Langer Weg zur Gleichberechtigung
Flüchtlingsinitiativen gegen Sondergesetze
Von Peter Nowak *
Im Kampf gegen die Residenzpflicht und das Asylbewerberleistungsgesetz können Aktivisten und Betroffene erste Erfolge verbuchen, müssen aber auch Rückschläge hinnehmen.
Heute (22. März) wollen Antirassismusgruppen mit Aktionen in mehr als 25 Städten die Aufhebung diskriminierender Gesetze gegen Flüchtlinge einfordern. Im Mittelpunkt steht die Abschaffung des 1993 beschlossenen Asylbewerberleistungsgesetzes. Es ist nach Ansicht der Aktivisten verantwortlich für diskriminierende Lebensbedingungen, denen Flüchtlinge in Deutschland unterworfen sind. Denn in dem Gesetz ist festgelegt, dass sie 35 Prozent weniger bekommen als deutsche Hartz IV-Bezieher. Sie sind zudem auch der Willkür der Behörden ausgeliefert, die statt Bargeld Sachleistungen und Essenspakete verteilen, moniert das Bündnis »Diskriminierende Gesetze gegen Flüchtlinge abschaffen«, das den Aktionstag vorbereitet hat.
Doch das Gesetz könnte bald Makulatur sein. Dafür hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen gesorgt, als es das Asylbewerberleistungsgesetz für verfassungswidrig erklärte und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Prüfung vorlegte. Die Richter beriefen sich zur Begründung auf das Urteil des (BVerfG) vom 9. Februar 2010 zu den Hartz-IV-Regelleistungen. Dort hatte es ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums formuliert. Das gilt auch für Asylsuchende, Geduldete und Menschen mit einem humanitären Aufenthaltsstatus. Deswegen gehen Rechtsexperten davon aus, dass das (BVerfG) eine Neufestlegung der Regelsätze bei Flüchtlingen anordnen wird.
Das wäre nicht der einzige Erfolg, den es in der jüngeren Vergangenheit im Kampf um mehr Rechte für Flüchtlinge gegeben hat. Auch die Residenzpflicht, die Flüchtlinge verpflichtet, sich in den vom Ausländeramt zugewiesenen Landkreisen aufzuhalten und bei jedem Verlassen eine Genehmigung zu beantragen, wurde in mehreren Bundesländern mit unterschiedlicher politischer Couleur gelockert. Am 15. März beschloss das von einer großen Koalition regierte Sachsen-Anhalt, dass sich Flüchtlinge künftig im gesamten Bundesland frei bewegen können. Der damals zuständige SPD-Innenminister Holger Hövelmann bezeichnete die Maßnahme als »eine Erleichterung für die Betroffenen, aber auch eine Verwaltungsvereinfachung und Entlastung für viele Behörden und die Polizei«. Allerdings endet die Bewegungsfreiheit an den Grenzen des Bundeslands und die Flüchtlinge müssen auch weiterhin in den ihnen von den Behörden zugewiesenen Orten wohnen.
Ein im Dezember 2010 vom Bundesland Bremen eingebrachter Antrag für eine bundesweite Abschaffung der Residenzpflicht hatte im Bundesrat keine Mehrheit gefunden. Im schwarz-gelb regierten Bayern wurde im März 2010 die Residenzpflicht für Flüchtlinge im Asylverfahren gelockert. Menschen mit Duldungsstatus sind davon ausgenommen. Eine ähnliche Regelung gilt auch in Hessen. Dort war im Januar ein Antrag der Grünen, den Flüchtlingen im gesamten Bundesland Bewegungsfreiheit zu gewähren, mit der Mehrheit von CDU und FDP abgelehnt worden.
In Berlin und Brandenburg können Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge seit Juli 2010 Dauererlaubnisse für den Aufenthalt in einen der beiden Bundesländer bekommen. Die Flüchtlingsräte kritisieren allerdings, dass ein Teil der Betroffenen weiterhin von diesen Regelungen, die zudem an strenge Auflagen gebunden sind, ausgeschlossen bleibt. Eine zentrale Forderung ist die Schließung des Flüchtlingsheims Hohenleipisch im Landkreis Elbe-Elster. »Wir sind in heruntergekommenen Armeebaracken untergebracht, mitten im Wald, umgeben von Wildschweinen«, erklärten Bewohner einer Besuchergruppe. Am kommenden Dienstag ist abermals eine Besichtigung mit Journalisten geplant.
* Aus: Neues Deutschland, 22. März 2011
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