Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

30 Millionen Menschen klagen an

Globaler Sklaverei-Index vorgelegt. Indien, China und Pakistan nach absoluten Zahlen an der Spitze

Von Thomas Berger *

Weltweit gibt es schätzungsweise 29,8 Millionen unter sklavenähnlichen Bedingungen lebende Menschen. Hauptproblemländer sind dabei Mauretanien, Haiti, Pakistan, Indien und China. Dies ist der Extrakt des globalen Sklaverei-Index, den die Stiftung Walk Free Foundation am Donnerstag vorgestellt hat. Mit ihrer umfangreichen Datensammlung, die Recherchen zu 162 Ländern umfaßt, geht die Organisation in ihrer Annahme zur Gesamtzahl noch um ein Drittel über die bisherigen Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hinaus. Die hatte in ihren jüngsten Statements von etwa 21 Millionen Betroffenen gesprochen.

Zwangsarbeit, Zwangsprostitution, Zwangsheirat, Kindersoldaten sowie Menschenhandel sind die wichtigsten Punkte, aus denen sich der Index der Zusammenstellung speist. Die Länderstatistik läßt sich dabei aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln lesen. Das eine ist das Ranking nach der absoluten Zahl derartig unterdrückter Menschen, das andere die Aufstellung nach dem Anteil an der Gesamtzahl der jeweiligen Bevölkerung. Bei letzterem erscheint das westafrikanische Mauretanien auf dem Spitzenplatz. Dort haben sklavenähnliche Verhältnisse eine lange Tradition und betreffen mit 140000 bis 160000 Personen rund vier Prozent aller 3,8 Millionen Einwohner. Zwangsarbeit und Zwangsverheiratung von Minderjährigen sind dort an der Tagesordnung. Dies trifft auch auch Haiti zu. Das mit Abstand ärmste Land der Karibik hat gut zehn Millionen Einwohner – und dabei mindestens 200000 Sklaven.

In beiden Aufstellungen auf Platz drei landet Pakistan mit zwei bis 2,2 Millionen Menschen in Sklaverei bei insgesamt 179 Millionen Einwohnern. Abseits etlicher anderer Faktoren konstatiert Walk Free, daß die Flüchtlingsströme im Land selbst sowie aus dem benachbarten Afghanistan viele Menschen entwurzelt und entrechtet haben, was die Etablierung extrem ausbeuterischer Verhältnisse begünstigt.

Geht es nach den absoluten Zahlen, führen die beiden Bevölkerungsgiganten aus Asien die Länderliste an. Indien steht dabei mit 13,3 bis 14,7 Millionen Sklaven an der Spitze. China folgt mit 2,8 bis 3,1 Millionen auf solche Weise Unterdrückten. Nimmt man zu diesen beiden und Pakistan noch Nigeria, Äthiopien, Rußland, Thailand, die Demokratische Republik Kongo sowie Myanmar und Bangladesch auf den nächsten Plätzen hinzu, so konzentrieren sich allein auf diese zehn Staaten 76 Prozent aller Menschen in moderner Sklaverei.

Auch in Thailand als Nummer sieben spielen Menschenhandel und sklavenähnliche Ausbeutungsverhältnisse eine besondere Rolle. Die Autoren der Studie verweisen unter anderem auf die Fischereiindustrie des Königreiches, die seit langem berüchtigt dafür ist, legale wie illegale Migranten aus dem benachbarten Myanmar systematisch zu knechten. Die Demokratische Republik Kongo wiederum ist sozusagen der Inbegriff eines gescheiterten und durch jahrzehntelangen Bürgerkrieg zerrütteten Staatswesens auf dem afrikanischen Kontinent, wo Minderjährige als Kindersoldaten in besonderer Weise Opfer sind. Auch einige osteuropäische Länder wie Rußland (in absoluten Zahlen) und Moldova (in relativer Betrachtung des Bevölkerungsanteils) stehen auf vorderen Plätzen.

Die Walk Free Foundation, als Nichtregierungsorganisation in Australien und den USA registriert, hat seit ihrer Gründung im vergangenen Jahr Aktivitäten in etlichen Ländern vor allem Südostasiens unterstützt. Im Juni 2012 war die Stiftung auf den Philippinen Mitorganisatorin eines Protestmarsches gegen Menschenhandel mit über 10000 Teilnehmern, in Indonesien und Vietnam gab es Großkonzerte, Straßenaktionen und Ausstellungen. In New York wiederum klärten Aktivisten bei der sogenannten »Zara-Kampagne« über Baumwolle auf, die in Usbekistan in Sklavenarbeit geerntet wird.

* Aus: junge Welt, Freitag, 18. Oktober 2013

Mehr Information:

Zum Sklaverei-Index: The Global Slavery Index 2013 [pdf-Datei; externer Link]




Zurück zur Menschenrechts-Seite

Zurück zur Homepage