Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Henkerstaaten verurteilt

Amnesty-Report: China, Iran, Irak, USA und Saudi-Arabien mit den meisten Hinrichtungen *

Indiens Präsident hat die Gnadengesuche von mindestens sieben zum Tode Verurteilten abgelehnt. Ihnen droht nun unmittelbar die Hinrichtung. Um das Leben dieser wie vieler anderer Menschen kämpft die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) mit einer Kampagne, an der sich jeder per E-Mail, Fax oder Luftpostbrief beteiligen kann (www.amnesty.de). In den meisten Staaten gibt es inzwischen zwar keine Todesstrafe mehr. Doch sollen laut jüngstem AI-Report 2012 allein in China Tausende Menschen exekutiert worden sein; genauere Zahlen seien angesichts der Geheimhaltungspolitik Pekings nicht möglich.

Für den Rest der Welt hat Amnesty mindestens 682 Hinrichtungen in 20 Ländern erfasst, zwei mehr als im Jahr zuvor. Auf Platz zwei der »Henkerstaaten-Statistik« lag demnach wieder Iran, wo mindestens 314 Menschen gehenkt wurden. Es folgen Irak (129 Exekutionen), Saudi-Arabien (79), die USA (43) und Jemen (28). Mit Sorge sehen die Menschenrechtsaktivisten, dass nach längerer Pause auch in Demokratien wie Japan und Indien wieder Todesurteile vollstreckt worden sind. Trotzdem glaubt Amnesty International weiterhin an einen allgemeinen Trend weg von der Todesstrafe: Über zwei Drittel der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen hätten sie per Gesetz abgeschafft oder verzichteten darauf.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 10. April 2013


Vorsätzliche Tötung

Von Olaf Standke **

In Kuwait wurde vor einigen Tagen erstmals seit 2007 wieder die Todesstrafe vollstreckt. Drei wegen Mordes verurteilte Männer seien auf dem öffentlichen Parkplatz vor dem Zentralgefängnis des Golfstaates gehenkt worden. Es sind Meldungen wie diese, die bei Amnesty International die Alarmglocken schrillen lassen. Denn dem jetzt vorgelegten jährlichen Report der Menschenrechtsorganisation lässt sich entnehmen, dass schon im Vorjahr in fünf Ländern nach einer längeren Pause wieder Menschen exekutiert worden sind - darunter Indien und Japan.

All das sind Rückschläge im Kampf für eine weltweite Abschaffung der Todesstrafe, auch wenn die Gesamtzahl der Hingerichteten 2012 im Vergleich zum Vorjahr nicht gestiegen und die Zahl der zum Tode Verurteilten sogar gesunken ist. Amnesty hat in 20 Ländern 682 Exekutionen erfasst, geht nach Berichten aus China aber davon aus, dass zudem im Reich der Mitte Jahr für Jahr Tausende Menschen hingerichtet werden. Die genaue Zahl hält Peking geheim. Erhängt, erschossen, enthauptet, vergiftet - auch staatlich sanktionierte Tötungen verstoßen fundamental gegen Menschenrechte, ob nun in China oder in den USA, die ebenfalls einen der Spitzenplätze auf der Liste der Henkerstaaten einnehmen. Die UN-Vollversammlung hat wiederholt dazu aufgerufen, zumindest ein Hinrichtungsmoratorium zu erlassen. Über zwei Drittel der 193 UN-Mitglieder haben die Todesstrafe inzwischen auch de facto abgeschafft. Das ist die Mut machende Nachricht im AI-Report.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 10. April 2013 (Kommentar)


Dokumentiert: Auszug aus dem amnesty-Bericht

Im VERGANGENEN JAHR WURDEN MINDESTENS 682 MENSCHEN IN 21 LÄNDERN HINGERICHTET. AUSSERDEM WURDEN MEHR ALS 1.700 NEUE TODESURTEILE AUSGESPROCHEN. INSGESAMT SITZEN WELTWEIT ANNÄHERND 23.500 MENSCHEN IN GEFÄNGNISSEN UND WARTEN AUF DIE VOLLSTRECKUNG IHRER TODESURTEILE.

Die von Amnesty International im Jahr 2012 dokumentierte Entwicklung zeigt, dass sich trotz einiger Rückschläge der globale Trend zur Ab- schaffung der Todesstrafe fortgesetzt hat. Amnesty International hat mindestens 682 Hin- richtungen in 21 Ländern registriert. Die Zahl lag damit auf dem gleichen Niveau wie 2011, als es 680 Exekutionen in ebenfalls 21 Staaten gab. In den aktuellen Zahlen nicht inbegriffen sind mehrere Tausend Exekutionen, die in China stattgefunden haben, wo mehr Menschen hinge- richtet werden als im Rest der Welt zusammen- genommen.

Drei Viertel aller bestätigten Hinrichtungen welt- weit wurden allein in drei Staaten durchgeführt: Iran, Irak und Saudi-Arabien.

Fünf Staaten – Botsuana, Gambia, Indien, Japan und Pakistan – nahmen 2012 Hinrichtungen wie- der auf.

Von mindestens 1.722 Personen in 58 Staaten wurde bekannt, dass sie 2012 zum Tode verur- teilt wurden (2011 mindestens 1.923 in 63 Län- dern).

Ende 2012 gab es weltweit mindestens 23.386 zum Tode verurteilte Personen. Dabei handelt es sich ebenfalls um die Mindestzahl, die sich aus der Addition der von Amnesty ermittelten Zahlen zu den einzelnen Ländern ergibt.

Auch 2012 gab es im internationalen Recht Fortschritte. Die Dominikanische Republik ratifi- zierte im Januar 2012 bei der Organisation Amerikanischer Staaten das Protokoll zur Ameri- kanischen Menschenrechtskonvention über die Abschaffung der Todesstrafe. Die Mongolei trat am 13. März 2012 dem Zweiten Fakultativ- protokoll zum Internationalen Pakt über bürger- liche und politische Rechte bei, das die Abschaf- amerikanischen Kontinents wurden nur zwölf neue Todesurteile verhängt.

ASIEN UND DIE PAZIFISCHE REGION

Rückschritte in Südasien, wie die Wieder- aufnahme von Hinrichtungen in einigen Län- dern, waren ein Kontrapunkt zum insgesamt zu beobachtenden Trend zur Abschaffung der To- desstrafe in dieser Region. In Vietnam wurden im letzten Jahr keine Todesurteile vollstreckt und Singapur hielt ein Hinrichtungsmoratorium ein, während sein Parlament über Änderungen der Todesstrafengesetze beriet.

EUROPA

Am 1. Januar 2012 trat in Lettland ein Gesetz zur Streichung der Todesstrafe für die letzten noch verbliebenen Straftatbestände in Kraft, wo- durch das Land zum 97. Staat der Erde wurde, der die Todesstrafe vollständig abgeschafft hat.

NAHER OSTEN UND NORDAFRIKA

Sieben der 21 Mitgliedsstaaten der Liga der arabischen Staaten vollstreckten 2012 Todes- urteile: Irak, Jemen, Palästinensische Gebiete, Saudi-Arabien, Somalia, Sudan und die Ver- einigten Arabischen Emirate. Berichten zufolge wurden auch in Syrien Exekutionen durchge- führt, doch aufgrund der andauernden Krise im Land konnten sie nicht überprüft werden. Auch aus Iran haben Amnesty International glaubwürdige Berichte über nicht bestätigte Hinrichtungen erreicht, die die Zahl der offiziell eingeräumten Exekutionen um fast drei Viertel übertreffen würde.

HINRICHTUNGEN 2012

China (+), Iran (> 314), Irak (> 129), Saudi- Arabien (> 79), USA (43), Jemen (> 28), Sudan (> 19), Afghanistan (14), Gambia (9), Japan (7), Nordkorea (> 6) Somalia (> 6), Palästinen- sische Gebiete (6), Taiwan (6), Südsudan (> 5), Belarus (> 3), Botsuana (2), Bangladesch (1), Indien (1), Pakistan (1), Vereinigte Arabische Emirate (1).

TODESURTEILE 2012

China (+), Pakistan (242), Sudan (> 199), Algerien (> 153), Thailand (> 106), Ägypten (> 91), Viet- nam (> 86), Irak (> 81), Iran (> 79), Indien (> 78), USA (77), Somalia (76), Malaysia (> 60), Nigeria (56), Bangladesch (> 45), Ghana (27), Kenia (> 21), Vereinigte Arabische Emirate (> 21), Myan- mar (> 17), Jordanien (> 16), Indonesien (> 12), Demokratische Republik Kongo (> 11), Simbab- we (> 11), Mali (> 10), Saudi-Arabien (> 10), Kuwait (> 9), Libanon (> 9), Tunesien (9), Marok- ko/Westsahara (> 7), Sri Lanka (> 7), Jemen (> 7), Sambia (> 7), Taiwan (7), Mauretanien (> 6), Palästinensische Gebiete (> 6), Gambia (> 5), Libyen (> 5), Trinidad und Tobago (> 5), Botsu- ana (5), Guyana (5), Liberia (> 4), Japan (3), Tansania (3), Guinea (> 2), Malediven (> 2), Singapur (> 2), Barbados (2), Tschad (2), Süd- korea (2), Katar (> 1), Bahrain (1), Äquatorial- guinea (1), Swasiland (1), Afghanistan (+), Laos (+), Mongolei (+), Nordkorea (+), Südsudan (+).

HINRICHTUNGSMETHODEN

Im Jahr 2012 wurden folgende Hinrichtungs- methoden angewandt:
  • Enthaupten: Saudi-Arabien
  • Erhängen: Afghanistan, Bangladesch, Botsuana, Indien, Irak, Iran, Japan, Pakistan, Palästinensische Gebiete (Hamas-Behörden Gaza) Südsudan und Sudan
  • Giftinjektion: China und USA
  • Erschießen: Belarus, China, Jemen, Gambia, Nordkorea, Palästinensische Gebiete (Hamas-Behörden Gaza), Somalia, Taiwan, Vereinigte Arabische Emirate
STAATEN OHNE TODESSTRAFE: 140
  • abgeschafft für alle Straftaten: 97
  • abgeschafft in Friedenszeiten: 8
  • keine Anwendung in der Praxis: 35
STAATEN MIT TODESSTRAFE: 58

* Quelle (und zusätzlich mit Weltkarte): www.amnesty-todesstrafe.de


Zurück zur Menschenrechts-Seite

Zurück zur Homepage