Bush dankt fürs Foltern
Schlafentzug, Schläge, sexuelle Gewalt: USA fürchten Reaktionen der Welt auf Bekanntwerden von "Verhörpraktiken" der CIA. Expräsident lobt Geheimdienstmitarbeiter
Von Knut Mellenthin *
Der US-Senat hat am Dienstag zum ersten Mal öffentlich einen Bericht über die Misshandlung und Bedrohung von Gefangenen durch die CIA im Zuge des »Krieges gegen den Terror« vorgelegt. Die Aufregung in den Vortagen war groß und steigerte sich bis zur Hysterie (jW berichtete). Republikanische Politiker verteufelten das Vorhaben als »grob fahrlässig«, »unverantwortlich« und »gewissenlos«. Die Senatoren Marco Rubio und Jim Risch behaupteten gar, ohne konkrete Beispiele zu nennen, dass der Bericht »nicht seriös und konstruktiv« sei. Die Regierung von Präsident Barack Obama hat alle diplomatischen Vertretungen und Militärstationen der USA im Ausland aufgefordert, ihre Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken, da mit »erhöhten Risiken« aufgrund der Publikation zu rechnen sei.
Dabei handelt es sich schon um eine stark zusammengestrichene, mehrfach durchzensierte Kurzfassung des Originalberichts, der im Auftrag des Geheimdienstausschusses des Senats erstellt worden war. So schmolzen 6.200 Seiten zu nur noch 480 zusammen. Was übrig blieb, ist weitgehend schon bekannt, gilt in dieser konzentrierten Form aber dennoch als hochbrisant. Es geht um »Techniken« des Folterns wie systematischer Schlafentzug, Schläge, Überdehnen von Körperteilen, Einsperren auf kleinstem Raum, simuliertes mehrmaliges Ertränken - das sogenannte Waterboarding - und viele Formen von seelischer und körperlicher Grausamkeit. Die neokonservativen Fox News, die zu den Gegnern einer Veröffentlichung gehören, meldeten am Montag, dass der Report sogar in der Kurzfassung »drastische Schilderungen« der Androhung sexueller Foltern, unter anderem mit Besenstielen und Elektrobohrern, enthalte.
Die Hauptverantwortlichen für diese Verbrechen, Expräsident George W. Bush und sein Vize Richard Cheney, haben die Anwendung der Folter öffentlich stets verteidigt. Bush betonte am Sonntag in einem Interview mit dem Sender CNN, er kenne viele von den beteiligten CIA-Leuten persönlich. Diese seien »gute Patrioten«, und falls der Bericht »ihre Beiträge für unser Land herabwürdigt« - Bush bekannte, den Report nicht zu kennen -, »dann läge er völlig daneben«. Cheney sagte der New York Times, die angewandten Methoden seien »absolut, total berechtigt« gewesen. Die Beteiligten hätten es verdient, ausgezeichnet statt kritisiert zu werden. Durch ihre Tätigkeit habe »ein zweiter 11. September« verhindert werden können.
Das ist allerdings zweifelhaft. Den meisten Medien zufolge kommt der Bericht zu dem Ergebnis, dass durch die Folterpraktiken keine wesentlichen Erfolge erreicht worden seien. Dem widerspricht der Sender Fox News. Er erwähnt in seinen Meldungen namentlich nicht bezeichnete CIA-Beamte, die an dem »Programm« beteiligt waren und angeblich behaupten, dass im Report die gewonnenen Erkenntnisse heruntergespielt würden. Außerdem seien, Aussagen eines gleichfalls anonym bleibenden CIA-Mannes zufolge, die Führer von Senat und Abgeordnetenhaus seinerzeit »mehr als drei Dutzend mal« über die angewandten Methoden informiert worden.
US-Präsident Obama hatte am Tag seines Amtsantritts, dem 22. Januar 2009, die Abschaffung der Folter und die Auflösung der geheimen CIA-Gefängnisse im Ausland angeordnet. Dagegen hat er sein Wahlversprechen, Transparenz über die dort angewendeten Methoden zu schaffen, bisher nicht eingelöst.
* Aus: junge Welt, Mittwoch, 10. Dezember 2014
Geduldiges Papier
30 Jahre UN-Antifolterkonvention
Von Ulla Jelpke **
Der US-Senat legt einen Bericht über die Folterpraktiken der US-Behörden vor, und Expräsident George W. Bush, Folterer vom Dienst, proklamiert: »Wir können uns glücklich schätzen, Männer und Frauen zu haben, die bei der CIA hart arbeiten.« Bushs ehemaliger Stellvertreter Richard »Dick« Cheney verteidigt das Folterprogramm als »vollkommen gerechtfertigt«, weil es »weitere Massenangriffe« auf die USA verhindert habe. Ja, klar. Und früher konnten mit Daumenschrauben, Streckbänken und ähnlichen Instrumenten Hexen und Zauberer überführt werden. Die Schlaueren unter den Inquisitoren erkannten damals alsbald, dass diese »Ermittlungspraxis«, gelinde gesagt, fehleranfällig war.
Dem Vernehmen nach kommt der US-Senat jetzt zu einem ähnlichen Schluss: Die Verhörpraktiken der CIA waren weitgehend wirkungslos. Genauer gesagt dürften sie eher noch Öl ins Feuer ihrer Gegner gegossen haben. Dschihadistischen Terrorbanden zu empfehlen, es doch lieber auf die demokratische Art zu versuchen, bleibt solange absurd, wie die »freie Welt« selbst zu Methoden greift, die ihren Ursprung in mittelalterlichen Folterkellern haben.
Obama hat eingeräumt, »unmittelbar« nach dem Angriff auf das World Trade Center hätten die USA »einige Dinge gemacht, die falsch waren«. Dabei gehört Folter seit den 1960er Jahren zum Ausbildungsprogramm etwa der US-Army, wie im sogenannten Kubarck-Handbuch dargelegt. Und Guantánamo ist noch immer nicht geschlossen.
In Deutschland wird nicht gefoltert, oder besser: nicht systematisch. Aber die Bundesregierung tut wenig, um der Antifolterkonvention Nachdruck zu verleihen. Als die Existenz der CIA-Geheimgefängnisse in Europa bekannt wurde, hat sie mit Eifer jegliche Aufklärung sabotiert. Hemmungslos entsandte sie ihre Beamten in die Folterzellen Syriens, der USA, Ägyptens, um von den dortigen »Ermittlungsergebnissen« zu profitieren. Sie kooperiert auf der ganzen Bandbreite polizeilicher und militärischer Programme, von Ausbildung bis zu Aufrüstung, mit Regimen, die nachweislich foltern. In diesen Tagen bereitet sie ein »Sicherheitsabkommen« mit Mexiko vor, während die Welt entsetzt ist von der mörderischen Polizeigewalt dort. Und wer den Folterknechten, gleich welcher Couleur, zu entkommen trachtet, wird hierzulande gern als »Asylbetrüger« denunziert.
Vor über 30 Jahren trat die UN-Antifolterkonvention in Kraft. Ein gutes Papier, aber leider kaum mehr. Amnesty International zufolge wird heute noch in 141 Ländern der Erde gefoltert. Sei es, um Geständnisse von vermeintlich Schuldigen zu erzwingen, um Informationen aus vermeintlichen Zeugen herauszuprügeln, oder auch »nur« als Mittel der Disziplinierung und Einschüchterung missliebiger Bevölkerungskreise. Quälen und Misshandeln hat Konjunktur wie eh und je.
Ulla Jelpke ist innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.
** Aus: junge Welt, Mittwoch, 10. Dezember 2014 (Gastkommentar)
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