder die Chinesen als größte Volksgruppe, die in anderen Ländern zum nationalen Aufbau beiträgt, abgelöst haben. Doch auch die Golfstaaten drängen darauf, die Einwanderung schon am Startpunkt in geregelte Bahnen zu lenken. Im Gegenzug könnten sie mittelfristig beim Wahlrecht mit sich handeln lassen – derzeit wird auch Gastarbeitern aus Südasien, die schon seit zehn oder 15 Jahren im Land sind und dort ihren Lebensmittelpunkt haben, dieses grundlegende Recht verwehrt.

Die Bau- und Bauhilfsarbeiter haben aber auch ganz andere Sorgen. Die Unterkünfte, in die sie ihre »Arbeitgeber« am Golf stecken, sind oft nicht als menschenwürdig zu bezeichnen. Zu fünft oder gleich im Dutzend müssen sie sich winzige Räume teilen, weil die Firmen Kosten sparen wollen. Katars Nationale Menschenrechtskommission hat etliche Fälle dokumentiert, stellt aber auch fest, daß die Inder von allen am »leidensfähigsten« sind. Gastarbeiter aus Nepal, Pakistan oder Bangladesch würden sich häufiger bei Botschaften, lokalen Behörden oder sozialen Organisationen beschweren als ihre Nachbarn aus dem größten Land des Subkontinents, solche aus anderen arabischen Ländern erst recht.

* Aus: junge Welt, 3. Mai 2007


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